und statt es ihm zu danken, will man den Bankier Josef «Joe» Ackermann wieder vor Gericht bringen. Es geht um 110 Millionen Euro und die Frage: Was ist das für ein Mensch, in dem unsere Nachbarn ein unzähmbares, kapitalistisches Raubtier sehen?
Erweckungs-Gottesdienst ist das keiner. Die Herren auf dem Podium lesen ihre Reden auf so einschläfernde Weise ab, dass man eher ihren Mundbewegungen als dem Inhalt folgt. Letzterer ist ohnehin bekannt. Die Deutsche Bank will ihre Rendite auf 25 Prozent erhöhen und entlässt 6400 Mitarbeiter.
Das freilich wusste das Publikum im stählernen Gestänge der Frankfurter Messe schon vorher. Erschienen ist es aus ganz anderen Gründen: Wie sieht ein Bankboss nach so viel Prügel aus? Mit knapper Not dem Gefängnis entronnen, ein neues Verfahren am Hals, von linken Politikern zur Heuschrecke gemacht und auch von besonnenen Medien als Inbegriff des Abzockers hingestellt. Kunden haben seinetwegen ihr Bankkonto gekündigt; von der versprochenen Honorarprofessur an der Universität Frankfurt ist nicht mehr die Rede.
Doch Josef Ackermann sieht aus wie immer: heiter. Die volle Tolle über der Stirn ist frisch geföhnt, der Rücken scheint breiter denn je. Und neben den schmalschädligen, schmallippigen und schmalnasigen Vorstandsherren der Deutschen Bank wirkt er wie ein Bonvivant, der darauf wartet, dass endlich der gemütliche Teil beginnt. Das, allerdings, dauert lange. Immer neue erboste Aktionäre entern das Mikrofon. «Früher», sagt einer, «kam es für einen Sparkassenkunden einem Ritterschlag gleich, bei der Deutschen Bank ein Konto zu haben. Heute muss man sich dafür schämen.» Ein anderer klagt: «Wo immer auf der Welt eine Schweinerei passiert, ist die Deutsche Bank dabei.» Der Nächste klopft mit knöchernem Finger auf einen siebzehn Seiten langen Brief: «Wenn das stimmt, was da drinsteht, dann ist Herr Dr. Ackermann ein riesiger Abstauber.» Der Brief, unterschrieben von «leitenden Mitarbeitern» der Deutschen Bank, wurde ihm, als bekannt kritischem Aktionär, vor der diesjährigen Generalversammlung zugestellt.
Braut ohne lästigen Anhang
Der Inhalt ist happig. «Ganz Schmusekätzchen statt Kontrollinstanz», steht da, sieht der Verwaltungsrat zu, wie Josef Ackermann mit einem Sturmtrupp Getreuer die Festung Deutsche Bank zur Übernahmekandidatin trimmt. Und dies aus reinem Eigennutz: «Der Verkauf würde Herrn Dr. Ackermann eine Ablöse von 300 Millionen Euro zusätzlich bringen.» Bereits kann er die Braut ohne lästigen Anhang präsentieren. Die meisten Industriebeteiligungen sind verscherbelt – für den Geschmack potenter Bewerber bieten sie zu wenig Rendite. Die traditionellen Bankgeschäfte wurden zurückgestuft – ihr bescheidener Gewinn könnte die Begehrlichkeit des Bräutigams dämpfen. Ganz auf den Profithunger internationaler Investoren zugeschnitten ist dagegen das neue Investmentbanking in London, wo, so die «leitenden Mitarbeiter», eine «Horde rücksichtsloser anglo-amerikanischer Einzelkämpfer» Geld um des Geldes willen macht.
Erstes Geld mit Maikäferverkauf
Die Briefverfasser lassen in ihre Sorge über das Schicksal der Deutschen Bank viel Bitterkeit über das eigene Los einfliessen. Für Herrn Dr. Ackermann, klagen sie, «zählen wir Deutschen nicht mehr». Wichtig ist ihm nur noch die «geldgierige Londoner Clique», die kein Risiko scheut. Sie residiert an teuerster City-Lage und ist, trotz ihrer oft «grausam schlechten Ausbildung, masslos überbezahlt». Dafür beherrscht sie «das virtuose Halten von Folienvorträgen, das Lügen, ohne rot zu werden, und das Punkten, ohne wirklichen Inhalt zu transportieren».
