Eckhard Spoerr Der umstrittene Vorstandsvorsitzende verliert Machtkampf Freenet-Chef beugt sich Großaktionären Wettbewerber Drillisch und Finanzinvestoren planen die Zerschlagung des norddeutschen Unternehmens. Der Gründer will seinen Vertrag erfüllen.
Von Nikos Späth
Hamburg -
Eckhard Spoerr nimmt ein Taschentuch und wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. Er hat sich in Rage geredet, heißt ist es im Büro, und dann kränkelt der 39 Jahre alte Schwabe auch noch. Die Erkältung ist das geringe Übel im Vergleich zu den anderen Sorgen, die Spoerr plagen: Seine Aktionäre, allen voran der neue Hauptanteilseigner Drillisch, wollen Freenet, sein "Baby", zerschlagen. Dann wirft ihm ein Ex-Mitarbeiter vor, er habe Geld gewaschen, Vetternwirtschaft und Insiderhandel betrieben - es wird ermittelt. Und schließlich hat Spoerr sich mit einem Aktienwertsteigerungsprogramm bei den Anteilseignern nicht eben beliebter gemacht.
Da wundert es nicht, dass der umtriebige Manager arg gehetzt wirkt, viel am Telefon hängt und oft bis nachts um zwei Uhr im Büro sitzt. "16-Stunden-Tage sind für mich normal", sagt Spoerr.
Dabei sollte es nach der Fusion mit Mobilcom eigentlich ruhiger werden. Anderthalb Jahre lang hatten Anfechtungsklagen die Hochzeit mit der Büdelsdorfer Muttergesellschaft blockiert, bevor diese Anfang 2007 endlich in Kraft trat. Spoerrs Hartnäckigkeit, mit der er sich seit der Gründung von Freenet als Internet-Start-up vor acht Jahren an die Spitze des heute 3700-Mitarbeiter-Unternehmens gearbeitet hat, zahlte sich aus. Vorher überstand der Mann mit der Abiturnote 0,8 schon die Fastpleite von Mobilcom und setzte sich im Rennen um die Unternehmensspitze gegen Mobilcom-Chef Thorsten Grenz durch.
Zwar hatte Freenet durch die verzögerte Fusion viel Zeit verloren, aber Spoerr, der Ex-Unternehmensberater mit dem "atombunkersicheren Selbstvertrauen" ("Zeit"), war guter Dinge, den Rückstand wieder aufzuholen.
Es ist anders gekommen. Eine Zerschlagung von Freenet rückt immer näher. Am Mittwoch gab der Maintaler Wettbewerber Drillisch bekannt, vom Finanzinvestor Vatas dessen 18,5-prozentiges Aktienpaket an Freenet abgekauft zu haben. Die Ad-hoc-Meldung schlug auch in Spoerrs Hamburger Büro wie eine Bombe ein.
Damit kommt der weitaus kleinere Mobilfunkprovider (Victorvox, Alphatel, Simply) auf 28,6 Prozent der Anteile. Die Freenet-Mobilfunksparte soll nach den Plänen von Drillisch-Chef Paschalis Choulidis mit seinem Unternehmen verschmolzen werden. Rückendeckung der Finanzinvestoren Hermes, K Capital und Absolute Capital Management (ACM), die jeweils knapp fünf Prozent an Freenet besitzen, hat der Grieche. Für sie ist das Unternehmen mit der giftgrünen Marke ohnehin nicht mehr als ein Spielball, der ihnen eine größtmögliche Rendite bringen soll.
Seit mehreren Wochen schon sucht die Investmentbank Morgan Stanley einen Käufer für Freenet. Telecom Italia (HanseNet), United Internet und QSC hatten durchblicken lassen, das Unternehmen als Ganzes nicht übernehmen zu wollen. An den 2,78 Millionen Internetkunden, davon 1,22 Millionen mit DSL, dürften sie durchaus Interesse haben. "Ich halte an meiner Forderung absolut fest, zu machen, was allen Aktionären den höchsten Ertrag bringt. Das ist eindeutig ein Teilverkauf", bekräftigte ACM-Chef Florian Homm jüngst.
Laut SES-Research wären die Einzelteile von Freenet bis zu 2,2 Milliarden Euro wert. Die Internetsparte taxieren die Analysten auf bis zu 840 Millionen, das Mobilfunkgeschäft soll etwa 600 Millionen wert sein. Hinzu kommen das Onlineportal (mindestens 350 Millionen) und die Webhosting-Sparte Strato (bis zu 435 Millionen). Zusammen wäre das ein Aufschlag zum jetzigen Börsenwert von 1,65 Milliarden Euro um ein Drittel.
