Hafen Internationale Schifffahrt steckt in der Krise Der Verfall der Charterraten auf den Containerlinien ist vorerst gestoppt. Denn in der Branche gilt: Je kürzer die Dauer der Charter ist, desto höher sind die Raten. Von Peter Zerbe
Als im Oktober und November vergangenen Jahres in New York, London und Hamburg Gerüchte auftauchten, dass zu viele Neubauten von Containerschiffen den Markt beeinflussen könnten, wurden viele Marktteilnehmer nervös. Sie meinten, aggressiv vorgehen zu müssen, um ihre bestellten Neubauten zu verchartern. Die Folge war, dass ein mögliches Überangebot an Tonnage die Tagesraten für die Schiffe drückte.
Der Ratenverfall scheint aber jetzt gestoppt zu sein, auch wenn Brachenriesen wie Maersk kaum Besserung bis zum Jahresende sehen. Immerhin: Reedereien, die fast nur Chartertonnage beschäftigen, konnten bereits wieder günstige Preise aushandeln - auch wenn sich die Vercharterer nach Beobachtungen des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) häufig zurückhielten und oft nur kurzfristige Charterverträge abschlossen, um von steigenden Raten zu profitieren. Denn in der Branche gilt die Regel, je kürzer die Dauer der Charter ist, desto höher sind die Raten. Erst vor Kurzem wurde von einer Reederei ein Schiff mit einer Kapazität von 6200 Containereinheiten (TEU) für sechs Monate eingechartert. Die Tagesrate beträgt 40 000 Dollar. Würde der Containerliner für drei Jahre aufgenommen, läge die Charterrate zwischen 30 000 und 35 000 Dollar.
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Mit einer zum 1. Juli dieses Jahres vorgenommenen Frachtratenerhöhung wollen nun die Reeder ihre Einnahmen wieder verbessern. Ziel der Eigner sind 300 Dollar je TEU-Normbox. Damit liegen die Kosten dann für Transporte von Asien nach Europa und in die USA bei etwa 1800 Dollar je TEU. In den Fahrtgebieten Europa/USA nach Asien sind diese Raten erheblich niedriger.
Ob sich die Anhebung am Markt aber wirklich durchsetzen lässt, muss die Zukunft zeigen. Die Raten müssen nicht nur Personal- und Betriebskosten decken, sondern auch die Baukosten. Letztere sind längerfristig kalkulierbar.
Der vorläufigen Entwarnung bei den Raten folgte aber inzwischen ein anderer Alarm: Denn die Treibstoffpreise stiegen überaus stark, wodurch auch die großen Linienreedereien gebeutelt wurden. Dies besonders, wenn sie einen besonders hohen Anteil an Chartertonnage in der Flotte haben. Eine Tonne schweres Heizöl mit einem Prozent Schwefelanteil kostet heute nach Angaben von Karl-Heinz Schult-Bornemann von Exxon-Mobil in Hamburg um 320 Dollar.
Im November vergangenen Jahres waren es noch 278 Dollar und im Mai/Juni 2005 durchschnittlich 230 Dollar je Tonne. Je nach Größe verbrauchen die Containerschiffe zwischen 75 (1700 TEU-Schiff) und mehr als 300 (8200 TEU-Schiff) Tonnen Treibstoff am Tag auf See.
"Für einen 8200- bis 9200-TEU-Liner betragen bei einer Geschwindigkeit von 23/24 Knoten die Bunkerkosten 100 000 Dollar und mehr", weiß Max Johns vom VDR.
"Fährt das Schiff schneller, dann steigen die Kosten überproportional an." Durch langsameres Fahren können die Reeder so viel Geld sparen.
Die Krise der Schifffahrt lässt sich damit aber kurzfristig kaum stoppen. Immerhin gehen die Reeder langfristig von einem jährlichen Wachstum des Handels über See von bis zu sieben Prozent aus. Und: Die georderten großen Containerliner mit Kapazitäten von 6000 und mehr Normboxen werden diesen Bedarf nach Schäzungen von Fachleuten kaum decken.
Artikel erschienen am 16.09.2006
Artikel drucken ? WELT.de 1995 - 2006
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