Kolumne - 11.06.07
Vorsicht vor der eigenen Gier und vor „Bubbles“!
Greenspan warnte schon vor einigen Tagen eindringlich vor einem „Bubble in China“. In der Tat erinnerte das, was sich in den letzten Wochen und Monaten in China abspielte, an die Zeiten als der Neue Markt kein Grenze zu haben schien – außer dem Himmel. Nach +130% im letzten Jahr und +60% in diesem Jahr wurden die Massen in China mobilisiert. In kurzer Zeit entstanden 100 Mio. neue Wertpapierdope, was Weltrekord ist. An den Bankschaltern entstanden Schlangen für Neukunden, die ein Wertpapier eröffnen wollten. Alle Anleger, die im Durchschnitt 1 USD am Tag verdienen, verschuldeten sich übermaßen, um schnell das Glück an der Börse zu finden. Die Börsen Shenzen und Shanghai haben zusammen schon eine Börsenkapitalisierung von 2,5 Billionen USD und damit mehr als das Sparvolumen in China ausmacht, was schon sehr hoch ist. Nun gingen in den letzten Tagen in China 450 Mrd. USD verloren, also in etwa ein Drittel des Wertes aller deutschen Aktien. Die chinesischen Kleinanleger hatten die Börse erst im letzten und in diesem Jahr so richtig entdeckt und massenweise Wertpapierdepots eröffnet, um schnell an der Börse reich zu werden. Die T-Aktie lässt grüßen! Ich habe damals im Jahr 2000 vor einer Überbewertung und einer Blasenbildung vor allem bei Hightech und Internetaktien eindringlich gewarnt und die damals völlig unterbewerten Aktien in Russland empfohlen. Aber in solchen Börsenphasen, wo alle scheinbar mühelos schnell reich werden wollen, ist man der „einsame Rufer in der Wüste“, der kein Gehör findet. Ebenso wird sicherlich Greenspan von dem einen oder anderen Börsen-Greenhorn jetzt ausgelacht.
Ob nun mit der gesunden 20%-igen Korrektur in China alles wieder im Lot ist, wird sich zeigen. Immerhin wächst China weiterhin sehr dynamisch. Was aber weltweit Probleme bereitet, ist die starke Divergenz von Anleihen- und Aktienkursen in den letzten Monaten sowie die stark steigende Geldmenge M3, die eine Blasenbildung in manchen Sektoren begünstigt. Das kann nicht lange gute gehen. Also müssen die Zinsen fallen oder die Aktien. In China und Japan dürften die Zinsen eher weiter steigen, bei der EZB erst recht. Auch Bernanke hat an der Zinsfront noch keine Entwarnung gegeben. Der 500-Punkte-Rutsch beim DAX sollte hingegen aufgrund der guten Ertragslage der deutschen Untenehmen weniger Sorge machen als die US-Wirtschaft – und die vielen Blasen in der Welt, von denen Greenspan so eindringlich warnt. Auch die Immobilienblase in den USA ist noch nicht „abgehakt“. Aber diese Themen hatten wir alle schon mal, was aber bisher nur zu sehr kurzfristigen Korrekturen führte, die schnell wieder aufgeholt und übertroffen wurden. Auf diese Weise werden latente und erkennbare Risiken ausgeblendet.
Auch hierzulande feiern selbsternannte oder von den Medien gemachte Börsen-Gurus wieder die Auferstehung und einige füllen auch wieder die Säle und damit auch ihre eigenen Portemonnaies. Nun ist nichts, aber auch gar nichts, gegen eine Wiederentdeckung der Aktie als Anlageinstrument nach dem T-Aktien-Debakel einzuwenden und jegliche Aufklärung und „Fortbildung“ in dieser Hinsicht zu begrüßen. Im Gegenteil: viele Anleger haben den phänomenalen Kursanstieg in den letzten drei Jahren aufgrund allzu großer Skepsis und zu geringer Risikobereitschaft die Super-Hausse der letzten drei Jahre vor allem in Osteuropa verpasst – und wollen jetzt wieder dabei sein. Nur müssen die meisten Anleger jetzt durch das Schaukelbad der Gefühle, die die Börse von Zeit zu Zeit jedem Anleger abverlangt. Wer nichts riskiert, der nichts gewinnt. Wer zuviel riskiert, kann aber zu viel verlieren!
