Chip-Konzern Diese Manager kämpfen um Einfluss bei Infineon (0) Von Jens Hartmann und Jan Hildebrand 11. Februar 2010, 06:51 Uhr Der umstrittene Chef des Infineons-Aufsichtsrats, Max Dietrich Kley, tritt ein letztes Mal vor die Aktionäre des Dax-Konzerns. Seine Amtszeit ist geprägt von Verlusten in Milliardenhöhe. Infineon steht eine turbulente Hauptversammlung bevor: Kleys Wunschkandidat für seine Nachfolge muss sich einer Kampfabstimmung stellen. Umstrittener Aufsichtsratschef: Max Dietrich Kley gibt den Posten bei Infineon auf. Über seinen Nachfolger soll es auf der Hauptversammlung eine Kampfabstimmung geben
Max Dietrich Kley wird nicht einmal seinen Abgang ohne Reibereien über die Bühne bringen. Nach acht Jahren als glückloser Aufsichtsratschef bei Infineon, nach einer Amtszeit, die von Milliardenverlusten und Machtkämpfen geprägt war, zieht er sich am 11. Februar auf der Hauptversammlung zurück.
Große Dankesreden werden die Aktionäre im Internationalen Kongresszentrum in München nicht auf Deutschlands umstrittensten Chefkontrolleur halten. Schlimmer noch, sie könnten seine letzte große Entscheidung boykottieren: die Wahl seines Wunschnachfolgers. Kley und die anderen Kontrolleure hatten im Herbst für diesen Job einen Mann nominiert, der aus ihrer Mitte stammt: Klaus Wucherer. Doch aufmüpfige Investoren wollen den Kandidaten bei der Wahl in den Aufsichtsrat durchrasseln lassen.
Willi Berchtold Seit dem 18. Januar bringen sie ihren Gegenkandidaten in Stellung. An dem Tag schickte der britische Pensionsfonds Hermes Willi Berchtold, Finanzchef des Autozulieferers ZF Friedrichshafen, ins Rennen. Andere Großaktionäre signalisierten Unterstützung für die Rebellen aus London. Seit sich der mächtige US-Stimmrechtsberater Riskmetrics für Berchtold aussprach, geht es bei Infineon richtig zur Sache. Denn große Fonds folgen oftmals seinen Empfehlungen.
Eine Kampfkandidatur hat es bei einem Dax-Konzern bis dato noch nicht gegeben. Normalerweise nicken Aktionäre die Personalvorschläge der Konzernspitze ab. Bei Infineon nutzen die Anteilseigner nun erstmals ihre Macht aus. „Der Fall Infineon ist ein ernsthaftes Signal für die deutschen Börsenunternehmen, an denen internationale institutionelle Anleger beteiligt sind, dass sie ein konstruktives Gespräch mit Anlegern suchen sollten, wenn es etwa um die Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes geht“, sagt Christian Strenger, der Mitglied der Regierungskommission für gute Unternehmensführung und Aufsichtsrat der Deutschen Bank-Tochter DWS ist.
Bei Infineons Hauptversammlungen ging es schon immer turbulent zu. Wenn man die Führung des Konzerns in einen Sack stecke und mit einem Knüppel drauf haue, treffe man garantiert keinen Falschen, donnerte vor einem Jahr ein Aktionär. Gründe für die Wut, die seit Jahren herrscht, gibt es viele: der dramatische Kursverfall der Infineon-Aktie, ein Korruptionsskandal, ewige Personalquerelen, keine Dividende seit zehn Jahren. Auf diesem Nährboden gedieh Unmut zur Revolte. Wie der Aufstand ausgeht, lässt sich kaum prognostizieren.
Wegbegleiter des Niedergangs
Klaus Wucherer Der Kandidat Wucherer ist gerade auf einer Rundreise durch Malaysia, Singapur und Thailand, als er erfährt, dass noch jemand den Aufsichtsratsvorsitz will. Per E-Mail erreicht ihn die Nachricht, dass Berchtold gegen ihn antritt. „Es ist gut, dass sich die Aktionäre einbringen“, wird Wucherer Wochen später im Gespräch mit der WELT sagen. „Aber die Art und Weise, in der sehr kurzfristig ein Gegenkandidat nominiert wurde, hat für unnötige Unruhe gesorgt und beschädigt das Unternehmen.“
Die beiden Manager kennen sich aus dem Aufsichtsrat der Deutschen Messe. Auf den ersten Blick ist Wucherer ein guter Kandidat. Er ist eine Größe in der deutschen Hightech-Branche. Der Hermes-Fonds führt gegen ihn allerdings ins Feld, dass Wucherer dem Aufsichtsrat von Infineon seit 1999 angehört und somit auch für all die Pleiten und Pannen steht, etwa die Insolvenz der Speicherchiptochter Qimonda.
Gegenspieler Berchtold, der beim Börsengang 1999 einige Aktien zum Ausgabekurs von 35 Euro kaufte, konnte in seinem Portfolio verfolgen, wie Infineon abschmierte. Die Aktien hält er zwar bis heute, sie sind jedoch nur noch je vier Euro wert. Der Tiefpunkt bei Infineon war vor einem Jahr erreicht, als der Kurs knapp über 30 Cent lag.
