EZB-Zinserhöhung ausgemachte Sache
Die EZB wird seit über einem Jahr wieder an der Zinsschraube drehen und ihren ankündigenden Worten der letzten Wochen nun auch Taten folgen lassen, so die Analysten der Nord LB.
Als nahezu sicher gelte die Anhebung des Tendersatzes auf 4,25%. Bereits in der vergangenen Ratssitzung hätten sich nach Auskünften von EZB-Chef Trichet einige Ratsmitglieder für eine Zinserhöhung ausgesprochen. Letztlich sei aber doch am Status Quo festgehalten worden.
Die ungewohnte Offenheit von Ratspräsident Trichet sollte wohl vor allem der Vorbereitung dessen dienen, was nun am morgigen Donnerstag anstehe. Schon jetzt gelte die von Trichet bemühte "erhöhte Alarmbereitschaft" als neues Schlüsselwort für Zinsveränderungen.
Zwischenzeitlich habe sich die Lage aus Notenbanksicht nochmals verschärft. Die ohnehin hohe Inflationsrate habe weiter zugelegt. Im Euroland seien die Verbraucherpreise im Juni um 4,0% gestiegen. Damit liege die Teuerungsrate nun doppelt so hoch wie die von der EZB definierte Zielgröße für Preisniveaustabilität. Einige Stimmen hätten diesen Wert bereits zum Anlass genommen, um darauf hinzuweisen, dass der für morgen erwartete Zinsschritt womöglich nicht der letzte sein müsse.
Aus Notenbankkreisen sei bislang zu vernehmen gewesen, dass eine Reihe von Zinserhöhungen nicht geplant sei. Diese Aussagen würden aber größtenteils aus der Zeit stammen, als die Inflationsrate noch unter der 4%-Marke notiert habe. Bleibe die Preisentwicklung im Bereich der Rohstoffe und Nahrungsmittel so aggressiv wie in den vergangenen Monaten, könnten wohl auch weitere Zinsschritte nicht mehr ausgeschlossen werden.
Nicht zuletzt aus diesem Grund dürften auch die Ausführungen von Jean-Claude Trichet auf der im Anschluss an die Ratssitzung stattfindenden Pressekonferenz mit Spannung erwartet werden. Angesichts des momentanen Rekordniveaus bei der Inflation dürften auch die Forderungen nach einem Überdenken der Definition von Preisniveaustabilität erneut auf den Tisch kommen.
Immer wieder würden interessierte Kreise mehr oder minder unverhohlen fordern, die EZB möge doch von ihrer definierten Zielmarke von "unter aber nahe bei 2%" abrücken. Hieran werde die Zentralbank aber keinesfalls rütteln. Sie werde nach Einschätzung der Analysten richtigerweise an ihrer Definition festhalten, schon allein um die anderen Notenbanken daran zu erinnern, dass die Inflationskontrolle oberste Priorität haben sollte.
Während die EZB-Offiziellen mittlerweile fast einstimmig - und damit ganz nach dem Geschmack ihres Dirigenten Trichet - das Inflationslied singen würden, hätten jüngst vermehrt kritische Töne aus der Politik den Klang gestört. So habe Bundesfinanzminister Steinbrück zu bedenken gegeben, dass Zinserhöhungen vor dem Hintergrund einer sich abkühlenden Konjunktur durchaus prozyklisch wirken könnten. Und die von Steinbrück, seines Zeichens selbst diplomierter Volkswirt, angesprochene Gefahr sei nicht völlig von der Hand zu weisen.
Nachdem die Erwartungskomponenten der beiden wichtigen deutschen Stimmungsindikatoren (ZEW-Umfrage und ifo-Geschäftsklimaindex) stark rückläufig gewesen seien und auch die Auftragseingänge in Deutschland in den vergangenen Monaten wiederholt nachgegeben hätten, würden nun offensichtlich auch Teile der deutschen Politik eine deutliche Abschwächung der hiesigen Wirtschaft und eine Verschärfung dieser Entwicklung infolge eines steigenden Zinsniveaus fürchten.
Und wenn der deutsche Finanzminister sich schon mal kritisch zur Geldpolitik der EZB äußere, könne und wolle sich der französische Staatspräsident natürlich nicht lange bitten lassen und blase sogleich in das selbe Horn. Der ohnehin als EZB-Kritiker bekannte Sarkozy versuche nun in seiner neuen Rolle als EU-Ratspräsident Einfluss auf die Handlungen der Zentralbank zu nehmen. Nicht nur die Inflationsgefahren, auch Wachstumsaspekte müsse die EZB in ihre Entscheidung einfließen lassen. Sicherlich habe er hier vor allem die abnehmende Wachstumsdynamik Frankreichs vor Augen. Aber auch in Ländern wie Spanien, Italien, Portugal und Irland würden Rezessionsängste um sich greifen.
Jedoch sei nicht davon auszugehen, dass die EZB sich von diesen politischen Statements sonderlich beeindrucken lasse. Schließlich habe sie auch in der Vergangenheit stets auf ihre Unabhängigkeit abgestellt und entsprechenden Forderungen aus der Politik regelmäßig eine deutliche Absage erteilt. Direktoriumsmitglied Bini Smaghi gebe sich daher auch betont gelassen. "Die EZB ist laut ihrem Mandat stärker auf Preisstabilität fokussiert, und deshalb reagieren wir früher als die FED auf diesen Druck."
Fraglich bleibe jedoch, inwieweit der erwartete Zinsschritt auch tatsächlich den Inflationsraten und -aussichten Einhalt gebieten könne. Zwar könne die Notenbank mit einer entsprechenden geldpolitischen Maßnahme ihren Willen zur Sicherstellung von Preisniveaustabilität untermauern. Direkten Einfluss auf die Preistreiber - Energieträger (hier natürlich vor allem der Rohölpreis) sowie Nahrungsmittel - könne sie hingegen nicht nehmen. Auch deren künftige Preisentwicklung bleibe exogen. Es bleibe zu hoffen, dass weitere Preissprünge in den genannten Bereichen ausbleiben würden.
Ansonsten könnte die Auswirkung der geplanten Zinserhöhung auf die Inflationserwartungen verpuffen. Daran würde auch ein eventueller zweiter kleiner Zinsschritt nur wenig ändern. Einen anhaltenden externen Preisschub bei den Rohstoffen durch weitere massive Zinserhöhungen ausgleichen zu wollen, berge zudem die Gefahr einer Beschleunigung und Verschärfung des konjunkturellen Abkühlungsprozesses in der Eurozone. Schon kursiere das Unwort "Stagflation" - hohe Inflationsraten gepaart mit wirtschaftlicher Stagnation. Es bleibe also dabei - schwierige Zeiten für die Notenbank. (02.07.2008/ac/a/m) Marktbericht-Datum: 02.07.2008
Quelle: Finanzen.net / Aktiencheck.de AG |