In der Regel sollte der Anleger vorsichtig werden, wenn Aktien ohne fundamentalen Grund, ohne Analysen von namhaften Banken, Brokern oder Researchinstituten und vor allem ohne wesentliche News sich in kurzer Zeit vervielfachen, nur weil sie von Börsenexperten in Kombination mit Internet-Börsenbriefen und medialem Auftreten empfohlen werden. Dem Anleger bieten sich mittlerweile über das Internet sehr gute Möglichkeiten, sich selbst ein Bild über eine Aktie zu machen. Ein Appell an die Selbstverantwortung des Anlegers und das Einschalten des Gehirns tut an dieser Stelle Not. Auf der anderen Seite werden gerade im Internet Massen bewegt. Wenn dies dann mit unbekannten, illiquiden Aktien passiert, ist das Ergebnis vorprogrammiert. Nur tritt genau der gleiche Effekt in umgekehrter Richtung ein, wenn der Tipp-Geber die Aktie zum Verkauf empfiehlt – oder gar aus dem Musterdepot nimmt. Wenn alle dann gleichzeitig auf die Exit-Taste drücken, geschieht genau das, was jüngst bei den neuen „Börsenstars“ Star Energy und Star Gold Mines passierte, beides amerikanische Börsenmäntel (Aktien wäre zuviel gesagt), mit Russlandfantasie im Öl- und Goldsektor, die von ein und der selben Person als „one man show“ geführt werden. Die Aktien verdoppelten sich seit Jahresbeginn mit für solch unbekannte Newcomer außergewöhnlich hohen Umsätzen in wenigen Monaten, um dann in wenigen Tagen wieder zu kollabieren. So verloren diese beiden Aktien – und damit auch viele leichtgläubige, blauäugige Privatanleger – alleine am Freitag in der Spitze etwa die Hälfte ihres Wertes und über 60% seit dem Höchstkurs. Der Goldwert De Beira Goldfields lässt grüßen (von 1 auf 12 € in wenigen Monaten und dann jetzt auf 0,7 €)! Non Valeurs wie damals beim Neuen Markt scheinen wieder in Mode zu kommen, was für die Börse und auch dem ahnungslosen Anleger mit schlechten Nervenkostüm nicht gesund ist. Wer die Gunst der Stunde nutzte und die besagten Aktien am Freitag (und auch in den Tagen zuvor) shortete, verdiente sich eine goldnen Nase. Der neue „Börsenstar“ soll nun der amerikanische Börsenmantel Russoil mit Russlandfantasie werden. Gleiche Masche, gleiches Glückspiel. Die Gier macht es möglich, dass es funktioniert, denn Gier und Angst (auch beim nächsten Mal nicht dabei zu sein) sind allzu menschliche Eigenschaften eines echten Börsianers.
Ob wir generell aufgrund der weltweiten Überliquidität schon in einer Übertreibungsphase sind, wird sich erst in den nächsten Wochen herausstellen. In jedem Fall dürfte der Anleger weiterhin in den Aktien gut aufgehoben sein, die neben guten Fundamentaldaten (Value), Qualität und auch noch reales, nachvollziehbares Zukunftspotential haben Auch wenn ich wieder der „einsame Rufer in der Wüste“ sein sollte, sehe ich hier noch einige Möglichkeiten in Osteuropa – sogar im bisher deutlich underperformenden Russland, aber auch in Polen und anderen osteuropäischen Ländern, die gerade neu entdeckt werden . Sogar Öl- und Goldjuniors mit Russland- und Kasachstanfantasie, die ohnehin einen sehr spekulativen Charakter haben und viel Risikobereitschaft erfordern, kommen nach relativer Underperformance bei mir auf die Watch-list, aber nicht solche unkalkulierbaren, intransparenten Aktien, pardon Börsenmäntel, mit „Russlandfantasie“ wie Star Energy, Star Gold Mines und Russoil. In den Sommermonaten dürfte uns an den Weltbörsen ohnehin noch einiges „Sommertheater“ erwarten. Insofern scheint eine defensive Anlagestrategie im Grundsatz sinnvoll.
Hinweis: Am 29. Juni wird der Autor einen Vortrag über die „Handelsmöglichkeiten in Osteuropa“ in Hamburg halten. Anmeldung bei www.trading-house.net.
Quelle: ESI East Stock , Autor |