Mach's noch einmal, Joe Deutsche-Bank-Chef Ackermann droht die Revision des Mannesmann-Prozesses. Das ist unerfreulich, aber seine Position als Konzernlenker ist trotzdem ungefährdetOhne Im Gericht dabeizusein, geriet Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nach wenigen Minuten in Bedrängnis. Am ersten Verhandlungstag um 9.40 Uhr, kurz nach der Eröffnung, wagte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf ein Bildnis: Wenn ein Gutsverwalter sein Gut in einen Golfplatz umwandelt und dem dann beschäftigungslosen Gärtner eine hohe Prämie zahlt, dann verletzt dieser seine Vermögensbetreuungspflicht.
Der Gärtner war bei diesem Vergleich ganz offensichtlich der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser, der nach dem Verkauf Mannesmanns an das Mobilfunkunternehmen Vodafone 15 Millionen Euro Anerkennungsprämie bekommen hatte. Einer der Gutsverwalter war Ackermann, damals im Aufsichtsrat bei Mannesmann, der Essers Leistungen extra honoriert hatte, obwohl eine Anerkennungsprämie vorher vertraglich nicht vorgesehen war.
Zwei Tage hörten die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) in der vergangenen Woche Argumente des Bundesanwalts und der neun Verteidiger. Erst am 21. Dezember um 10.30 Uhr wollen sie entscheiden, ob die Freisprüche für Ackermann, Esser, den früheren IG-Metall-Chef Zwickel und drei weiteren früheren Angeklagten Bestand haben werden - ein deutliches Indiz dafür, daß die Richter sich alle Zeit nehmen, um die komplizierten Rechtsfragen zu lösen. Noch sei nichts entschieden, erzählen Vertraute des Bankenchefs den Journalisten. Doch angesichts der kritischen Fragen des Senats ist eine Neuauflage des spektakulärsten Wirtschaftsprozesses der deutschen Wirtschaftsgeschichte gut möglich.
Trotzdem ist für Ackermann die Situation bedeutend komfortabler. Im Gegensatz zum ersten Prozeß 2004 muß er nicht um seinen Posten fürchten. Heute ist er intern unumstrittener Chef der Bank, hat er doch das einst kriselnde Institut wieder in die globale Bankenelite zurückgeführt. Frühere Kritiker verließen den Konzern, die einst wenig wohlmeinende Analystenschar stellt ihm mittlerweile ein gutes Zeugnis aus.
Klar, eine Neuauflage des Prozesses kann Ackermann nicht willkommen sein. Noch einmal stünde er als Angeklagter, der die "Abzocker" unterstützte, im Licht der Öffentlichkeit. "Wenn er wieder vor Gericht muß, würde ihn das tief verletzten", sagt ein mächtiger Banker aus der Schweiz, der ihn seit 30 Jahren kennt.
Bei der Deutschen Bank hofft man, daß Ackermann im Falle eines Prozesses zurückhaltender vorgehen würde. Auffällige Fröhlichkeit im Gerichtssaal, die sich in dem legendären V-Handzeichen für Victory entlud, werde es nicht mehr geben, versichert ein Vertrauter, ein gemeinsames Schäkern mit Esser schon gar nicht.
Denn die Solidarität zu Esser bröckelt. Dessen Seitenhieb über das Fehlen Ackermanns ("Das Gericht hat geladen. Meine Vorstellung von Respekt ist, da zu kommen") kam bei der Deutschen Bank wenig gut an. Ackermann weilte am Freitag auf Kundenbesuch in Washington. "In Karlsruhe hat er auch nichts verloren", meint ein Manager der Bank.
Esser war da anderer Meinung. Bis Freitag nachmittag hatte der Manager sich Reden und Gegenreden angehört, bevor er in seinem Schlußwort darauf verwies, daß es sich bei den Prämien um "freiwillige Boni" und nicht etwa um Geschenke gehalten habe.
Das genau ist die Frage: Entscheiden muß das Gericht, ob Leistungen im nachhinein prämiert werden dürfen, wenn dadurch keine Anreize mehr gesetzt werden, und derjenige, der sie erhält, demnächst aus der Firma ausscheidet.
"Wir werden sehr genau überlegen müssen, ob das vielleicht gar nicht Vergütungen waren, sondern Geschenke", sagte Richter Tolksdorf. Klar ist: Falls es sich bei den Millionensummen um Geschenke gehandelt haben soll, haben die Angeklagten wohl doch Vermögen veruntreut. Genau von diesem Vorwurf hatte sie das Düsseldorfer Landgericht freigesprochen.
Obwohl der Senat es explizit verneint, befindet es indirekt auch über die Höhe der Managervergütung. Wenn Esser nach dem Verkauf Mannesmanns eine Annerkennungsprämie von 150 Euro statt 15 Millionen Euro erhalten hätte, würden sich sicherlich nicht Heerscharen von Anwälten mit diesem Fall beschäftigen.
Michael Adams, Professor an der Universität Hamburg, vermutet nach den kritischen Fragen des Senats, daß das Verfahren wieder neu aufgerollt wird. "Die Richter sehen die Vollmachten des Aufsichtsrates deutlich enger als das Aktiengesetz. Das kann zu tatsächlichem Aufklärungsbedarf und damit zu einem neuen Verfahren führen." Daß Ackermann in einem neuen Prozeß schuldig gesprochen wird, damit rechnet er allerdings in keinem Fall. Zwar halte er die Höhe der verteilten Gelder für "moralisch angreifbar", aber das Strafgesetz sei mit seinen beiden Gummiparagraphen als "Keule" ungeeignet, um die Gier der Manager einzuschränken. Ähnlich hatten die Düsseldorfer auch argumentiert: Es gibt Dinge, die sind zwar illegitim, aber nicht unbedingt illegal.
Aber auch ohne Verurteilung droht Ackermann bei einer Neuverhandlung wieder zum Buhmann der Nation zu werden. Sein Erfolg wird zur Nebensache. Dabei hat er das Institut genau da hingeführt, wo er es haben wollte. Es ist in die Riege der wirklich globalen Bankenhäuser zurückgekehrt. Es verborgte weniger Geld an Unternehmen und baute seine Beteiligungen an anderen Konzernen ab. Stützen des Instituts sind heute die drei Säulen Investment Banking, Vermögensmanagement und Privatkundengeschäft. Machte die Bank im Geschäft mit den anderen Unternehmen 2002 noch 46 Prozent seines gesamten Profits, so sank im ersten Halbjahr deren Anteil auf 8,4 Prozent. Gleichzeitig verantwortet das Investmentbanking heute 70 Prozent des Gewinns, vor drei Jahren waren es nur knapp 20 Prozent.
Nächsten Freitag stehen die Quartalszahlen an. Die werden gut sein, 25 Prozent Eigenkapitalrendite wird er wohl wieder erzielen. Das Ergebnis wird in Berlin präsentiert. Dieses Mal wird Ackermann wieder dabeisein. Matthias Wulff
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