Machterhalt statt Weitblick
09:05 29.04.08
Nun hat der Vorstandsvorsitzende der Hamburger Freenet AG Eckhard Spoerr wieder einmal seinen Kopf durchgesetzt. Die Freenet AG wird die debitel-Gruppe für 1,63 Mrd. Euro vom Finanzinvestor Permira übernehmen und mit 19 Millionen Kunden zum drittgrößten Mobilfunkanbieter nach T-Mobile und Vodafone aufsteigen.
Der Deal sieht in etwa wie folgt aus. Permira erhält 32 Millionen neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung und kommt dann auf ca. 25 % der Anteile. Zusätzlich erhalten sie ein Käuferdarlehen von 132,5 Mio. Euro. Permira hat sich im Gegenzug verpflichtet mindestens 60 % seiner Aktien bis zur Hauptversammlung im folgenden Jahr zu halten.
Die Freenet muss zusätzlich mit 1,13 Mrd. Euro die hohen Verbindlichkeiten von debitel übernehmen. Um diese zu senken, muss Spoerr bis Ende 2009 sein breitbandiges Zugangsgeschäft verkaufen, was nach Schätzungen 400 bis 600 Mio. Euro bringen soll. Deshalb will Freenet zunächst auch keine Dividende zahlen. Peer Knaur von der Versatel hat bereits Interesse bekundet.
Das neue Unternehmen soll angabegemäß auf 5 Mrd. Euro Umsatz und ein EBITDA von 450 Mio. Euro kommen. Etwa 7.500 Mitarbeiter wird das neue Unternehmen beschäftigen.
An der Börse wurde der Deal bisher negativ aufgenommen. Die Freenet Aktie verlor -7 % auf 10,50 Euro. Aber nicht nur die Marktteilnehmer, auch United Internet Chef Ralph Dommermuth und Drillisch-Chef Pascal Choulidis sind deutlich angesäuert. Sie haben bereits angekündigt auf der bevorstehenden Hauptversammlung im Juni alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Deal noch zu stoppen. Hatte Sie doch bis zuletzt 12,80 Euro bzw. unter Vorliegen gewisser Bedingungen 14 Euro je Aktie geboten.
Spoerr rechtfertigt sein Vorgehen damit, dass er die Eigenständigkeit erhalten wollte und Dommermuth und Choulidis von der United Internet bis zuletzt kein Übernahmeangebot vorgelegt haben.
Also eines muss man Spoerr lassen und neidlos anerkennen. Mut hat er und Durchsetzungsvermögen bis an die Grenze des Zulässigen und darüber hinaus. Ähnlich wie einst sein Mentor Schmid. Die Frage ist nur, ob das allein reicht, um einen großen Konzern erfolgreich in die Zukunft zu führen. Und da kommen bei mir nachhaltige Zweifel auf. Denn das ist schon einmal schief gegangen.
Aber schauen wir uns zunächst den Deal an. Dass die debitel Gruppe keine Perle ist, sieht man schon am zugrundeliegenden Umsatzmultiple von 0,6 bzw. unter Einbezug der Schulden von 0,96. Was nicht gerade berauschend ist. Nun könnte der ein oder andere auf den Gedanken kommen, dass das doch gut sei, weil günstig erworben. Das sehe ich anders. Das neue Unternehmen wird nämlich einen massiven Schuldenberg vor sich hertragen. Zudem steht schon wieder die Befürchtung im Raum, dass Spoerr Permira unter der Hand eine Sonderausschüttung versprochen hat, was das Unternehmen zudem schwächen würde. So etwas Ähnliches hatten wir schon einmal. Das sofort erfolgte Dementi von Spoerr nimmt da eh keiner mehr Ernst. Und das angekündigte EBITA betrifft, so muss Spoerr das erst einmal erwirtschaften. Das wird nicht leicht werden, zunächst angesichts von bevorstehenden Eingliederungskosten, wenngleich das Einmalkosten sein werden und es Margendrucks. Und, hinsichtlich der angekündigten Skalenerträge und Synergiekosten bin ich doch etwas skeptisch.
Denn wir befinden uns ja nicht in einer Branche, die vor lauter Marge nur so jubeln könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Die Marge wird zunehmend dünner. Und, wenn Spoerr dann zukünftig nicht die Möglichkeit hat Produkte anzubieten, die den Kunden rundum versorgen, weil er das Breitbandgeschäft verkaufen muss, dann muss man feststellen, dass der Deal keine strategische Meisterleistung ist. Im Gegenteil.
Hätte Spoerr – wie er vorgibt - das Unternehmensinteresse im Blickfeld gehabt, dann hätte er den engen Schulterschluss mit Dommermuth und Choulidis suchen müssen. Wobei er persönlich wahrscheinlich unter die Räder gekommen wäre. Und das war letztlich ausschlaggebend, befürchte ich.
Aber all das kann man so und so sehen. Je nach Standpunkt. Letztlich weiß man immer erst hinterher, wie gut der Deal wirklich war. Und wenn man einen tieferen Einblick in die betriebswirtschaftlichen Zahlen beider Unternehmen bekommt.
Was mich aber – jenseits davon - stört und warum ich diesen Deal nicht gutheiße, ist die Tatsache, dass wieder einmal nicht der Ausgleich gesucht wurde, sondern die Konfrontation. Dass Großaktionäre mit fast 25 % Gesellschaftsanteil übergangen wurden, lässt für die Zukunft nichts Gutes ahnen. Denn was die Freenet jetzt nach so einem Gewaltakt und angesichts eines so engen Marktes bräuchte ist Ruhe und innere Geschlossenheit. Das Gegenteil dessen, was Spoerr mit seinem Vorgehen angerichtet hat. Resigniert muss man am Ende feststellen, dass bei Freenet das alte Prinzip herrscht:
Machterhalt statt Weitblick.
Einen schönen Tag und hohe Renditen wünscht Ihnen.
Ihr Norbert Lohrke |