(Sorry, Artikel ist schon ziemlich alt, aber immer noch passend)
"Kein Manager wird so heftig beschimpft wie Josef Ackermann. Helfen könnte ihm und der Deutschen Bank nur noch, Deutschland den Rücken zu kehren. von Matthias Wulff
Josef Ackermann täte gut daran, das Land zu verlassen. Er sollte seine Bank gleich mitnehmen. Die Deutsche Bank und das deutsche Volk passen nicht mehr zueinander. Das Institut will Gewinne machen, das Land bevorzugt den schleichenden, wenn auch sozial ausgewogenen Niedergang. Die Bank akzeptiert die Regeln der Globalisierung, die Deutschen sehen in ihr lediglich eine Gefahr.
Wenn es nicht mehr zufriedenstellend weitergeht, hat der Ökonom Albert O. Hirschman geschrieben, gibt es nur zwei Möglichkeiten: " Voice" oder " Exit" . Auf Ackermann angewandt bedeutet das: Die Stimme zu erheben, um für seine Ansicht zu werben, ist gegen eine feste öffentliche Meinung ein chancenloses Unterfangen. Daher bleibt nur noch der Rückzug aus dem Land, deren Repräsentanten ihm wie dem Außenseiter in der Schule zu verstehen geben: Du wirst nie einer von uns.
Ackermann besetzt in diesem öffentlichen Schmierenstück die Planstelle des gewissenlosen Kapitalisten. Denn dieser eine Mann raubt inzwischen das Vertrauen in die Demokratie (SPD-Chef Franz Müntefering), ist ein verantwortungsloser Manager ohne soziales Gewissen (IG-Metall-Vorsitzender Jürgen Peters) und zieht eine Blutspur von 20 000 vernichteten Arbeitsplätzen hinter sich her (Bayerns SPD-Chef Ludwig Stiegler).
Eine Regierung, die durch eine verkorkste Arbeitsmarktpolitik die Konjunktur abwürgt und die Beschäftigungslosigkeit fördert, hat in ihm den idealen Sündenbock gefunden. Als Großbanker - der ja nicht produziert, was in Deutschland per se einen höheren Stellenwert genießt - eignet er sich wie kein zweiter zur Fratze des Kapitalismus. Seine Argumente können nur noch einer defensiven Rechtfertigung gleichkommen, er kann sich die Kommunikation mit der Öffentlichkeit auch gleich sparen.
So ging die Ankündigung des Instituts vergangene Woche, in diesem Jahr 750 neue Mitarbeiter im Privatkundengeschäft einzustellen, vollkommen unter. Sie paßte nicht zum Zerr- und Feindbild. Auch daß es sich bei dem in der Bilanzpressekonferenz im Februar angekündigten Stellenabbau vor allem um Mitarbeiter aus dem Investmentbanking im Ausland handelt, die Müntefering sonst nur als Mensch gewordene " Heuschrecken" verachtet, war Politik und Verbänden egal. 1,1 Milliarden Euro stellt die Bank für 6400 Angestellte zurück, 171 000 Euro pro Mitarbeiter.
Ackermanns Isolierung verdeutlich, wie geschlossen das deutsche Wirtschaftssystem weiterhin ist. Wer sich nicht an die informellen Regeln der Deutschland AG, dem Geflecht aus Managern, Gewerkschaftlern und Politikern, hält, wird ausgesperrt. So verlangt es inzwischen der gute Ton, daß Arbeitsplätze nur noch in hochdramatischen Beschäftigungspakten abgebaut werden. Erst dann ist das Schauspiel perfekt, und die Beteiligten sehen nach nächtelangen Verhandlungsrunden mit ihren Augenringen und leicht verschobenen Schlipsen auch kämpferischer aus als Ackermann bei der kühlen Mitteilung der Stellenstreichungen. Dadurch werden Krisen zwar nicht gelöst, wie die unzureichenden Ertragslagen bei Volkswagen und Mercedes zeigen, sondern nur verschoben. Aber durch die Bewahrung der Rituale sichern sich die wahren Jobvernichter durch Managementfehler wie Jürgen Schrempp bei Daimler-Chrysler ihren Posten im Unternehmen und ihre öffentliche Reputation.
Auch daß Profite und Eigenkapitalrendite eine amoralische Kategorie sein sollen, will Ackermann nicht akzeptieren. Dafür muß er büßen: So einer soll auch nicht Honorarprofessor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt werden. Dort lehrt Ackermann seit 2002 in einem zweitägigen Blockseminar pro Semester Bankstrategien. Doch nach Protesten des linken Studentenverbandes Asta (" Herr Ackermann ist sicherlich kein Vorbild" ) vertagte die Leitung der Hochschule die Entscheidung über eine Professur.
Durch Ackermanns Verweigerung, Teil des politisch-wirtschaftlichen Establishments zu sein, offenbart sich das mangelnde ökonomische Verständnis der deutschen Eliten. Es sind ja nicht nur linke Politiker, die sich gegen ihn wenden. Selbst der oberste Lobbyist der Industrie, Jürgen Thumann, geht beim Thema Stellenabbau trotz Milliardengewinn zu ihm auf Distanz. Die Frage, ob in Deutschland erst Mitarbeiter entlassen werden dürfen, wenn Unternehmen wie Karstadt oder Opel an die Wand gefahren sind, stellt sich nicht einmal für einen BDI-Chef. Wenn Unternehmen wie Dell, Intel und IBM auf Ertragseinbrüche - wohlgemerkt nicht Verluste - in den neunziger Jahren nicht mit sofortigen Massenentlassungen reagiert hätten, würden sie heute nicht mehr an der Spitze stehen.
Dieses Vorgehen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit kennt Ackermann, weil es international üblich ist. Das deutsche Regelwerk hingegen will er nicht akzeptieren. Nie hat er begreifen wollen, daß die Deutschen mit seiner Bank eine Haßliebe verbindet. Sie ist ein Mythos der Macht. Lange Zeit galt sie als Schaltzentrale der deutschen Wirtschaft, und der Vorstand war das kapitalistische Zentralkomitee.
Ackermann hat an dieser nationalen Folklore kein Interesse. In gewisser Weise sei die Bank das " Baby" aller Deutschen, hatte er vor einigen Wochen in einem Gespräch mit der " Welt am Sonntag" gesagt. Vielleicht hätte er ehrlicherweise einräumen sollen, daß er an Adoption nicht interessiert ist."
Artikel erschienen am 24. April 2005
http://www.wams.de/data/2005/04/24/709115.html?s=1
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