Gestern kam in USA die folgende, für die Housing-Krise positive News. Sie besagt, dass die Zahl der Hypothekenanträge wieder zunimmt und dass die Zinssätze bei Hypotheken erstmals seit Okt. 2005 wieder unter 6 % liegen, was günstige Refinanzierungen ermöglicht.
Decline in Rates Boosts Mortgage Applications 12/6/2006 8:32 AM EST
The MBA index is up 8.9%, and refinancing activity jumped 13.7%, marking the largest weekly gain in 14 months. The rate on the 30-year fixed mortgage is down to 5.98% from 6.13% last week. That's the first time it's slipped below 6% since October 2005. The rate on the 15-year fixed is down to 5.66% from 5.86% last week, now at its lowest level of 2006.
Heute erhielt ich die Boardmail eines "Bären-Kollegen", der befürchtet, die Housing-Blase könne sich dadurch als "heiße Luft" entpuppen. Außerdem sieht er in den "günstigen Zinsen auf 5 bis 10-jährige Anleihen" gute Übernahmebedingungen für Private-Equity-Heuschrecken, die die Aktienkurse noch weiter hochtreiben könnten. Das klingt insgesamt bullisch, meint er.
Da dies für Alle interessant ist, möchte ich darauf auch öffentlich eingehen:
Die Zinsen auf 5- bis 10-jährige (und allgemein auf längerfristige) Anleihen bestimmt nicht die Fed, sondern der Anleihemarkt. Sie sind variabel und daher keine verlässliche Grundlage für längerfristige Finanzierungen der Heuschrecken. Gestern z. B. sind die Zinsen auf 10-jährige Anleihen in USA wieder deutlich gestiegen (bzw. deren Kurse deutlich gefallen) - eben weil die gestiegene Zahl der Hypo-Anträge gegen einen weiteren Niedergang im Housing-Sektor spricht. Bullische Kommentatoren meinen, der Anleihemarkt nehme nun Abstand vom Szenario der "harten Landung" und passe sich dem Szenario der "sanften Landung" an, mit dem der Aktienmarkt rechnet.
Entscheidend aber sind die Leitzinsen. Wie ich gestern schon im Dollar-Long-Thread gepostet habe, kann die Fed IMHO die Zinsen nicht senken (oder allenfalls minimal): Würde sie dies tun, schürte sie erstens die ohnehin viel zu hohe Inflation. ZweitensAnderen würde sich der Zinsvorteil des Dollars, der für die höheren Risiken einer Dollar-Anlage (wegen der hohen US-Verschuldung) entschädigt, auflösen, der Dollar würde weiter fallen und Ausländer würden zunehmend Geld aus USA abziehen. Da die US-Wirtschaft auf Pump aus dem Ausland basiert, würde dies einen Kollaps auslösen, den dort (und hier) niemand will. Daher dürfte sich die EZB, wie sich heute nachmittag zeigen wird, beim weiteren Zinsausblick nicht mehr so zinsbullisch geben wie bislang. Außerdem wird die Fed die kurzfristigen Zinsen nicht weiter senken.
Dies ist sogar IMHO der eigentliche Grund für das Fallen der Bond-Kurse. Die Erwartung von Zinssenkungen, die der Bond-Markt über die inverse Zinskurve einpreiste, ist bei dem schwachen Dollar-Kurs nicht mehr haltbar.
Wichtig ist auch ein zweiter Aspekt: Für die Rettung des Housingsmarkts müssen die langfristigen Zinsen niedrig bleiben, weil sich nach diesen die Hypothekenzinsen bemessen. Diese mittel- und langfristigen Zinsen setzt aber nicht die Fed, sondern der Anleihemarkt: Allein Angebot und Nachfrage nach Anleihen mittlerer und langer Laufzeit bestimmen deren Kurs (und damit umgekehrt deren Rendite).
Der Clou ist nun, dass die Fed aus der Vergangenheit (1994/95) weiß, dass ein Absenken der Leitzinsen (= kurzes Ende) zum "Auf-Steilen" der Zinskurve führt. Senkt die Fed also die Leitzinsen, steigen die langfristige Zinsen; Hypothekenzinsen würden damit TEURER. Es ist daher auch im Interesse des Housing-Markts, die Leitzinsen HOCH zu lassen.
Der Bondmarkt ging offenbar von falschen Erwartungen aus: Die Housing-Krise stürze USA in eine Rezession, und in einer Rezession müsse die Fed durch Zinssenkungen Liquidität schaffen, um deren Wirkung zu mildern. Ausgangspunkt dieser Argumentationskette ist wohlgemerkt der kriselnde Housing-Markt. Stimmt indes die These aus dem vorigen Absatz, dann retten nur HOHE Leitzinsen den Housing-Markt - und die Folgekrise findet dann nur noch abgemildert statt. Hohe Zinsen wären demnach der Garant der "sanften Landung" - und nicht die erwarteten Zinssenkungen.
Folglich lag der Bond-Markt mit der stark inversen Zinskurve falsch. Nach der gestrigen Korrektur rechnen Zins-Futures jetzt nur noch mit einer Zinssenkung der Fed um 0,25 %, die auch erst bei der Sitzung am 9. Mai 2007 - also in 5 Monaten - kommen soll.
Vorerst bleibt es in USA also bei hohen Zinsen. Dann aber liegt der Aktienmarkt falsch, dessen Hausse sich ja auf der Erwartung von Leitzins-Senkungen gründet. Das stützt wiederum die Bären-These.
Indiz dafür, dass meine These zutrifft, liefert der wieder erstarkende Dollar, der heute morgen zum Euro auf 1,3280 gestiegen ist (gestern 1,3360) - und dies, obwohl die EZB heute mittag ziemlich sicher auf 3,5 % erhöhen wird. Auch die gestrige Kursschwäche bei den US-Indizes spricht dafür. |