Porsche-Poker Das dunkle Ränkespiel Von Josef-Otto Freudenreich, 21.07.09, 20:34h Bei der Uübernahmeschlacht zwischen Porsche und VW gibt es zahlreiche Strippenzieher. Ein ehemals gefeierter Gewinner droht dabei unterzugehen: Porschechef Wiedeking ist in dem politischen Schachspiel hoffnungslos unterlegen. Weist Widersacher Wideking in die Schranken: VW-Chef Ferdinand Piëch. (Bild: rtr) Weist Widersacher Wideking in die Schranken: VW-Chef Ferdinand Piëch. (Bild: rtr) So ein Ministerpräsident (MP) hat es nicht leicht, vor allem dann, wenn er außerhalb der Kernarbeitszeit ein gemütliches Pils trinken will. Da schaut er, in bester Stuttgarter Halbhöhenlage, nächtens auf die Stadt, und was will die Journaille? Eine bessere Performance. Bei Porsche. Das hätte sie nicht tun sollen, weil das ungerecht ist. Unablässig denke er an Wiedeking & Co., versichert Günther Oettinger, vier Stunden am Tag. Nur: Soll er das staunende Publikum jeden Tag an diesem Denkprozess teilhaben lassen? Wie der geschätzte Kollege Wulff in Hannover etwa? Dann lieber doch nicht. Das scheint vernünftig, weil es dem realen Verhältnis der Kräfte entspricht, oder anders gesagt: der baden-württembergische MP hat in diesem Meinungskrieg nichts zu sagen. Er habe, im Gegensatz zu Wulff , keine Aktien, betont Oettinger, und somit auch keinen Hebel, um wirklich Einfluss nehmen zu können. Das heißt jetzt freilich nicht, dass ihm verborgen geblieben wäre, wer über welche Bande spielt. Informationen habe er zuhauf, sagt er, und das liegt nahe, weil er im Kabinett eine Dame sitzen hat, die direkt an der Quelle sitzt: Claudia Hübner, die Staatsrätin für demographischen Wandel und Senioren, ist die Lebensgefährtin von Wolfgang Porsche. Von ihr wird er erfahren, wer gerade aus welcher Ecke schießt und warum. Das Problem ist nur: er kann es nicht verhindern. Wer Oettinger genau zuhört, begreift, wie der Porsche-Clan tickt und wo der Feind steht. In der Poleposition Christian Wulff, den er das „Sprachrohr von Piëch“ nennt. Der Grund für den Spitzenplatz ist schlicht: Der Hannoveraner Regierungschef nervt brutal. Mit immer neuen Ultimaten, mit Attacken gegen Porschechef Wendelin Wiedeking und den Betriebsratsvorsitzenden Uwe Hück, mit Erklärungen, in den das milliardenschwere Gebot des Emirats Katar als „Unsinn" abgekanzelt wird. Von den Porsches ist dafür natürlich nie eine Bestätigung zu erhalten. Sie schweigen vornehm und geraten allenfalls außer Façon, wenn es sich nicht mehr verhindern lässt. Bei der Hundertjahrfeier von Audi etwa, wenn Wolfgang Porsche auf Wulff trifft. Dabei sei es sehr lautstark zugegangen, heißt es. Wer das Glück hat, mit einem Familienmitglied sprechen zu können, erfährt auch, worin der Verdruss begründet ist. Einmal abgesehen davon, dass der Provinzfürst Wulff via VW/Porsche weltweit Schlagzeilen macht ("sonst könnte er Radwege einweihen“), stoßen seine Doppelpässe mit Kanzlerin Angela Merkel sauer auf. Ohnmächtig müssen Stuttgarter Automobilisten zusehen, wie der große Deal auf der Berliner und Brüsseler Bühne verhandelt wird, wie das VW-Gesetz, das Wulff eine Sperrminorität sichert, wie in Stein gemeißelt bleibt. Obwohl es die Europäische Union längst gekippt haben wollte. Das ist Politik, heißt es bei Porsche, und die gehe so: EU-Präsident Jose Manuel Barroso wolle wiedergewählt werden, und das klappe nur, wenn Angela Merkel zustimme. Die Kanzlerin wiederum halte sich mit ihrer VW-Zuneigung den Niedersachsen vom Leib, der in Hannover zumindest industrielle Weltpolitik spielen dürfe. Selbstredend kennt auch Oettinger dieses Kalkül, benennt es aber nicht. Er behilft sich eher mit kleinen Scherzen ("Angela fährt eben Audi") oder mit dem Hinweis, der Kollege Wulff habe ihn in dieser Causa noch nie angegriffen, weshalb er keinen