Hartz IV - Polizei soll Arbeitsagenturen schützen Gewerkschaft der Polizei warnt vor Ausschreitungen in Job-Centern - Alarmknopf für den Wachschutzvon Nicole Dolif  | | Die GdP rechnet damit, dass Arbeitsämter Anfang kommenden Jahres Polizeischutz beantragen werden Foto: dpa | |
Angesichts der bevorstehenden Arbeitsmarktreformen hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor zunehmenden sozialen Spannungen gewarnt. Man rechne damit, dass Sozialämter und Arbeitsämter zu Beginn des kommenden Jahres Polizeischutz beantragen werden, sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg gestern in Berlin. Er rechne mit einer Störung des "sozialen Friedens". In Ländern mit einer großen Kluft zwischen Armen und Reichen sei auch die Sicherheit gefährdet.
Ein Szenario, das auch Detlef Rieffenstahl, amtierender Berliner Landesvorsitzender der GdP, nicht für abwegig hält. "Die Lage wird unruhig werden", sagt er voraus. "Viele der Betroffenen wissen ja noch gar nicht, was wirklich auf sie zukommt. Aber wenn erst mal allen klar ist, wie viel weniger Geld sie bekommen, wird sich sicher die Aggression auch gegen die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen richten. Dann brauchen wir mehr Polizei, um diese Mitarbeiter zu schützen."
Schon jetzt sei die Lage in den Ämtern angespannt, sagt Joachim Zeller (CDU), Bezirksbürgermeister in Mitte. "Wir sprechen jede Woche mehrere Hausverbote aus und mussten schon Wachschutz einsetzen. Einige unserer Mitarbeiter wurden verbal angegriffen, andere sogar bespuckt oder bedroht. Und es lässt sich nicht ausschließen, dass in Zukunft noch öfter aus Enttäuschung Aggression wird", sagt er.
Auch bei der Suche nach geeigneten Räumen für das Job-Center spielt der Sicherheitsaspekt für Zeller eine große Rolle. "Unsere Mitarbeiter sollen im Ernstfall ganz schnell Hilfe holen können. Wir denken an ein Alarmsystem."
So ein System ist im Sozialamt Treptow-Köpenick längst erprobt. Dort können die Mitarbeiter im Ernstfall über einen Knopf am Schreibtisch den Wachschutz heranrufen. "Sowohl den Wachschutz als auch den Alarmknopf wird es im Job-Center auch geben", sagt Jens Meißner, Leiter des Sozialamts Treptow-Köpenick.
Sein Amt beginnt bereits in der kommenden Woche mit den Vorbereitungen auf Hartz IV. "Wir haben 25 Leute geschult, damit sie beim Ausfüllen der Antragsbögen auf Arbeitslosengeld II helfen können", sagt er, "außerdem haben sie eine Schulung bekommen, damit sie wissen, wie man deeskaliert und mit aggressivem Publikum umgeht."
Birgit Tyra arbeitet schon jetzt als Arbeitsvermittlerin in Mitte. Auch sie kann sich vorstellen, dass die Leute aggressiv werden. "Es geht schließlich um ihre Existenz", sagt sie. Hinter einer sicheren Panzerglaswand will sie trotzdem nicht sitzen. "Der direkte Kontakt ist wichtig: Denn oft erzählen die Arbeitssuchenden sehr Persönliches."
Auch Roswitha Steinbrenner, Referentin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) glaubt bislang nicht, dass der Zustand in den Job-Centern so schlimm wird, wie die Gewerkschaft der Polizei es voraussagt: "Natürlich ist es ein sozialpolitisches Problem, wenn so viele tausend Menschen mit weniger Geld rechnen müssen. Aber trotzdem kann man ihnen nicht unterstellen, dass sie ihren Frust in Gewalt äußern. So etwas passiert nur in Einzelfällen."
Artikel erschienen am 16. Juli 2004 |