"Jedes Dictionary der Welt beschreibt Dir 'unethisch' als abwertenden Begriff, eben als Synonym für 'unsittlich, unmoralisch, unanständig'. ..."
Das entspricht auch meiner Auffassung. Bezugsrahmen dieser Kategorien ist aber nicht der Der Mensch in seinem ureigenem Sein, sondern menschliches Handeln.
Den Unterschied habe ich ja oben bereits dargelegt.
"AL stellt vorgebliches ethisches Verhalten hier einem unethischem Verhalten dort (zB weil drastischen Lohnkürzungen nicht umstandslos zugestimmt wird) gegenüber."
Du überspitzt da Al's Formulierung ein wenig. Ich kann aber verstehen, was Dich an dieser Aussage stört. Möglicherweise hältst Du Dich allerdings so sehr mit der reflexiv verständlichen Empörung über diese Aussage auf, dass du die dahinter stehenden Überlegungen übersiehst, auf die es hier m.E. entscheidend ankommt.
Dass Keiner gerne eigenen Lohnkürzungen zustimmt ist klar und menschlich nur verständlich.
Aber was wäre denn die Perspektive, wenn die Griechen keine reale oder nominale Abwertung und keine Sparanstrengungen vornehmen würden?
Die Griechen haben meiner Meinung nach nur eine Chance, ihre Probleme mangelndes Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit, fehlendes Vertrauen der Investoren etc. zu lösen, wenn sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern können.
Bei entsprechendem Wachstum würde sich nebenbei auch ihre Schuldenquote im Verhältnis zum BIP verringern. Angesichts der strukturellen Probleme wird dies in erster Linie nur über die Preise gehen können. Sie stehen dabei vor der schwierigen Aufgabe, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen und zugleich ihre Schulden in den Griff zu kriegen. Kostenintensive Konjunkturpakete sind da keine Option - Ein weiterer Grund, warum es nur über die Preise gehen kann. (Solche Pakete müssen hinsichtlich ihrer Kosten/Nutzen-Funktion dabei ohnehin kritisch betrachtet werden, da sie zumeist nur Strohfeuer entzünden und aufgrund ihres subventionellen Charakters in der Regel Wettbewerbsverzerrungen auslösen und an anderer Stelle schaden)
Sie müssen also abwerten. Dass dies mit (vorübergehenden) sozioökonomischen Kosten verbunden ist, ist klar, um dem Einwand schon mal vorzugreifen. Das niedrigere Preisniveau der eigenen Produkte würde dabei díe relative Absenkung der Löhne jedoch zum Teil kompensieren. Auf der anderen Seite stehen da allerdings die relativ betrachtet teurer gewordenen Importe. Hier schlägt der Kaufkraftverlust leider voll durch. Zum einen gehen davon dennoch positive Effekte aus, da dadurch die Binnennachfrage gestärkt und Handelsbilanzdefizite verringert werden, die ja ebenfalls ein wichtiges Problem dieser Länder sind. (Handelsbilandefizite und eine zunehmende Verschuldungsquote stehen dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang. Sie werden auch Zwillingsdefizite genannt.) Wo die Nachfrage bisher nur mit ausländischen Produkten befriedigt wurde, entstünden zudem sogar neue Märkte. Zum anderen wird es ihnen allerdings nicht möglich sein, sich in allen Bereichen selbst zu versorgen. Auf bestimmte Rohstoffe und Waren werden sie weiterhin angewiesen sein. Bei diesen Produkten bleibt der Nachteil der höheren Importpreise bestehen. Das kann man zu recht beklagen, das ändert aber nichts daran, dass das die einzige Möglichkeit ist, die als realistisch zu sehen ist, um zu Wachstum und Beschäftigung zurückzufinden. Die sozioökonomischen Kosten, die mit der Abwertung verbunden wären, wären dabei den Kosten gegegenüber zu stellen, die damit verbunden wären, auf die Herstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu verzichten!
Wenn man hier zu einem positiven Ergebnis für eine Abwertung gelangt, was ich tue, kommt man, wenn man denn in der Kategorie der Ethik denken möchte, die versucht richtiges Handeln normativ zu erfassen, zu dem Ergebnis, dass eine Entscheidung gegen eine Abwertung unethisch wäre.
Was diese Überlegungen mit Rassismus zu tun haben sollte, leuchtet mir nicht ein. Ich sehe auch keinen rationalen Anlass, verletzt darauf zu reagieren.
Es gibt übrigens kaum ein Land, dass solch einen Weg durchschreiten musste, dass nicht nach ein paar Jahren wesentlich besser da gestanden hätte. (Die Einschränkung "kaum" übrigens nur, da es keine mir bekannten Beispiele gibt, ich aber nicht ausschließen möchte, dass man irgendwo in der Geschichte vielleicht doch die ein oder andere Ausnahme findet.)
Der Weg, eine Abwertung über eine eigene Währung zu erzielen, wäre dabei m.E. der bessere und leichter vermittelbare gewesen. Dass eine reale Abwertung starken Widerstand hervorrufen würde und praktisch nur schwer durchzusetzen ist, war klar.
In Deutschland wäre dies aller Voraussicht nach ebenso schwierig, sollten wir mal vor solchen Problemen stehen. Die Haltung der Griechen, ist da eben kein griechisches sondern ein allgemein menschliches Phänomen, das macht die Haltung an sich aber nicht richtiger und auch nicht verkehrter.
Wie glaubst Du würde Al die Sache bewerten, wenn sich diese Situation in Deutschland ergäbe. Glaubst Du er würde hier mit zweierlei Maß messen und das, was in Griechenland falsch läuft, hier auf einmal gutheißen?
Al's Kritik richtet sich nicht gegen die Griechen in ihrer Eigenschaft als Griechen, sondern gegen eine gemessen an den absehbaren Folgen falsche Handlungsweise, die falsch erscheint, egal, wo sie in dieser Weise auftritt.
Dass man sie falsch und, wenn man dies so ableiten möchte, unethisch findet, bedeutet nicht, dass man kein Verständnis dafür haben könnte.
Mein Verständnis hilft den Griechen bei der Lösung ihrer Probleme allerdings auch nicht unbedingt weiter. |