An den Märkten wird Blut fließen" [13:30, 29.11.06]
Von Bernhard Jünemann
Zur Person: George Soros wurde 1930 in Ungarn geboren, überlebte als Jude die deutsche Besatzung und verließ das Land 1956 nach der kommunistischen Machtübernahme. Er studierte in England, emigrierte 1956 in die USA und arbeitete zunächst als Trader. 1970 gründete er zusammen mit Jim Rogers die Quantum-Fonds. Soros gilt als Inbegriff des Hedgefondsmanagers.
Als der Mann, der die Bank von England knackte, ging George Soros 1992 in die Kapitalmarktgeschichte ein. Er erzwang damals eine Abwertung des britischen Pfunds. Aus dem aktiven Geschäft hat sich Soros mittlerweile zurückgezogen und fördert mit Stiftungen in aller Welt das Konzept einer offenen Gesellschaft. In seinem jüngsten Buch „Die Ära der Fehlentscheidungen“ rechnet er mit der Politik von US-Präsident George W. Bush ab, dessen Wiederwahl er 2005 zu verhindern suchte.
BÖRSE ONLINE: Trotz politischer Fehlkalkulationen, die Sie in Ihrem Buch brandmarken, ist die Weltwirtschaft in ziemlich guter Verfassung. Ist die Politik für die Wirtschaft nicht so wichtig?
George Soros: Nein, so kann man das nicht sehen. Es gibt viele Berührungspunkte. Aber richtig ist, dass sich die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte im Augenblick viel stärker als die Politik präsentieren, beide sind fast im Gleichgewicht. Ob das stabil ist, bezweifle ich.
BÖRSE ONLINE: Gleichgewicht? Mit Verlaub, Sie lehnen doch diesen Begriff für die Finanzmärkte ab. Ihren oft wiederholten Worten zufolge streben die Finanzmärkte nicht zum Gleichgewicht.
Soros: Dabei bleibe ich auch. Wir haben auch kein echtes Gleichgewicht, sondern nur zwei Ungleichgewichte, die sich zufällig teilweise aufheben. Auf der einen Seite ist das die Abschwächung des amerikanischen Immobilienmarktes mit dem negativen Vermögenseffekt für die Konsumenten. Auf der anderen Seite wächst die Private-Equity-Blase. Das treibt die Börsen. Diese Situation ist äußerst fragil und nicht ungefährlich.
BÖRSE ONLINE: Aber die Luft aus der Immobilienblase entweicht doch recht geordnet und die Wirkungen auf das Verhalten der amerikanischen Verbraucher sind bisher moderat.
Soros: Sie müssen bedenken, dass dieser Prozess erst am Anfang steht. Die USWirtschaft wird schwächer. Dass es letztlich eine sanfte Landung wird, kann man nur hoffen. Sicher ist das nicht. Kommt es zu einer harten Landung, werden Private- Equity-Fonds und Hedgefonds leiden. Denn die Branche agiert gehebelt, finanziert ihr Geschäft weitgehend auf Kredit. Eine stärkere Abkühlung könnte zu einer Kettenreaktion führen. Dann wird Blut fließen an den Märkten. Ich sage nicht, dass es zu einem Blutbad kommt, das wäre zu stark. Aber Blut wird fließen. Man sollte immer ins Kalkül ziehen, was im schlimmsten Fall passieren kann.
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