"Ich bin überrascht, wie wenig Ruhe nach der Fusion eingekehrt ist", sagt Spoerr und verzieht das Gesicht zu einem säuerlichen Grinsen. Äußerlich wirkt er abgeklärt wie immer, in ihm brodelt es. Wird sein Baby zerschlagen, wäre dies seine größte berufliche Niederlage. Enttäuscht ist er vor allem, dass Investor Vatas, von dem er sich Rückendeckung versprochen hatte, sein Aktienpaket verkauft hat. Mit Drillisch werde er nun in "einen konstruktiven Dialog treten", sobald die Anteile übergegangen sind. Bis zuletzt hatte Spoerr das jetzt eingetretene Szenario zu verhindern gesucht. Die Unternehmensführung habe nicht 18 Monate die Mitarbeiter auf die Fusion eingeschworen, um sie kurz danach wieder in Frage zu stellen, sagte der Manager noch auf der Hauptversammlung Mitte Juli. Seine Abwehrstrategie gibt er nun notgedrungen auf: "Wenn es der Wunsch der Anteilseigner ist, durch Teilverkäufe den Shareholder Value zu steigern, müssen wir das berücksichtigen." Verschwinde die Marke Freenet vom Markt, täte ihm das "sehr weh".
Mildern würden den Schmerz Zahlungen aus dem umstrittenen Aktienwertsteigerungsprogramm. Steigt die Freenet-Aktie vom derzeitigen Kursniveau von 17,16 Euro weiter deutlich an - was bei einer Zerschlagung zu erwarten ist -, stünden Spoerr Zahlungen in Millionenhöhe zu. Der Basiswert liegt für 2007 bei rund zwölf Euro - jeden Euro, den der Aktienkurs über dieser Schwelle liegt, bekommt das Management ausgezahlt.
Über eine Laufzeit von 2006 bis 2010 könnten sich die Zahlungen auf bis zu 50,6 Millionen Euro summieren, kritisierten Anteilseigner und Aktionärsschützer. So ein Programm habe es in der deutschen Wirtschaft noch nicht gegeben, hieß es. Spoerr ficht das nicht an. "Dummes Geschwätz", sagt er. Das Thema sei stark übertrieben worden. Beim derzeitigen Aktienkurs würde innerhalb von fünf Jahren eine Summe von zirka 15 Millionen Euro an 50 Führungskräfte ausgeschüttet, im Durchschnitt drei Millionen Euro im Jahr. "Das macht pro Kopf 60 000 Euro", so Spoerr. "Auch wenn ich als Vorstandsvorsitzender mehr bekomme, bin ich nicht überbezahlt."
Seine Gesamtvergütung von 3,83 Millionen im vergangenen Jahr hält er für gerecht, obwohl er damit deutlich mehr Geld bekommt als Telekom-Chef René Obermann, dessen Konzern 30-mal so viel Umsatz macht. "Ich verdiene nur so viel, weil ich Freenet mitgegründet und den Wert um mehr als 1000 Prozent gesteigert habe", verteidigt er sich. Viel mehr noch als die Kritik an seinem Verdienst bringen Spoerr Anschuldigungen eines Ex-Mitarbeiters in Wallung. Der ehemalige Leiter des Freenet-Rechnungswesens, Marc Münch, hat in einem 940-seitigen Dossier beschrieben, wie Spoerr und Freunde sich über ein Firmengeflecht an Freenet persönlich bereichert und einen zweistelligen Millionenschaden verursacht haben sollen.
"Diese Vorwürfe haben mich persönlich verletzt", sagt Spoerr und bezeichnet sie als "aufgewärmte Geschichten". Viele der Angaben seien bereits 2002 gemacht worden, "waren allein schon sachlich falsch und konnten einer Überprüfung nicht standhalten". So habe die Staatsanwaltschaft München ein Verfahren eingestellt. Der vor fünf Jahren gekündigte Mitarbeiter sei ein "Eckhard-Spoerr-Hasser", der sein Image schädigen wolle, sagt der Freenet-Chef. "Der einzige Vorwurf, der mir nicht gemacht wurde, ist der, dass ich geboren worden bin." Er mache sich jedoch keine Sorgen, "denn an den Anschuldigungen ist ja nichts dran." Licht ins Dunkel versuchen jetzt die Staatsanwaltschaften Kiel und Hamburg zu bringen. Letztere ermittelt seit 2006 auch wegen des Verdachts auf Insiderhandel gegen den Freenet-Chef, bestätigt Behördensprecher Rüdiger Bagger. Spoerr könnten die Ermittlungen noch beschäftigen, sollte er eines Tages nicht mehr bei Freenet sein - die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Schon jetzt scheint er manchmal im Geiste durchzuspielen, was er nach Freenet macht. Finanziell ausgesorgt hat Spoerr, so sind seine Wünsche profan: "Ich möchte eine Familie gründen und habe vielfältige Interessen wie Reisen, die ich seit Langem unterdrücke." Zeit dafür hat er womöglich bald. Spoerr und Drillisch-Chef Choulidis mögen sich nicht besonders und würden wohl kaum zusammenarbeiten wollen - zumal Choulidis Spoerrs Managerqualitäten in Zweifel zog und ihn einen "Neuling" im Mobilfunkgeschäft nannte. Er wiederhole Fehler, "die andere schon gemacht haben".
Noch gibt Spoerr aber nicht auf: "Ich habe einen Vertrag bei Freenet", sagt er, "und den werde ich erfüllen."
http://www.abendblatt.de/daten/2007/08/25/786249.html?s=3 |