Die «Wut und Lethargie» der Deutschen erhöht, dass die Londoner Investmentbanker inzwischen zwei Drittel aller Erträge der Deutschen Bank erwirtschaften. Und dass sie dies mit unerhört leichter Hand tun. «Nach fünf Uhr abends», klagt ein Frankfurter Banker, «kann ich in den Londoner Offices niemanden mehr erreichen.» Klar, die Londoner haben Besseres zu tun. Mal feiern sie im Klub «The Clarence» auf Bankkosten ihre neuen Rekord-Boni; mal fliegen sie mit ihren «high potential»-Kunden zu einem Kylie-Minogue-Konzert nach Barcelona. «Der Trip kostete die Bank eine Million Pfund», rechnet ein Deutscher bitter vor. «Dafür werden bei uns die Papierkörbe aus Spargründen nur noch zweimal wöchentlich geleert.
Angezettelt hat diesen erbarmungslosen Kulturkampf zwischen traditionellem deutschem Bankengeschäft und globalem Shareholder-Kapitalismus ein Mann, den die meisten persönlich ganz nett finden. Selbst Gewerkschafter Leo Wunderlich. Als Vorsitzender des Konzern- und Gesamtbetriebsrates der Deutschen Bank kennt er Josef Ackermann aus vielen Sitzungen. «Auch bei harten Auseinandersetzungen verhielt er sich immer sehr verständnisvoll und setzte sich für humane Lösungen ein.»
Private Freunde loben Josef Ackermanns persönliche Bescheidenheit, seine Umgänglichkeit und seinen Hang zum Musischen. Josef Ackermann liebt alles Schöne und Gute, vor allem Verdi und Mozart. Seine Firma unterstützt das Beste vom Besten, die Berliner Philharmoniker, er selbst das Zürcher Opernhaus. Seine Frau ist eine Finnin, die er an der Handelshochschule St. Gallen kennen gelernt hat; die einzige Tochter wird allgemein als «überaus reizend und selten gut erzogen» gelobt. Gut, hin und wieder wundern sich die Zürcher über den biedern Auftritt des Ehepaars Ackermann. «Wüsste man nicht», fasst eine Gastgeberin zusammen, «dass er die Milliarden der grössten Bank Deutschlands verwaltet, glaubte man, den Kassier einer Melser Jasskasse vor sich zu haben.»
Mels. Ganze Mediengeschwader sind schon ausgerückt, um Josef Ackermanns Heimatort zu besichtigen. Aus welchem Zwinger ist dieses kapitalistische Raubtier ausgebrochen? Lässt sich in Mels das Rätsel erklären, wie ein braver Landbub zum meistgehassten Manager Deutschlands mutierte? Wie einer, der sein erstes Geld mit Altpapiersammeln und dem Verkauf von Maikäfern verdiente, zum Symbol für Geldgier und Masslosigkeit werden konnte?
Gesangsstunden
Die Ausbeute solcher Forschungsreisen ist mager. Klar wird allen nur eines: Mels ist kein Ort, wo ein junger strebsamer Mann freiwillig bleibt. Wie zähflüssiger Teig zieht sich das Dorf der Autobahn und dem SBB-Schienenstrang entlang; darüber droht ein stumpfer und dumpfer Berg, an dem nichts Heroisches ist. Den Allerweltshäuschen sieht man an, wie mühsam sie zusammengespart worden sind, den Menschen, dass sie nur eines wollen: in Ruhe gelassen werden. Josef Ackermann scheint keine bleibenden Spuren hinterlassen zu haben. Einer der drei Buben vom Dr. Ackermann halt, dem Dorfarzt, der seinen altersschwachen VW zu jeder Tages- und Nachtzeit den Berg hinaufquälte und für einen Franken auch einen Zahn zog. Als er sich 1980 selbst pensionierte, lobte das Lokalblatt, der Sarganserländer, sein Pflichtbewusstsein, seine Aufopferung und seine grosse Güte.
