NACHRUF Kein anderer hat das Hamburger Vergnügungsviertel so geprägt wie Willi Bartels Er war ein knallharter Geschäftsmann - aber immer mit Herz und stets fair. Am Montag ist Willi Bartels gestorben. Er wurde 92 Jahre alt.Von Matthias Rebaschus St.Pauli - Zum lieben Gott habe er einen "hoffentlich guten" Draht, sagte er einmal. Und sein Wunsch, die Eröffnung des Hotels Riverside auf dem ehemaligen Bavaria-Gelände noch zu erleben, ist am 1. November noch in Erfüllung gegangen. Nun, nur wenige Tage später, ist Willi Bartels tot. Ein Mann, der schon in den 30er-Jahren Geschichte schrieb, der eigentlich drei Leben hatte. Ein faszinierendes Original, dessen Name untrennbar mit dem Rotlichtviertel St. Paulis verbunden ist. Willi Bartels, der "König von St. Pauli", war ein knallharter Geschäftsmann und genialer Netzwerker - aber immer mit einem Zwinkern in den Augen und mit dem Schalk im Nacken. Die spießige Hornbrille als Tarnung. Neugierig wie ein kleiner Junge. Auch schlüpfrig, wie es sich für St. Pauli gehört ("Ich brauche kein Mikrofon, ich habe ein enormes Organ."). Eine solche deutsche - oder besser: hamburgische - Operette, wie er sie gelebt hat, wird es nie wieder geben. Wilhelm Bartels wurde im Dezember 1914 im Harz geboren, kam als 14-Jähriger mit seinen Eltern nach St. Pauli. Von Glitzerwelt dort damals keine Spur: Matsch und Schlamm lagen auf den Straßen, wenn es geregnet hatte. Sein Vater Hermann war Schlachter. Auch Willi Bartels lernte zunächst das Fleischerhandwerk, begann dann eine Ausbildung im Hotel Kaiserhof, das damals am Bahnhof Altona stand. 1929 kaufte Hermann Bartels an der Großen Freiheit nacheinander das Ballhaus Jungmühle, das Bikini und das legendäre Hippodrom. Hans Albers, Curd Jürgens, Willy Birgel und Onassis gehörten dort zu den Gästen, der Hans-Albers-Film "Große Freiheit Nummer 7" (1943) machte das Vergnügungslokal über die Grenzen hinaus bekannt. Vater Hermann brachte dem jungen Willi nicht nur einfache Lebensregeln bei ("Denk bei dem Griff ins Portemonnaie dran: Jeder Pfennig, den du ausgibst, der ist erst mal ist weg"), sondern holte ihn auch ins Familienunternehmen. Mit 23 Jahren führte Willi Bartels die Geschäfte in der Jungmühle. Er lernte seine Frau Gisela kennen, die als Tänzerin im Trichter (Varieté am Millerntor) arbeitete. Beide heirateten 1943. Und Willi Bartels gab seine Pfennige nicht leichtfertig aus. Er investierte, kaufte planmäßig Grundstücke, baute Mietshäuser. Er wurde langsam zum Millionär, führte jedoch ein Leben als Biedermann, der lieber auf St. Pauli als in Blankenese (seiner neuen Heimat) lebte. Später sagte er einmal: "Mein Leben lang habe ich nicht auf großem Fuß gelebt. Was soll das auch? Schöne Reisen mit meiner Frau habe ich gemacht. Das war's." In der Folge kaufte er fast 2000 Wohnungen, Häuser, Geschäfte und wurde Hotelier (Fürst Bismarck, Kronprinz, Eden, Senator, Interrast). Eine Berufsbezeichnung, die er viel lieber hörte als den Spitznamen "König von St. Pauli". Und er machte Schlagzeilen: 1967 eröffnete er an der Reeperbahn das Eros Center, das damals größte Freudenhaus der Welt. Sogar zum Ehekrach soll es damals gekommen sein, weil Frau Gisela keinen Bordellbesitzer als Ehemann wollte. Das Eros Center allerdings war ein Senatswunsch - um die "Belästigung der Passanten durch Prostituierte" abzustellen. Fehlschläge hatte Bartels nur mit Schiffen. 1978 war sein Plan gescheitert, ein Restaurant-Schiff, das dem Dreimast-Segler "Deutschland" nachgebaut war, an den Elbstrand von Wittenbergen zu legen. Meisterhaft dagegen verstand sich Bartels auf den Umgang mit Netzwerken. Am besten funktionierte sein eigenes - so gut, dass etwa der ehemalige Bezirksamtsleiter Hubert Jungesbluth (SPD) nach dem Verlassen des bequemen Amtssessels übergangslos Chef eines "Klubs" wurde, den Willi Bartels mit ins Leben gerufen hatte: der Interessengemeinschaft St. Pauli, einem Zusammenschluss von Geschäftsleuten aus St. Pauli mit dem Ziel, die eigenen Geschäfte zu fördern. In den 80er-Jahren aber wandelte sich der Kiez. Osteuropäer - vor allem Albaner - machten sich mit einer für Deutsche ungewohnten Brutalität breit. Doch Bartels, der mit seiner Familie über neun Grundstücke an der Reeperbahn herrschte, blieb so konsequent, wie er das von seinem Vater gelernt hatte. "Wenn ich verkaufe", sagte er in Anspielung an den Aufstieg des Burim Osmani vom Aushilfskellner zum vermeintlich millionenschweren Kiez-Investor, "dann nicht an einen Osmani." Mehr sagte er nicht. Seine Worte waren Gesetz. Mit dem Tod von Willi Bartels wird sich der Kiez endgültig ändern. Die Zukunft werden Investoren bestimmen, denen der Charme des Rotlichts, mit dem Willi Bartels sein Leben lang geflirtet hat, gleichgültig ist. St. Pauli gehört dem Vergnügen - davon war er überzeugt: "Wenn die Eigentümer ihren Besitz zweckentfremden, geht die Reeperbahn zugrunde." erschienen am 6. November 2007 Weitere Artikel zum Thema:http://www.abendblatt.de/daten/2007/11/06/813308.html?s=2 _____________________________________________ Leben und leben lassen - gibt's das bei ARIVA? NÖ ! |