A. "Die Niedrigzinsen [gehen] also zu lasten der Banken, die in absehbarer Zeit Probleme bei der Kreditvergabe bekommen würde, wegen sinkender Eigenkapitaleinlagen."
Es ist richtig, dass die Banken wegen der Null- bzw. Negativzinsen (NIRP und ZIRP) schlecht verdienen, da ihre Fristentransformationsgeschäfte dadurch weniger Einnahmen bringen.
"Probleme bei der Kreditvergabe" bekommen die Banken aus drei Gründen:
1. Kredite bringen den Banken wegen NIRP/ZIRP weniger Gewinn ein (s.o.). Sie würden sogar gern noch mehr Kredite vergeben, um dies auszugleichen. Dies geht jedoch wegen Punkt 2 und Punkt 3 nicht.
2. Denn "Kredite vergeben" setzt voraus, dass diese überhaupt nachgefragt werden. In den Eurozonen-Südstaaten (PIIGS) ist dies wegen struktureller Schwächen nicht der Fall. Keine Firma investiert, wenn sich die Investitionen z. B. mangels Kundennachfrage nicht lohnen. Überinvestition zur Unzeit kann eine Firma sogar in den Konkurs schicken.
3. Für jeden Kredit, den eine Bank vergibt, muss sie ihr Eigenkapital (EK) erhöhen. Diese EK-Erhöhung dient als Risikopuffer, falls der Kredit ausfällt. Historisch waren die EK-Quoten und Risikorückstellungen der Banken jedoch viel zu niedrig. Deshalb mussten in der 2008-Krise reihenweise Banken vom Staat ausgebailt/aufgefangen werden. Sie wären ohne die Staatsrettung pleite gegangen. Um diese Staatsbailouts künftig zu verhindern, werden die Banken gemäß den ab 2013 geltenden Basel-III-Bestimmungen gezwungen, mehr EK vorzuhalten - also ihren Risikopuffer zu erhöhen. Da mehr EK nicht magisch vom Himmel fällt, können Europas Banken ihre EK-Quote nur erhöhen, indem sie WENIGER Kredite vergeben. Wenn sie ihre Bilanzen schrumpfen (was sie allenthalben tun), wächst ihre EK-Quote. Auf dieselbe als "Puffer" dienende Kernkapital-Summe entfällt dann weniger Ausfallrisiko.
Bilanzen schrumpfen heißt: weniger Kredite vergeben und vorhandene reduzieren, bis die EK-Quote den verlangten Wert erreicht hat.
Die Banken stehen dadurch doppelt unter Druck. Wegen NIRP/ZIRP verdienen sie kaum noch an den Krediten, und wegen Basel III müssen sie auch noch ihr Kreditvolumen reduzieren. Kein Wunder, dass viele Banken in der Eurozone am Stock gehen. Der Aktienkurs der Commerzbank hat seit 1998 um ca. 98 % verloren, und dies trotz mehrerer Kapitalerhöhungen (KE). Bei der Deuba ist die Marktkapitalsierung zurzeit kleiner als der Betrag, den die Aktionäre in den vielen KEs nachgeschossen haben.
----------------------------------------------
B: "Damit es für die europäische Wirtschaft keine Kreditklemme gibt (die wiederum Pleitewellen von europäischen Unternehmen bedeuten würden), gibt es jetzt das TLTRO-Programm."
Das ist eine Zentralbanker-Lüge. Wegen des o.g. (Basel III-Einschränkungen) können die Banken gar nicht "mehr Kredite vergeben", sondern müssen ihre Bilanzen schrumpfen. Außerdem fehlt in den strukturschwachen PIIGS schlicht die Kreditnachfrage. Dort betreiben die Firmen eher Bilanzabbau (Koo'sche Bilanzrezession) - um selber zu überleben: Würden sie ohne gesteigerte Nachfrage via Kredite expandieren, gingen sie pleite.