Für Sohn Josef fanden die Studienkollegen an der Handelshochschule St. Gallen andere Adjektive zutreffender: smart und unkompliziert. Weder aufdringlich ehrgeizig noch überdurchschnittlich brillant. Nahm Gesangstunden, war Speerwerfer. Damit passte er genau in die lockere Bankergeneration, die in den achtziger Jahren durchstartete. Mit 42 Jahren war Josef Ackermann Generaldirektor der Schweizerischen Kreditanstalt, wie die Credit Suisse damals noch hiess, mit 45 Jahren deren Präsident. Am glücklichsten über die Beförderung zeigten sich die Medien. An Ackermanns hölzernem Vorgänger Robert Jeker hatten sie sich die Zähne ausgebissen, und Holdingpräsident Rainer E. Gut geruhte nur mit der Financial Times zu sprechen. Jetzt aber kam einer, der ebenso entspannt über seinen Ekel vor Tätowierungen und Kutteln plauderte wie über sein Paradestück: die Verschmelzung der Volksbank in den SKA-Konzern. Das jährliche Mittagessen des Tages-Anzeigers mit den Bankspitzen, erinnert sich der damalige Chefredaktor Peter Studer, wurde zu einer durchaus vergnüglichen Angelegenheit.
Begeistert über den offenen Banker, stellten die Medien selbst den Knick in Josef Ackermanns steiler Karriere als Folge seines sozialen Gewissens hin: Von einem Tag auf den andern hatte er 1996 seinen Schreibtisch am Zürcher Paradeplatz verlassen. Er konnte, erklärte die Presse, den rabiaten Umbau seiner Bank mit 8500 gekündigten Arbeitsplätzen nicht mittragen: «Er wollte seinen Mitarbeitern ins Gesicht schauen können.» Verfolgt man freilich, wie unzimperlich er ein paar Jahre später die Abspeckung der Deutschen Bank betrieb, scheint eine andere Variante wahrscheinlicher: Im neuen Organigramm der Credit Suisse wäre Josef Ackermann nicht mehr die Nr. 2 hinter Rainer E. Gut gewesen. Er hätte seine Macht mit zwei oder drei Gleichgestellten teilen müssen.
Fern von Loyalitätsskrupeln
Schon vier Monate nach seinem abrupten Abgang sass er wieder weich und hoch im Vorstand der Deutschen Bank in Frankfurt; seit 2002 ist er dort oberster Boss und damit Inhaber des prestigeträchtigsten Managerjobs, den Deutschland zu vergeben hat. Josef Ackermann erfüllte alle Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden. Im Nu hatte er 20000 der 85000 Arbeitsplätze abgebaut und in London das lukrative Geschäft mit Grosskunden, Kredit- und Marktrisiken aufgebaut. Denn dort konnte er, ungestört von lästigen deutschen Gewerkschaften und staatlichen Regelungen, mit allem Geld machen, womit sich in Globalisierungszeiten Geld machen liess – vor allem mit Hedge-Funds, Fusionen und Übernahmen.
Gut möglich, dass die Deutsche Bank Josef Ackermann nicht nur wegen seiner Banker-qualitäten angestellt hatte. Einem Schweizer, so wohl das Kalkül, nehmen die Deutschen die ruppigen Umbau- und Aufräumarbeiten weniger übel als einem Landsmann. Massenkündigungen, im traulich gefärbten Emil-Idiom ausgesprochen, scheinen weniger einschneidend. Sieht einer aus, als würde er erst am Stammtisch zu seiner vollen Form auflaufen, fühlt sich die Basis möglicherweise eher verstanden. Zudem weiss man von andern Bereinigungen solcher Art: Ein Ausländer erledigt einen Job, der Härte erfordert, rascher. Er lässt sich von den gewachsenen und zementierten Strukturen weniger einschüchtern, neigt zu weniger Rücksichtnahme und nationalen Loyalitätsskrupeln.
Sturm gegen die «Ackermänner»
Doch der Um- und Abbau der Deutschen Bank verlief harziger als erwartet. Zu verknöchert die deutschen Arbeitsgesetze, zu üppig die Sozialleistungen, zu lästig die verbriefte Mitbestimmung der Angestellten. Auf einem Heimtrip in der Schweiz seufzte Josef Ackermann vor Kollegen: «Ihr lebt auf einer Insel der Glückseligen...» Tatsächlich: Die schweizerische UBS erwirtschaftet mit einer um 20000 Mitarbeiter kleineren Belegschaft ähnliche Zahlen wie die Deutsche Bank. Und bezahlt nur 21 statt 38 Prozent Steuern.
