Aus der Griechenland Zeitung 11. Januar bis 17. Januar 2012 Die griechische Krise nimmt kein Ende. Im Gegenteil: Sie spitzt sich immer weiter zu. Der Januar könnte für die Griechen zum Schicksalsmonat werden. Nächste Woche kommen die Inspekteure der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) nach Athen, um die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung und die Umsetzung der Reformauflagen zu prüfen. Von ihrem Urteil wird abhängen, ob Athen die dringend benötigte nächste Rate der Hilfskredite von 89 Milliarden Euro bekommt. Bleibt das Geld aus, droht Griechenland bereits im März eine ungeordnete Insolvenz, warnt Ministerpräsident Lukas Papadimos. Im Gegensatz zu vielen Politikern weiß der parteilose Wirtschafts- und Finanzexperte, wovon er redet. Umso ernster muss man seine Mahnungen nehmen. Die Delegationschefs der Troika kommen in ein geschundenes Land. Spardiktat und Steuererhöhungen treiben Griechenland immer tiefer in die Rezession. Seit Beginn der Krise ist das Bruttoinlandsprodukt bereits um 13 Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosenquote liegt bei fast 20 Prozent, unter den Jugendlichen erreicht sie sogar 46,4 Prozent. Nicht nur die Wirtschaft ist am Boden sondern auch die Moral der Menschen. Die Krise hat die Griechen zermürbt, sie sind erschöpft, sie verlieren die Hoffnung. Nachdem die bisherigen Rettungsversuche wenig Wirkung zeigen und die Hilfskredite offensichtlich nicht helfen, raten manche nun zu einer Radikalkur: Griechenland solle die Eurozone verlassen. Doch das ist ein gefährliches Rezept. Eine Rückkehr zur Drachme würde dem Land ernste Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen, einen Zusammenbruch des Bankensystems, Massenelend und möglicherweise schwere soziale Konflikte bescheren. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft würde durch die Rückkehr zur Drachme nicht nennenswert verbessert, wenn sich an den Strukturen nichts ändert. Selbst wer Griechenland abschreiben will, muss bedenken, welche Kettenreaktionen ein Rauswurf aus der Eurozone auslösen könnte. Manche warnen, dann breche die Währungsunion auseinander. Ob mit dem Euro oder mit der Drachme: Für die Griechen liegt der einzige Ausweg aus der Krise in entschlossenen Reformen. Es ist ein schwieriger Weg, denn nicht nur die antiquierten ordnungspolitischen Strukturen müssen aufgebrochen werden. Die Griechen brauchen auch eine neue politische Kultur. So lange ihr Land im Korsett der Korruption und der Klientelbeziehungen steckt, wird es die Krise nicht überwinden können. Je eher die Athener Politiker das begreifen, desto besser für ihr Land – und für den Euro. Gerd Höhler K O M M E N T A R |