FTD: Solar - "Made in Germany" zieht nicht mehr 18.08.2009 - 11:47 Die sonnigen Zeiten der deutschen Solarindustrie sind vorbei. China rollt den Markt auf. Schuld am Niedergang der Branche sind die Hersteller auch selbst - "Made in Germany" zieht nicht mehr. Nun rächen sich Fehler der Vergangenheit. Sonnenkönig nennen sie ihn in Bitterfeld schon lange nicht mehr. Anton Milner, binnen wenigen Jahren mit dem Solarzellenhersteller Q-Cells vom belächelten Außenseiter zum Weltmarktführer aufgestiegen, droht zur tragischen Figur des deutschen Solarmärchens zu werden. Immer erfolgreich, doch nun in einer Abwärtsspirale gefangen. Q-Cells steckt tief in den roten Zahlen, Milner muss Kosten senken, Arbeitsplätze streichen, Produktionslinien stilllegen. Seit asiatische Konkurrenten die deutschen Hersteller attackieren, strauchelt die Sonnenbranche. Allein Q-Cells verlor im ersten Halbjahr 700 Mio. Euro. Für viele der noch jungen deutschen Solarzellen- und -modulhersteller geht es in den nächsten Jahren ums Überleben. Vor allem China hat große Ambitionen. Die Regierung will ihre Solarbranche an die Weltspitze führen und stützt die Industrie mit Milliardensubventionen. Weil die chinesischen Hersteller in modernen Megafabriken Solarzellen und -module zudem deutlich günstiger produzieren als deutsche Rivalen - nach Angaben der Bank UBS im Schnitt um 30 Prozent -, können sie mit Kampfpreisen Marktanteile erobern. Inzwischen ist in China eine umfassende Exportindustrie für moderne Solaranlagen entstanden. Das Land hat seinen weltweiten Marktanteil bei Solarzellen binnen zwei Jahren auf mehr als 30 Prozent verdoppelt. "Massenproduktion von Solarzellen und Wafern in Deutschland wird weitgehend verloren gehen", glaubt Dieter Manz, Chef des gleichnamigen Solarmaschinenherstellers. Gewinner sind Hersteller von Maschinen für Solaranlagen wie Manz sowie Zulieferer mit starker Marktstellung in Nischen, etwa der Wechselrichterhersteller SMA Solar. Die Chinesen sind längst nicht mehr die einzige Gefahr. "Taiwanische, südkoreanische und indische Unternehmen, die allesamt für ihre Erfahrung bei der Kostensenkung bekannt sind, stoßen in den Solarzellenmarkt vor, in dem japanische, europäische und chinesische Hersteller bereits aufs Schärfste miteinander kämpfen", sagt Motonobu Kawai, Fachjournalist der Zeitung "Nikkei Microdevices". Nun rächt sich, dass es die deutschen Hersteller verschlafen haben, sich in guten Zeiten einen Technologievorsprung zu erarbeiten. Lange sprudelten die Gewinne bei Firmen wie Q-Cells, Solarworld und Ersol, weil sie sich rechtzeitig das knappe Vorprodukt Silizium günstig beschafft hatten - und wegen der Knappheit bei Solarmodulen die Preise diktieren konnten. Mittlerweile gibt es aber reichlich Silizium zu günstigen Preisen für alle - und damit reichlich Solarmodule. Deutsche Solarlobbyisten haben der Politik bislang erfolgreich großzügige Einspeisevergütungen für Solarstrom abgerungen. Die staatliche Förderung hat zwar die Nachfrage angekurbelt. Allerdings profitierten "von dem Solarboom in Deutschland unter den Herstellern vor allem chinesische Unternehmen", sagt Anne Kreutzmann, Chefredakteurin des Fachmagazins "Photon". "Sie bieten Module zur gleichen Qualität deutlich günstiger an." Installateure von Solaranlagen können laut "Photon" Module aus China für unter 2 Euro je Watt einkaufen und in Deutschland für fast 3 Euro je Watt verkaufen. Wegen der hohen Einspeisevergütung von bis zu 43 Cent je Kilowattstunde Strom bringt dieser Preis immer noch eine Rendite von gut sieben Prozent. "Made in Germany" ist kein Verkaufsargument mehr. Der TÜV Rheinland hat Hunderte Produkte von mehr als 100 Solarzellenherstellern aus China zertifiziert. "Da ist eine starke und potente Konkurrenz entstanden", sagt Wilhelm Vaaßens, Leiter des Solarprüfzentrums beim TÜV Rheinland. Doch die deutsche Solarbranche ist noch nicht komplett verloren. Für die Hersteller seien Technologieführerschaft und der Aufbau einer Marke ein Muss, sagt UBS-Analyst Patrick Hummel. "Dann können sie vielleicht auch Premiumpreise durchsetzen." Gleichzeitig müssten sie ihre Fertigungskosten senken - was aber in Deutschland schwierig sei. "Immer mehr deutsche Hersteller werden ihre Produktion wohl ins Ausland verlagern müssen", glaubt Kreutzmann. Die rasante Entwicklung Chinas im Solarsektor lockt bereits erste Ausländer an. Die US-Solarfirma Evolution Solar etwa will ihre Zentrale nach Fernost verlegen. "China generiert neue Technologien wie Dünnschichtmodule in beeindruckender Geschwindigkeit", begründet die Firma. Auch Q-Cells will nach Asien. Das Unternehmen startet derzeit eine Fabrik in Malaysia. Nach Jahren des Sonnenscheins ziehen dunkle Wolken auf in Bitterfeld. Autor/Autoren: Mark Krümpel (Hamburg), Christiane Kühl (Shanghai) und Martin Kölling (Tokio) ----------- Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache.
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