Nicht nur das Mitleid der Kollegen, auch die Teilnahme der Schweizer Presse war Josef Ackermann sicher. Sie nannte ihn «unseren Winkelried» in Deutschland und die hässlichen Vorwürfe der Deutschen «Hyperventilieren». Ganz besonders beschämend fand sie, dass SPD-Chef Franz Müntefering mit «Ackermänner» die bösartigste Art Kapitalisten meinte und die internationalen Grossinvestoren und milliardenschwere Fonds mit «Heuschreckenschwärmen» verglich, «die grasen und weiterziehen».
Damit nicht genug. Der Dramatiker Rolf Hochhuth machte Ackermann in einem Theaterstück zur raffgierigen Hauptfigur; namhafte deutsche Manager warfen Ackermann öffentlich «verfremdeten schweizerischen Erwerbssinn» vor. Was wohl nur allzu leicht mit «typisch helvetischer Geldgier» übersetzt werden kann. Im eigenen Haus spotteten Mitarbeiter über seinen «plumpen, dörflichen Dialekt». Untergebene mokierten sich über seinen Hang zu englischen Ausdrücken: «Eine sprachliche Zumutung.» Und machten aus seinem Leitspruch «A Passion to Perform» eine «Leistung, die Leiden schafft».
Inzwischen ist die gegenseitige Gereiztheit so gross, dass Josef Ackermann Deutschland von Herzen verleidet scheint. Immer seltener trifft man ihn in Frankfurt an; viel lieber bleibt er dort, wo man ihn Joe statt Josef nennt und das Leben lockerer nimmt: in seinen Zweit- und Drittwohnsitzen in London und New York. Zweifellos den Rest gegeben hat ihm der Mannesmann-Prozess. 37 quälend lange Prozesstage musste er in einer Düsseldorfer Amtsstube zuhören, wie man ihn der ungetreuen Geschäftsführung bezichtigte. Daran gewöhnt, dass sich alles nach seiner Agenda richtet, hatte er sich plötzlich einem fremden Willen zu unterordnen. Nach jedem Verhandlungstag sprang er von der Bank wie ein Schüler beim Läuten der Pausenglocke; sein Griff nach dem Handy war die Geste eines Süchtigen. Wochenlang war er Leuten ausgeliefert, die keine Ahnung vom modern banking hatten. Die nicht einmal wussten, wie man appreciation award korrekt aussprach. Damit waren die 110 Millionen Mark gemeint, die er als Mannesmann-Aufsichtsrat an eine Hand voll Mannesmann-Topmanager verteilt hatte. Ein verdientes Dankeschön. Schliesslich war es ihrem Verhandlungspoker zu verdanken, dass die britische Übernahmefirma Vodafone sehr viel mehr für die Mannesmann bezahlen musste.
Fehler, Fehler, Fehler
Zum Glück teilte die Düsseldorfer Richterin Josef Ackermanns Meinung. Leider hielt die Erleichterung über ihren Freispruch nicht lange an. An diesem 20. und 21. Oktober entscheidet der Bundesgerichtshof, ob der Prozess neu aufgerollt wird: Mannesmann reloaded.
Die Geschenke, plädiert der Chefankläger der Bundesrepublik, dienten ausschliesslich den privaten Interessen der Beschenkten und wurden damit der Firma entzogen. Anders ausgedrückt: Josef Ackermann hat Geld verteilt, das ihm gar nicht gehörte. Wie auch immer: Die Volksempörung richtet sich weniger gegen die geschenkten Millionen als gegen die nonchalante Croupier-Geste, mit der sie über den Tisch geschoben wurden. Wie abgeschottet vom wirklichen Leben musste die Managerkaste leben, dass sich keiner mehr fragte, mit welcher Leistung solche Summen zu vereinbaren waren...
Einmal aus dem Tritt geraten und aus seinem Manager-Selbstverständnis gerissen, begann Josef Ackermann, Fehler über Fehler zu machen. Zwar waren seine zum V-Zeichen gespreizten Finger nur eine bübische Verlegenheitsgeste gewesen. Wer erschrickt nicht, wenn ihm vor dem Gerichtsgebäude eine hundertköpfige Fotografenmeute entgegenblitzt... Das Volk jedoch deutete sein Siegeszeichen und sein Siegerlächeln anders: So arrogant also ist Deutschlands gefrässigste Heuschrecke...