Prozess gegen Ex-Infineon-Chef Schumacher Damals grassierte die Sorge, dass der Chiphersteller mit seinen rund 25.000 Mitarbeitern Insolvenz anmelden müsste. Vorstandschef Peter Bauer und Kley sondierten schon bei der Bundesregierung die Möglichkeit, Staatshilfe zu bekommen. „Für einen wirklichen Neuanfang bei Infineon ist insbesondere auch eine Erneuerung an der Spitze des Aufsichtsrates nötig“, begründen die Fondsmanager von Hermes ihren Gegenantrag. Ein Argument gegen Wucherer führen sie nicht an: Er saß im Siemens-Vorstand, als die Korruptionsaffäre den Konzern erschütterte. Kann so jemand ein Dax-Unternehmen kontrollieren? „Gegen mich gab es nie strafrechtliche Ermittlungen“, entgegnet er.
Wucherer betont, bei Infineon sei längst ein Neuanfang gemacht, man schreibe schwarze Zahlen und sei in wichtigen Bereichen Weltmarktführer. „Umbau und Erneuerung des Unternehmens sind in vollem Gange.“ Also bedürfe es Kontinuität auch beim Spitzenpersonal.
Kandidat ohne Programm
Aber was will Berchtold? Immerhin betonte er, Infineon nicht zerschlagen zu wollen. Eine Vision, was er aus Infineon machen wird, hat er bislang nicht präsentiert. „Die selbsternannten Rebellen um den Kandidaten Berchtold tragen zwar den Begriff ‚Neuanfang' wie eine Monstranz vor sich her. Was sie letztlich wollen, ist aber rätselhaft“, sagt ein Infineon-Aufsichtsrat. Gerade bei den Arbeitnehmervertretern ist Skepsis gegenüber Berchtold zu spüren.
Berchtolds Leidenschaft gehörte immer schon der IT-Industrie. 2002 gelang ihm ein kleines Kunststück, an dem viele vor ihm gescheitert waren: Er gründete den Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) und verschmolz so die zersplitterten IT-Vereine in Deutschland.
Berchtold wohnt in Überlingen am Bodensee, in einem Haus mit Seeblick, aber nicht erste Reihe. Weggefährten beschreiben ihn als „bodenständig“, aber auch „eitel“. Auch wenn der Aufsichtsratsvorsitz mit gerade einmal 50.000 Euro im Jahr dotiert ist, wäre für den 59-Jährigen der Aufstieg in die Dax-Liga noch einmal ein Karrieresprung.
Infineon-Prozess Korruptionsvorwürfe gegen Ulrich Schumacher In seinem Umfeld wird stets betont, dass ihn internationale Großaktionäre und deutsche Unternehmensgranden bekniet hätten, bei Infineon zu kandidieren, um die Kleysche Führungsmisere zu beenden. In Frankfurter Finanzkreisen erinnert man sich allerdings anders: Demnach brachte sich Berchtold selbst energisch ins Spiel.
Wucherer und Berchtold geben sich vor dem Showdown siegesgewiss. Doch dass hinter den Kulissen noch immer nach einer Lösung gerungen wird, machen zwei Offerten deutlich. So bot einerseits Wucherer an, im Falle eines Wahlsiegs den Chefposten nur ein Jahr zu bekleiden. In dieser Zeit wolle er extern einen Nachfolger suchen.
Berchtold sagte andererseits, er werde seinen Job bei ZF niederlegen, sollte er Chefkontrolleur bei Infineon werden. Das war als Antwort auf Kritiker gedacht, die einen möglichen Interessenkonflikt in der Doppelfunktion sehen. Schließlich ist ZF ein Kunde von Infineon.
Der dritte Mann
Sieben Kandidaten der Kapitalseite rangeln um die sechs Plätze im Aufsichtsrat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sowohl Wucherer als auch Berchtold in das Kontrollgremium gewählt werden. Doch wer wird letztlich den Aufsichtsratsvorsitz einnehmen?
Der Aufsichtsrat selbst wählt aus seiner Mitte den Chef. Sollten nicht zwei Drittel der Vertreter von Anteilseignern und Arbeitnehmern im ersten Wahlgang für einen Kandidaten stimmen, wird ein zweiter Wahlgang nötig. Dann dürfen nur die Vertreter der Anteilseigner abstimmen. Sie hatten sich allerdings im Herbst bereits einmütig auf Wucherer als Kandidaten geeinigt. Warum sollten sie nun Berchtold inthronisieren? Zumindest kann einer der Aufsichtsräte keinen „Wankelmut“ im Spitzengremium erkennen.
Damit die Situation nicht vollends eskaliert, könnte auch ein „dritter Mann“ als Kompromisskandidat dienen. Genannt wird Hans-Ulrich Holdenried, 58. Der frühere Deutschlandchef des Computerherstellers Hewlett Packard hätte den Vorteil, dass er von außen kommt. Er würde also den von Hermes & Co geforderten personellen Neuanfang verkörpern. Und er besitzt Rückhalt durch die bereits amtierenden Aufsichtsräte. Sonst hätten sie ihn nicht für das Kontrollgremium nominiert.
Themen Infineon Max Dietrich Kley Aufsichtsratschef Nachfolger Hauptversammlung Kampfabstimmung München Egal wie es ausgeht, für Max Dietrich Kley ist in seinem letzten Gefecht wenig zu gewinnen. So gut wie alle Protagonisten sind jetzt schon beschädigt. Eine Prognose, wer die Oberhand behält, will auch ein Aufsichtsratsmitglied nicht abgeben. „Noch steckt der Karren im Dreck.“ DWS-Aufsichtsrat Christian Strenger wird sich den Showdown in München anschauen. Er glaubt jedoch nicht, dass der Fall Infineon nun flächendeckend Schule macht. „Aber den einen oder anderen Fall werden wir nun erleben. Infineon war da ein Novum und hat für einen Aha-Effekt gesorgt.“ |