AnalystCorner: freenet - debitel-Integration nicht einfach
SES Research Jochen Reichert, Analyst 06. Mai 2008 Die freenet AG steigt durch die Übernahme von debitel mit nun 19 Millionen Kunden zum drittgrößten Mobilfunkanbieter Deutschlands auf. Was bedeutet das für die Aktie? Jochen Reichert von SES Research sieht einige Herausforderungen wie den Abbau der Schulden auf das Unternehmen zukommen und reduziert das Kursziel für den TecDAX-Titel.
FREENET AG WKN A0EAMM Branche Telekomdienstleister Land Deutschland Bisherige Empfehlung Halten Aktuelle Empfehlung Halten Kurs bei Besprechung 10.60 Euro Datum 05.05.2008 Kursziel 11,90 Euro (bisher 13,40 Euro) Zeithorizont 12 Monate
Börsenkennzahlen Unternehmen FREENET AG 52 Wochen Hoch 25,52 Euro 52 Wochen Tief 9,45 Euro Marktkapitalisierung 1.056,67 Mio. Euro Erwähnte Unternehmen Name WKN Kauf Verk. News FREENET AG A0EAMM AnalystCorner fragte nach.
AC: Herr Reichert, welche Bedeutung hat der Kauf von debitel für freenet?
Reichert: Mit der debitel-Übernahme konsolidiert freenet den Mobilfunkmarkt und steigt zur Nummer drei in Deutschland auf - hinter T-Mobile und Vodafone D2. Der Marktanteil beläuft sich auf 20%.
AC: Was haben die beiden Unternehmen im vergangenen Jahr denn zusammen erwirtschaftet?
Reichert: Auf pro forma Basis haben freenet und debitel zusammen einen Umsatz in 2007 von 5,3 Mrd. Euro erzielt sowie ein EBITDA von 362 Mio. Euro, davon 348 Mio. Euro aus dem Mobilfunk-Geschäft.
AC: Was sind die Vorteile des Deals?
Reichert: Zunächst einmal die erhöhte Vertriebskraft. Zusammen haben beide Unternehmen mehr als 1.000 eigene Shops, sowie mehrere 1.000 Vertriebspartner. Zudem können Synergien realisiert werden - auf der Einkaufsseite sowie bei IT, Billing und Software.
AC: Und außerdem...
Reichert: ...ist hier ein wichtiger Partner für die Mobilfunk-Netzbetreiber entstanden. Gemeinsam kamen debitel und freenet in 2007 auf ein Bruttoneukundengeschäft von rund 6 Mio. Kunden. Damit kommen die Netzbetreiber an ihnen nicht mehr vorbei, da sie einen gewichtigen Umsatzbringer darstellen.
AC: Fassen Sie doch bitte einmal die Eckdaten der Transaktion zusammen.
Reichert: Gerne. Die erste der drei Komponenten ist eine Kapitalerhöhung um 32 Mio. freenet-Aktien, das entspricht 24,99%, zu einer Bewertung von 11,24 Euro bzw. insgesamt knapp 360 Mio. Euro.
AC: Und die anderen beiden Komponenten?
Reichert: Ein Verkäuferdarlehen über 132,5 Mio. Euro sowie Schulden in Höhe von rund 1,13 Mrd. Euro. Somit liegt der Enterprise Value für debitel bei knapp 1,61 Mrd. Euro. Im vergangenen Jahr erzielte debitel ein bereinigtes EBITDA von 255 Mio. Euro. Dies entspricht einer EV/EBITDA-Relation von 6,3 -eine ambitionierte Bewertung.
AC: Der Großaktionär MSP Holding, hinter dem United Internet und Drillisch stehen, war gegen diese Übernahme, wollte freenet vielmehr selber übernehmen.
Reichert: Das stimmt. Für die Großaktionäre dürfte es aber schwierig sein, dagegen vorzugehen. Zum einen hatte freenet die Genehmigung von der Hauptversammlung, das Kapital für Akquisitionszwecke zu erhöhen. Zum anderen ändert sich der Geschäftszweck nicht, auch wenn vor der debitel-Übernahme das Mobilfunksegment rund 63% zum Konzernumsatz beitrug, und dieser Anteil nun auf über 85% steigt.