Gleichzeitig begann sich die Bankenkonkurrenz über den Zickzackkurs zu wundern, den Josef Ackermann plötzlich fuhr. Mal wollte er den braven deutschen Kleinkunden zurückgewinnen, dann doch wieder lieber nicht. «Die Deutschbanker wechseln ihre Strategien wie ihre Businesshemden», spottete das deutsche Manager-Magazin.
Zu den dicksten und gehässigsten Schlagzeilen aber führte Ackermanns Ankündigung im Frühling dieses Jahres, 25 Prozent Rendite schaffen und gleichzeitig 6400 Mitarbeiter entlassen zu wollen. Noch schlimmer: Er tat dies nur einen Tag nachdem bekannt geworden war, dass die Zahl der arbeitslosen Deutschen erstmals nach dem Weltkrieg die Fünf-Millionen-Marke überschritten hatte.
Medialer Super-GAU? Mangelndes Fingerspitzengefühl? Mitnichten. Gezielte Provokation, begangen von einem Manager, der sich ungerecht behandelt und missverstanden fühlte. Obwohl ihn besorgte Mitarbeiter vor dieser Verquickung zur Genüge gewarnt hatten – Josef Ackermann wollte raufen. Mit Gewalt ein paar Binsenweisheiten in die dumpfen deutschen Schädel einhämmern: Die Zeit der linken Träumereien ist vorüber. Erst kommt die Rendite, dann die Rente. Erst der Profit, dann die Nächstenliebe. Das kapiert man auf der ganzen Welt. Nur in Deutschland offenbar nicht.
Heftiger Applaus
Tatsächlich. An der Frankfurter Aktionärsversammlung trat ein besorgter Langweiler nach dem andern – leicht erkennbar am bunten Pullover oder bunten Schal – ans Mikrofon und lamentierte über die verantwortungslose Deutsche Bank. Was hilft’s, wenn der Gewinn zwar o.k., der Ruf aber im Eimer ist? Wenn Tausende dabei arbeitslos werden? Rein persönlicher Ehrgeiz treibt Herrn Dr. Ackermann dazu, auf 25 Prozent Gewinn zu bestehen in einer Zeit, wo sich ein anständiges Unternehmen mit sehr viel weniger begnügt. Und überhaupt: Warum soll man so viel verdienen?
Mit jedem neuen Redner lichteten sich die Saalreihen deutlicher. Lieber als an solcher Moral nagten die Aktionäre im Vestibül an den ausgedörrten Hühnerflügeln, mit denen sie die Deutsche Bank dieses Jahr buchstäblich abspeiste. Erst als Josef Ackermann sprach, strömte das Publikum zurück in den Saal. Er fand es, las er vom Blatt, beschämend, dass jetzt alle auf einen, nämlich auf ihn, zielten. Lebhafter Szenenapplaus. Er sagte, er denkt nicht daran, von seinem Kurs abzuweichen. Applaus. Zwar hatte die Bank letztes Jahr so viel wie schon lange nicht mehr verdient, nämlich 17 Prozent. Doch das ist nicht genug. Es müssen 25 Prozent sein. Nur so kann die Bank mithalten mit der internationalen Konkurrenz. Nur so bleibt sie für die Anleger attraktiv. Heftiger Applaus.
Was Josef Ackermann nicht sagt: 25 Prozent Gewinn, gegen alle Widerstände herbeigezwungen, werden auch ihn selbst für einen zukünftigen Arbeitgeber attraktiv machen. Denn entscheidet sich der Bundesgerichtshof – was allgemein erwartet wird – für die Wiederaufnahme des Verfahrens, droht Ackermann ein Schuldspruch. Und ein verurteilter Straftäter an der Spitze der Deutschen Bank ist kaum vorstellbar.
Es ist Nacht, als der Verwaltungsrat der Deutschen Bank endlich von seinen Aktionären erlöst wird. Die Saalkamera wirft ihre Gesichter auf die Leinwand. Josef Ackermann sieht noch immer aus wie ein Bonvivant, zwar etwas ramponiert, doch geradezu trotzig unbekümmert. Vielleicht allzu sehr. Vor allem verglichen mit den übrigen Herren auf dem Podium. Sie umstehen ihn wie ratlos-besorgte Ärzte, die sehr viel mehr wissen als der fröhliche Patient.
Am 20. und 21. Oktober entscheidet der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, ob der Mannesmann-Prozess neu aufgerollt wird.
Die Weltwoche, Zürich