5. April 2011, Neue Zürcher Zeitung Lob und Tadel für Irland Sanierungspläne gut für die Banken – schlecht für den Staat Die Implikationen des am vergangenen Donnerstag verkündeten irischen Sanierungsplans für die Banken werden immer noch diskutiert. Die Regierung habe vor der EZB kapituliert, kritisiert die Opposition.
Martin Alioth, Dublin
Die kleine und fragmentierte irische Opposition hat den Beschluss der Regierung vom letzten Donnerstag, den irischen Banken weitere 24 Mrd. € an frischem Kapital zur Verfügung zu stellen, giftig kritisiert. Beide Regierungsparteien, die grössere, bürgerliche Fine Gael und die gemässigt sozialdemokratische Labourpartei, hatten Ende Februar unter anderem deshalb die Wahl so klar gewonnen, weil sie anderslautende Versprechungen gemacht hatten. Beide hatten angekündigt, dass die Obligationengläubiger der irischen Banken bei der Deckung des kolossalen Abschreibungsbedarfs der Banken mit an die Kasse gebeten würden. Dazu ist es nun aber nicht gekommen. Anzeige: Europäische Solidarität?
Die strengen Stresstests, denen sich die irischen Banken unterziehen mussten, hatten deren zusätzlichen Kapitalbedarf erneut – zum fünften Mal in weniger als drei Jahren – massiv erhöht. Noch im Dezember, als Irland die Vereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds und der EU unterschrieben hatte, verpflichtete sich die damalige Regierung, weitere 10 Mrd. € aus dem nationalen Rentenfonds in die beiden grössten überlebenden Banken, Allied Irish Bank (AIB) und Bank of Ireland, einzuschiessen. Dies hätte bis Ende März erfolgen sollen. Doch in den Turbulenzen, die den Abgang der alten Regierung begleiteten, verzichtete diese auf die Erfüllung ihres Versprechens, die das Engagement des Staats bei den Banken auf gut 55 Mrd. € erhöht hätte. Jetzt hat sich der Bedarf mehr als verdoppelt; falls die Banken sich, wie zu erwarten, diese Mittel nicht selbst beschaffen können, betrüge der Einsatz 70 Mrd. €.
Die Credit-Rating-Agenturen haben die erneute Sanierung der Banken inzwischen einhellig begrüsst. Die geplante Restrukturierung, an deren Ende bloss noch die zwei genannten Banken übrig bleiben sollen, sei gut für das irische Bankwesen, erläuterte beispielsweise Fitch, beeinträchtige aber die bereits angeschlagene Bonität des irischen Staates weiter. In der Tat verharrte die Rendite für zehnjährige irische Staatstitel auch am Montag nur knapp unter 10%. Das Finanzhaus Morgan Stanley empfahl indessen am Montag den Kauf derartiger und längerfristiger irischer Obligationen.
Die fatale Fusion irischer Staatsschulden und der Verbindlichkeiten ehemals privater Banken bleibt also bestehen. Immer mehr Beobachter stellen sich die bange Frage, ob diese Belastung für Irland überhaupt zu verkraften sei, oder ob die EU Irland schrittweise in den Staatsbankrott treibe. Ominös wird auf das Jahr 2013 verwiesen, wenn die EU endlich über Mechanismen verfügen soll, private Gläubiger an Verlusten zu beteiligen. In der Zwischenzeit, so wird einhellig festgestellt, muss der irische Steuerzahler für die Masslosigkeit privater Geldinstitute geradestehen, damit deren Gläubiger – deutsche, britische und andere ausländische Banken – nicht ihrerseits in die Bredouille geraten. Die «Europäisierung» des irischen Bankenproblems ist somit einmal mehr misslungen. Kurzfristige Liquidität
Angesichts der – zähneknirschenden – Bereitschaft der neuen irischen Regierung, den Kurs ihrer Vorgängerin fortzusetzen, hätte man in Dublin etwas mehr Entgegenkommen bei der laufenden Finanzierung der irischen Geldinstitute erwartet. Doch die erhoffte Umwandlung der kurzfristigen Liquiditätshilfen der EZB und der irischen Zentralbank in einen zum mindesten teilweise längerfristigen Kredit blieb aus. Derzeit stellen die beiden Zentralbanken 14-tägliche Mittel im Umfang von rund 170 Mrd. € zur Verfügung, da die privaten Einleger ihre Guthaben grossteils abgezogen haben. Die EZB hat zwar eine weitere Finanzierung zugesagt, behält aber angesichts der Kurzfristigkeit dieser Fazilitäten sämtliche Druckmittel in ihrer Hand. Skeptische Bürger
Die irische Regierung begründete ihre Kehrtwende bei der Rekapitalisierung der Banken damit, die beiden verbleibenden Institute müssten dereinst ja wieder Zugang zu privatem Kapital erlangen. Bei der Bank of Ireland, die noch immer hofft, eine staatliche Aktienmehrheit zu vermeiden, erscheint dies zum mindesten denkbar. Bei der einst grösseren AIB, die inzwischen gesamthaft über 20 Mrd. € beansprucht, bleibt es fraglich. – Zum fünften Mal nun hat der irische Staat einen angeblich definitiven Schlussstrich unter die Bankenmisere gezogen. Der gerupfte Steuerzahler befürchtet verständlicherweise weitere Tretminen. |