AC: Wie sehen denn die Prognosen nach der Übernahme von debitel aus?
Reichert: Freenet erwartet 2009 ein EBITDA von mindestens 450 Mio. Euro, die EBITDA-Guidance hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Erstens, inwieweit können Synergien realisiert werden und zweitens, wie wird die Kundenwachstums-Strategie in 2008 und 2009 aussehen.
AC: Welche Möglichkeiten gibt es da?
Reichert: Die EBITDA-Marge kann optimiert werden, indem man auf das Neukundengeschäft verzichtet. Um die Kundenzahl von 19 Mio. konstant zu halten, müsste freenet aber pro Jahr auf Grund der hohen Kündigungsrate von über 25% ca. 5 Mio. Neukunden gewinnen. Unter der Annahme, dass 50% der Neukunden klassische Vertragskunden sind und durchschnittlich die Kundenakquisitionskosten für Neukunden bei ca. 250 Euro liegen, müsste freenet für 5 Mio. Neukunden rund 625 Mio. Euro aufwenden.
AC: Was wird Permira, von der debitel gekauft wurde, mit ihren freenet-Aktien machen?
Reichert: Nach der debitel-Übernahme sind insgesamt 128,06 Mio. freenet-Aktien ausstehend. Davon hält Permira 24,9%, muss diese aber bis zum Ablauf der Lock-up-Frist im August 2009 halten. Permira sollte auf Grund des hohen Leverage von debitel eine hohe zweistellige Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielt haben.
AC: Weiterer Großaktionär ist die MSP Holding mit nunmehr 18,3%.
Reichert. Das ist richtig. Falls United Internet, die ja wie Drillisch hinter MSP steht, zu dem Schluss kommt, kein Übernahmeangebot mehr für freenet abzugeben, dann könnte United Internet ihren Anteil von ca. 12 Mio. Aktien Drillisch andienen. United Internet hat für ihre freenet-Aktien eine Put-Option gegenüber Drillisch, wenn bestimmte Bedingungen oder Ereignisse eintreten. Drillisch könnte den Kaufpreis, der sich derzeit auf 132 Mio. Euro belaufen würde, wohl nicht stemmen und könnte deshalb dazu gezwungen sein, die Aktien zu veräußern.
AC: Also könnten hier schnell größere Pakete auf den Markt kommen, oder?
Reichert: United Internet dürfte sich hier mit Drillisch abstimmen, so dass eine plötzliche, unerwartete Andienung nicht zu erwarten ist. Credite Suisse, die ebenfalls ein größeres Aktienpaket von 12,3% hält, dürfte hingegen nicht langfristig an freenet beteiligt bleiben. Möglicherweise war die Motivation, auf ein kurzfristiges Übernahmeangebot von United Internet zu spekulieren.
AC: Fassen Sie doch bitte noch einmal zusammen, wie sie die Situation der ?neuen? freenet AG sehen.
Reihert. Die Die Vorteile des debitel-Deals liegen in der Marktmacht sowie in dem angesprochenen Synergiepotenzial. Jedoch liegen nach dem Closing der Transaktion die Finanzschulden bei rund 1,2 Mrd. Euro. Dies entspricht bezogen auf ein pro-forma EBITDA 07 einem Net Debt/EBITDA-Multiplikator von 3,3.
AC: Was sind folglich die Aufgaben des Managements in der nächsten Zeit?
Reichert: Primäres Ziel der Gesellschaft dürfte sein, die hohe Verschuldung abzubauen. Hinzu kommt, dass sich eine Integration beider Gesellschaften nicht einfach gestalten sollte. Schließlich werden die Bedingungen auf dem Mobilfunkmarkt weiter schwierig bleiben auf Grund der hohen Kundenakquisitionskosten und der hohen Wettbewerbsintensität.
AC: Wie lautet ihre Einschätzung der Aktie?
Reichert: Das neue Kursziel lautet auf Basis des EV/EBITDA-Ansatzes 11,90 Euro, bisher hatte es bei 13,40 Euro gelegen. Das Rating bleibt auf Halten.
Das Gespräch führte Götz Klempert
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