Warum genau ein EV/EBITDA von 8,5 eine Unterbewertung darstellen sollte, ist mir allerdings in keiner Weise klar. Weder statistisch noch betriebswirtschaftlich.
Der Wert eines Unternehmens ist definiert als der abgezinste Wert der Cashflows, den es für die Aktionäre von heute bis zum Ende der Welt generiert. Ein Unternehmen wie AT&S, das in wenigen Jahren mehr als doppelt so groß sein wird wie heute, zu versuchen statisch anhand von Zahlenbenchmarks für Unternehmen mit bereits ausgebauten Werke zu bewerten, erscheint mir wenig hilfreich.
Natürlich sind bei solch dynamisch wachsenden Unternehmen die Cashflows negativ. (Hoffentlich sind sie das, wenn sie so gute Investmentmöglichkeiten haben!) Und natürlich sind die Umsätze heute noch geringer und die Earnings erst recht. Und natürlich sind auch die Schulden höher als bei Peers. So what? All das spiegelt doch nur die profitablen Investments wider, die AT&S gerade für uns als Anteilseigner tätigt.
In meinen Augen kann man AT&S daher nur sinvoll auf Basis von approximierten 2025/26er Ergebnisse bewerten, abgezinst auf heute, versehen mit einem angemessenen Risikoabschlag, und unter approximativer Berücksichtigung des Net Debts zu diesem Zeitpunkt. Genau so bewertet AT&S seine eigenen Investments (siehe ROCE Ziel). Und natürlich bewerten auch die Analysten das Unternehmen dynamisch.
Was den Risikoabschlag für ein solch gewaltiges Projekt angeht, so wird dieser bei meiner persönlichen gedanklichen Bewertung der Aktie von Jahr zu Jahr kleiner. Aus folgenden Gründen:
1.) Es zeigt sich mehr und mehr, dass der Nachfrageüberschuss im Bereich Substrate struktureller und nicht zyklischer Natur ist. 2.) Die IT-Prognosen für den Bedarf an Datacenter-Leistungen, welche die prinzipielle Basis für AT&S' Wachstum sind, gehen immer weiter nach oben. 3.) Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, ist AT&S durch erhebliche Abnahmeverpflichtungen von Kunden abgesichert. 4.) Die Prognose von AT&S für 2025 ist kein Best Case Szenario, sondern stellt sich immer mehr als konservativ heraus. Erklärtes Ziel ist es, diese Werte über den Zyklus hinweg im Durchschnitt zu erreichen. Bei guter Auslastung ist hier also noch spürbar mehr zu erwarten. 5.) Es zeigt sich auch heute schon immer mehr, dass solche Guidance von AT&S zu Chonqing III und Kulim konservativ sind. Bisher hat man Schritt für Schritt die Ziele und Ausbaupläne übererfüllt. 6.) AT&S hat mit Chongqing I den Proof of Concept bereits erbracht, dass man ingenieursseitig imstande ist, diese Werke trotz aller Komplexität technologisch einwandfrei und schnell hochzufahren. 7.) AT&S zeigt sich in den Calls selbst immer zuversichtlicher, dass die eigene Guidance erfüllt wird. Dieses Selbstbewusstsein signalisiert, dass man hier einen guten Puffer für kurzfristige Schwankungen eingebaut hat. 8.) Die Innenfinanzierung des Unternehmens wird immer besser, so dass die Cashflowmaschine Chongqing die Rückführung der Finanzschulden erheblich erleichtert und sogar weitere Investitionen (z.B. im Bereich Module/Packaging) ohne KE erlauben könnte.
Bei welchem EPS wir 2025 genau stehen werden, wird man sehen. Aber es ist doch auch klar, dass man (wenn nicht noch ein massives weiteres CAPEX-Commitment hinzukommt) da auf einen Wert zusteuert, der auch nach der Rally der letzten 12 Monate den AT&S Börsenkurs immer noch sehr klein aussehen lässt. Damit der heutige Aktienkurs um 50 EUR fair wäre, müsste bei Chonqing III oder Kulim schon etwas ganz grundlegendes in die Hose gehen.
Natürlich KANN bei solch komplexen Projekten theoretisch auch etwas ganz grundlegend in die Hose gehen. Aber jedenfalls wenn man an die planmäßige Umsetzung der Werke glaubt und an eine halbwegs entsprechende Nachfrage nach Chips, dann ist die Aktie in meinen Augen immer noch günstig.
Z.B.: Wenn man von einem vorsichtigen EPS von "nur" 8 EUR in 2025/26 nach Ausbau ausgeht, dann läge dieser Wert vermutlich spürbar unterhalb der eigenen ROCE und EBITDA-Ziele von AT&S (siehe z.B. Sheet von cicero). Wenn man auf diese 8 EUR dann ein recht konservatives Multiple von nur 15 anwendet, um der Unsicherheit bis 2025 Rechnung zu tragen, dann wäre man bei einem Kurs von 120 EUR in dreieinhalb Jahren. Wenn man das dann -- auch wiederum sehr konservativ -- mit einem Diskontsatz von 10% auf heute abzinst, kommt man immer noch bei fast 90 EUR fairem Wert der Aktie für heute raus.
Ich will damit nicht sagen, dass ich jetzt 90 EUR für die Aktie zu zahlen bereit wäre. Aber jedenfalls ist hier potenziell in meinen Augen noch einige Luft drin, wenn weiter alles halbwegs nach Plan läuft. Ich verkaufe zwar immer wieder mal ein paar Tranchen AT&S in den Anstieg hinein, aber im wesentlichen auch nur deshalb, weil ich die Gewichtung nicht ausufern lassen möchte. |