Einige, die schon mal im Ausland waren (z.B. in Südeuropa), haben sicher festgestellt, dass die Leute dort meist wenig über ihre Arbeit reden. Im Gegenteil, dort ist es sogar verpönt und gilt als unhöflich, wenn man sein Gegenüber als erstes nach dem Beruf fragt. Beliebte Themen sind dort eher Familie, Essen, Neuanschaffungen und Sex. Nehmen wir mal Spanien, Italien und Griechenland: Alles Länder, denen es mehr oder weiniger "wirtschaftlich schlechter" geht als uns, aber ... man lacht dort mehr, und ist weitaus entspannter, obwohl es mehr Arbeitslose gibt. "Mein Haus, mein Auto, mein ... ! Man will es kaum glauben, aber in diesen Ländern hat man - auf die Einwohnerzahl - mehr Hauseigentum und Autos als bei uns. Zugegeben, die Sparquote ist dagegen geringer als in Deutschland.
Nun, einen ordentlichen Beruf (oder eine Tätigkeit) zu haben ist in Deutschland ganz besonders wichtig: Biste nichts, dann biste eben auch nichts - so das vorherrschende Motto. Bei uns reicht es nicht aus, einfach nur einen Namen, ein Alter und eine Adresse zu haben. Nein, hier definiert sich der Mensch durch seinen Beruf, und das zieht sich durch alle Lebenslagen und Instanzen. Bei Gericht z.B. heißt die Angeklagte nicht nur Martina Mustermann, nein, hier ist sie DIE FLEISCHWARENFACHVERKÄUFERIN - Martina Mustermann. Tja, so ein Berufstitel kann den Menschen schon mal richtig aufwerten. Beliebt sind auch Titel mit wichtig klingenden Anglizismen: Bei McDoof heißt es dann F&B- Background-Package-Manager - was soviel bedeutet wie angelernter Verpackungs-Hinterküchen-Popanz mit 1.178,45 € Bruttogehalt. Der Arme hätte vielleicht lieber keinen wichtigen Titel aber dafür das Doppelte an Gehalt.
Meine Schwierigkeit liegt z.B. darin, Leuten verständlich zu machen, dass ich mit meinen 44 Jahren "nur" Privatmann bin. Dann kommen schon mal so mitleidige Aussagen wie "Ach, Sie Armer" oder "Manche trifft`s besonders hart". Ich lasse die Leute dann besser in ihrem Glauben. Bei aller Kritik an den Amerikanern, aber die fragen wenigstens ungeniert: "Wie machst du dein Geld ?" oder "Wieviel Geld machst du so ?" Das gefällt mir persönlich besser als die Frage, was für einen (ordentlichen) Beruf man erlernt hat.
Mein Fazit: Arbeitslosigkeit ist sehr bitter, und erdrückt das Gemüt und den Geldbeutel, aber niemand sollte sich deshalb wertlos oder ausgeschlossen fühlen. Es kommt unweigerlich zum Teufelskreis: Wirtschaftliche Depression schafft seelische Depression, und seelische Depression verursacht wieder wirtschaftliche usw. |