Anlass habe, in diese Richtung zurück zu keilen. Das übernimmt nun sein raufboldiger Fraktionschef Stefan Mappus, der eine so kernige wie hilflose briefliche Breitseite an die Leine schickt. Als „unerträglich für das Land und für Porsche" geißelt er die „Herabminderungen" der Sportwagenschmiede durch den Parteifreund Wulff, und wirft ihm vor, dass dies dem Ansehen Deutschlands schade. So groß dimensioniert muss es dann schon sein, was Mappus' Kollegen von der SPD und der FDP offenbar dermaßen beeindruckt hat, dass sie ihre Unterschrift gleich gemeinsam unter einen Brandbrief gesetzt haben. Ein „unverzeihlicher Fehler" sei es, schreiben die Fraktionschefs, die Autonomie von Porsche aufzugeben. Da müssen Oettinger die Ohren geklingelt haben. In der Zuffenhausener Zentrale werden solche Demarchen aus heimischen Gefilden registriert. Mehr nicht. Zu frisch sind noch die Erinnerungen daran, dass ihnen die Landesregierung geraten hat, den Milliardenkredit bei der KfW zu beantragen - mit bekanntem Ergebnis. Zu unangenehm sind die Bilder aus dem Kanzleramt, in dem Wiedeking und Wolfgang Porsche von der Amtschefin links liegen gelassen wurden. Zu offenkundig ist, dass der einstige Star der Autobranche im politischen Schachspiel hoffnungslos unterlegen ist. Hinzu kommt das Trommelfeuer aus Wolfsburg. Es ist ja nicht nur Wulff, der schießt, es sind drei weitere: Ferdinand Piëch, Martin Winterkorn und Bernd Osterloh. Alle sind bestens miteinander vernetzt, alle haben dasselbe Ziel: die Macht über Porsche zu bekommen. Dass dabei fast jedes Mittel recht ist, liegt in der Natur des Systems, dessen Zweck die „öffentliche Hinrichtung“ Wiedekings ist, wie ein Vertrauter sagt. Wie kommt zum Beispiel die Meldung in „Spiegel-online“ vom vergangenen Freitag zustande, die behauptet, der Porschechef sei keiner mehr, und ein gewisser Herr Macht sei bereits als Nachfolger ausersehen? Abgesegnet von den Familienstämmen. Von Stund' an war Wiedeking eine lahme Ente, die am Seil durch das Meer der Medien gezogen wurde. Von einer Einigung in den Familien Porsche und Piëch keine Spur, von Wolfgang Porsche genannt „Wopo“ nur der Kommentar: „Das stimmt doch nicht“ - hinter verschlossenen Türen natürlich. Die lancierte (Des)information, die in Stuttgart wieder einmal dem VW-Patriarchen zugeschrieben wird, hatte ihre Wirkung getan. Das Schweigen der Porsches schwächt die Position Wiedekings zusätzlich. Es gibt keine aktuellen Aussagen der Familie, ob sie den Manager halten will oder nicht. Es gibt keine klare Äußerung, die verrät, ob sie eigenes Kapital in die Weltfirma einbringen will oder nicht. Die letzte Kunde stammt vom 6. Mai: man sei einer Kapitalerhöhung gegenüber aufgeschlossen. Der einzige Posten auf ihrer Habenseite scheint Uwe Hück zu sein. Der Zuffenhausener Betriebsratschef, der den Testosteronpegel durch Boxen hoch hält, gibt den schwäbischen Feldherrn, der die letzten Truppen ins Gefecht führt - gegen Wulff und Wolfsburg. Seine Malocher, kampfgestählt und unerschrocken, sollen ausrücken, falls morgen - was höchst unwahrscheinlich ist - bei der Porsche-Aufsichtsratssitzung eine Entscheidung pro Wolfsburg getroffen werden sollte. Die Gegenbewegungen des Arbeitgebers muten dagegen eher rührend an. Wiedeking fährt bei der Audi-Festivität in Ingolstadt als einziger nicht im Audi vor, erzählt, er fühle sich „pudelwohl“, lobt die Widersacher Wulff und Piëch und vertraut darauf, dass sich der Wind gegen die feindlichen Herrschaften dreht. Als Beleg, auch wenn er nur satirischer Natur ist, dient ein „Taz“- Beitrag über Wulff: „Er steht wie Fallobst, schmiert wie Seife, als fleischgewordene Friedenspfeife, die sich mit fremden Federn schmückt und Meinungen wie Dung abdrückt“. Darüber freut man sich bei Porsche - eine Art Galgenhumor. |