Hauptursache der chronischen PIIGS-Misere ist der für die strukturschwachen PIIGS viel zu starke Euro. Die PIIGS leiden an mangelnder ökonomischer Effizienz. In Italien hat die durchschnittliche Firma nur 8 Angestellte. Früher konnten Ländern wie Italien diese Rückständigkeit ausgleichen, indem sie laufend die Lire abwerteten. Dadurch blieben italienische Waren im Ausland konkurrenzfähig. Den Euro können die Italiener aber nicht mehr abwerten.
------------------------------------------------
Was also will Draghi/die EZB wirklich mit TLTRO erreichen?
TLTRO sind langlaufende Gratiskredite der EZB an die Banken - und damit Geldgeschenke. Denn die Banken nutzen das Geld EBEN NICHT, um mehr Kredite zu vergeben (daher: Lüge), sondern sie kaufen von diesen Krediten hauptsächlich Eurozonen-Staatsanleihen (vorzugsweise höhere rentierende aus den PIIGS) und wohl z. T. auch Aktien.
Wenn eine Großbank von der EZB z. B. 10 Milliarden Gratiskredit mit zehn Jahren Laufzeit erhält und davon (frisch emittierte) italienische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit kauft, erhält diese Bank zehn Jahre lange annual die 3 % Zinsen, die Italo-Bonds zurzeit abwerfen (siehe Chart unten). Die Bank erhält somit in den zehn Jahren ingesamt rund drei Milliarden an Zinsen, zahlt aber an Draghi überhaupt keine Zinsen für den TLTRO-Kredit. Diese drei Milliarden Euro Zinseinnahmen über die Laufzeit sind somit ein Reingewinn für die Banken. Das Ganze ist also ein gigantisches Gratis-Rekapitalisierungsprogramm für die strauchelnden Eurozonen-Banken, die bezeichnenderweise wegen Draghis NIRP am Stock gehen!
Und wer zahlt die Zeche? Europas Sparer, die von Draghi wegen NIRP keine Zinsen mehr erhalten. Draghi ist der erste Notenbanker der Geschichte, der in acht Jahren Amtszeit NIEMALS die Zinsen erhöht hat. Sie sind seit Jahren bei Null.
Die Bankenrettung auf Sparerkosten ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die "Rettung" der potenziellen Südperipherie-Pleitestaaten. Denn dank TLTRO entsteht nun ja eine Riesennachfragen nach Staatsanleihen z. B. aus Italien und Griechenland. Normale Investoren, die für ihr Geld mehr oder minder hart gearbeitet haben, würden griechische Staatsanleihen nicht mal mehr mit der Kohlenzange anfassen, weil die Ausfallgefahr viel zu hoch ist. GR hat eine Staatschuldenquote von ruinösen 185 %, und dies nach zig Schuldenerlassen und Rettungen.
Die Banken hingegen kaufen dank TLTRO-Gratisgeld dieses toxische Zeug mit Freuden, und so wird auf diesem Umwege auch noch der Euro bzw. die Eurozone "gerettet" (Konkursverschleppung durch die EZB).
Den Banken kommt dabei die Regelung sehr gut zu pass, dass sie Käufe von europäischen Staatsanleihen NICHT mit mehr EK unterlegen müssen. Sie können sich daher mit PIIGS-Bonds vollsaugen, ohne dass ihre EK-Quote die Basel-III-Restriktionen unterläuft.
Unterm Strich sehen wir die perfekte Münchhausen-Rettung: Die Banken kaufen mit EZB-Gratisgeld aus TLTRO frische PIIGS-Staatsanleihen, die sonst niemand mehr anfassen würde, und verdienen sich damit eine goldene Nase (= "Rettung" verzockter Banken). Und diese Käufe retten zugleich die PIIGS vor der Pleite, weil es "jemanden" gibt, der ihnen trotz pleiteträchtiger Staatsschuldenquoten immer noch neue Staatsanleihen abkauft ("Rettung" verzockter Eurozonen-Staaten). Das kann und darf Draghi freilich nicht öffentlich zugeben. Wenn die Wahrheit seiner "Banken sollen mehr Kredite vergeben"-Lüge ans Licht käme, würde er wohl auf offener Straße gelyncht ;-)
|