30. Oktober 2008
Koalitionsvertrag / Gewässerschutz Offener Brief an die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag Frau Andrea Ypsilanti, MdL Vorsitzende der SPD-Fraktion und Herrn Tarek Al-Wazir, MdL Vorsitzender B90/Grüne-Fraktion
Sehr geehrte Frau Ypsilanti, sehr geehrter Herr Al-Wazir,
dem jetzt veröffentlichten Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen entnehmen wir, dass Sie beim Gewässerschutz für die Werra neue Ziele formuliert haben.
Sie fordern von K+S die Vorlage eines Konzepts, "wie die Werra bis zum Jahr 2020 wieder zu einem naturnahen Gewässer werden kann". Diese für uns überraschende Festlegung ist umso unverständlicher, als die Fraktionen des Hessischen Landtages noch im Juli 2007 einstimmig, auch mit Unterstützung Ihrer Parteien, den Antrag verabschiedet haben, "die Werra … ab dem Jahr 2020 wieder zu einem naturnahen Gewässer werden zu lassen" (Drucksache 16/7536, Ziff. 2).
Wie Sie wissen, haben wir gerade ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem wir – mit Investitionen von insgesamt bis zu 360 Millionen Euro – das Salzwasseraufkommen im hessisch-thüringischen Kalirevier bis 2015 halbieren werden, wodurch die Grenzwerte in der Werra deutlich gesenkt werden können. Davon werden Flora und Fauna in Werra und Weser und auch die Menschen an den Flüssen erheblich profitieren.
Vor diesem Hintergrund erfüllt uns die von Ihnen getroffene voreilige Verkürzung der Zeitziele mit großer Sorge. Denn aus Sicht des Jahres 2008 kann überhaupt nicht abgeschätzt werden, welche technischen Schritte zur weiteren Reduzierung der Salzwässer nach Umsetzung unseres Maßnahmenpakets möglich und vertretbar sind.
Hinzu kommt, dass die Forderung des Koalitionsvertrages auch weit über die Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hinausgeht, nach der naturnahe Verhältnisse bis 2027 erreicht sein sollen; die Richtlinie sieht auch vor, dass weniger strenge Umweltziele dann festzulegen sind, wenn die Erreichung des guten ökologischen Zustands unmöglich ist oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre.
Wir werden mit unserem Maßnahmenpaket einen großen Schritt in diese Richtung machen, wir tragen unseren Teil zur Verbesserung des ökologischen Zustands von Werra und Weser bei, und wir werden an weiteren Verbesserungen arbeiten. Aber: Kein Kenner der Materie wird bestreiten, dass in der Werra in 2015, 2020 oder 2027 wegen der vielen anderen "Stressoren" selbst dann wohl keine naturnahen Verhältnisse herrschen werden, wenn sämtliche Einleitungen unseres Unternehmens unterbleiben würden. Dies ist sicher ein Hintergrund dafür, dass Bundesumweltminister Gabriel es erst Anfang des Jahres als unrealistisch bezeichnet hat, dass die Werra die Anforderungen der WRRL erfüllen werde.
Anliegen der einschlägigen europäischen und nationalen Regelwerke zum Gewässerschutz ist es, einen Ausgleich herzustellen zwischen anspruchsvollen Bewirtschaftungszielen und den Belangen einer auf die Gewässernutzung angewiesenen Industrie. Ihre Koalitionsvereinbarung verengt hingegen aus politischen Gründen diesen Abwägungsspielraum mit der Folge, dass das sorgfältig austarierte Gleichgewicht zwischen den Schutzgütern gestört wird. Dies darf aber nicht zu Lasten einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur und zukunftsfähiger Arbeitsplätze gehen.
Ich appelliere daher an Sie, in Ihrer politischen Arbeit das Augenmaß dafür zu bewahren, dass im Sinne eines nachhaltigeren Wirtschaftens auch zukünftig ein fairer Ausgleich zwischen ökologischen Anforderungen, ökonomischen Interessen und sozialen Verpflichtungen gewahrt werden muss. Auf dieser Basis wollen wir gerne über die Umsetzung unseres Maßnahmenpaketes hinaus an weiteren Verbesserungen für die Umwelt und den Gewässerschutz arbeiten. Dies ist unser Beitrag zur Gestaltung der Zukunft. Wir würden es begrüßen, wenn wir dabei auf Ihre Unterstützung zählen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Steiner Vorsitzender des Vorstands der K+S Aktiengesellschaft
PS: Bitte erlauben Sie mir noch einen Kommentar zur Koalitionsvereinbarung zum Weiterbau der A 44: Nachdem 4,4 km (von etwa 50 km) gebaut sind, enthält die Vereinbarung in der Tat das Bekenntnis zum "zeitnahen" Bau der planfestgestellten weiteren 6,5 km. Dass es "bei der Planung der Autobahn keine Verzögerungen mehr geben soll" (Zitat Tarek Al-Wazir aus der HNA vom 29.10.2008), steht dort nicht, und das nur gesprochene Wort ist flüchtig. Ergänzen Sie doch die Vereinbarung einfach – damit würden Sie den nicht unbegründeten Verdacht ein für allemal ausräumen, man habe es nicht so eilig. Und es gibt noch ein Argument für die zügige Fertigstellung: Allein in Bezug auf den Verkehr von und zu unseren Standorten an der Werra würde die durchgehende Nutzbarkeit jährlich 600.000 km Transportleistung (die nicht auf die Bahn umgelenkt werden kann) und mehr als 200.000 l Diesel mit den damit verbundenen CO2-Emissionen einsparen, und auf uns entfällt ja nur ein kleiner Teil des Transportaufkommens. Wenn das für Sie kein überragendes ökologisches Argument ----------- Grüsse King-charles |