Frankfurt (Reuters) - Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) haben angesichts anhaltender Gefahren für die Preisstabilität ihre Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen unterstrichen.
Mittelfristig sei eine "gewisse Normalisierung" des noch immer niedrigen Zinsniveaus geboten, wenn sich die Konjunktur wie erwartet weiter belebe, sagte Bundesbank-Präsident Axel Weber am Dienstag am Rande des Deutschen Bankentags in Berlin. Der erneute Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindexes bestätige diese Erwartung. Inzwischen gebe es "eindeutige Aufwärtsrisiken für die Preisniveaustabilität im Euro-Raum auf mittlere und längere Sicht", die die EZB angemessen bekämpfen müsse.
Auch Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch bekräftigte den Handlungswillen der Währungshüter. "Wir haben begonnen, zum Gleichgewicht zurückzukehren, und wir müssen Preisstabilität unserem Mandat entsprechend liefern", sagte er der Agentur Bloomberg. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Klaus Liebscher, warnte, die Wirkung des hohen Ölpreises zu unterschätzen.
Seit Dezember hat die EZB den Leitzins in zwei Schritten um je 25 Basispunkte auf 2,5 Prozent angehoben, um wachsender Inflationsgefahr vorzubeugen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte kürzlich signalisiert, dass die EZB im Juni die nächste Zinserhöhung anpeilt. Sie hat sich aber nicht festgelegt, wie viele Zinsschritte noch folgen werden, oder wie hoch für sie das als normal erachtete Zinsniveau ist. Experten rechnen mit mindestens einer weiteren Anhebung nach Juni, so dass die EZB den Zins bis Jahresende auf 3,00 Prozent hochschleusen würde.
WEBER: IFO-INDEX BESTÄTIGT EZB-KONJUNKTURERWARTUNG
Hauptinflationsrisiko bleibe der anhaltend hohe Ölpreis, sagte Weber. Aber auch staatliche Preis- und Steuererhöhungen trübten die Aussichten für stabile Preise ein. Die Zentralbank ist wegen des starken Ölpreisanstiegs besonders besorgt darüber, dass es zu indirekten Preiseffekten kommt und die Inflationserwartungen steigen. Die EZB müsse besonders darauf achten, dass die Inflationserwartungen niedrig bleiben, sagte EZB-Ratsmitglied Weber. Ende vergangener Woche war der Ölpreis auf ein neues Rekordhoch von 75 Dollar je Fass (159 Liter) gestiegen.
Der OeNB-Chef sagte in Wien, der Ölpreis sei sowohl eine Gefahr für die Preisstabilität als auch für die Konjunktur, doch habe die Wirtschaft die Energieverteuerung bisher gut verkraftet. Nach Worten Webers wird das Wachstum in diesem Jahr die Potenzialrate erreichen, und in den kommenden beiden Jahren womöglich noch etwas darüber liegen. Das maximal mögliche Wachstum, das nicht zu Inflation führt, wird auf gut zwei Prozent in der Euro-Zone und auf eineinhalb Prozent in Deutschland geschätzt.
Immer mehr Volkswirte halten in Deutschland in diesem Jahr allerdings ein Wachstum von zwei Prozent für möglich. Diese Ansicht bestärkte der erneute Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindexes. Der Index übertraf im April noch das im Vormonat erreichte 15-Jahres-Hoch und stieg entgegen der Erwartung an den Finanzmärkten erneut leicht an auf 105,9 Punkte. Das wichtige Stimmungsbarometer liegt schon seit Ende letzten Jahres ungebrochen im Aufwärtstrend.
Liebscher begrüßte die Daten als willkommene, sehr positive Entwicklung: "Der Ifo-Index ist sicherlich ein sehr wichtiger Indikator aus dem größten Land der EU, aber wir ziehen auch andere Indikatoren für unsere Bewertungen hinzu." Der Optimismus der deutschen Unternehmen bestätigt nach Ansicht Webers nur die Erwartung der Zentralbank, dass sich der Aufschwung verbreitere und verstärke. Die März-Projektionen des EZB-Stabes, der für dieses Jahr im Mittel von 2,1 Prozent Wachstum und für 2007 von 2,0 Prozent ausgeht, hätten noch Bestand.
|