von Michael MaischMerken
Schlankheitskur für den Ölkonzern Um die enormen Kosten der Ölpest im Golf von Mexiko in den Griff zu bekommen, muss sich der britische Ölkonzern von zahlreichen Geschäftsteilen trennen. Dafür will der neue Chef Bob Dudley nun ein Verkaufsprogramm starten.
Bob Dudley (Mitte) bei der Behandlung einer ölgeschädigten Schildkröte: Der neue BP-Chef muss auch den Ruf des Unternehmens retten. Quelle: ap LONDON. Der neue BP-Chef Bob Dudley braucht viel mehr Geld als erwartet, um die Kosten der Ölpest im Golf von Mexiko zu begleichen. Wie der britische Ölkonzern gestern mitteilte, wird BP Unternehmensteile im Wert von 30 Mrd. Dollar auf den Markt werfen. Ursprünglich hatte das Unternehmen angekündigt, sich über Verkäufe von Geschäftsbereichen zehn Mrd. Dollar beschaffen zu wollen, Analysten hatten erwartet, dass sich der Konzern maximal von Vermögen im Wert von 20 Mrd. Dollar trennen muss. Aber nicht nur dieser Aderlass droht das künftige Wachstum von BP zu bremsen, der abgespeckte Konzern muss nach der Katastrophe auch seine Öl-Förderziele überprüfen.
Dudley will nun in den kommenden 18 Monaten ein umfangreiches Verkaufsprogramm auf den Weg bringen. Dabei dürfte er auf reges Interesse stoßen: Öl und Gas ist den Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg zufolge der zweitaktivste Sektor bei Fusionen und Übernahmen in diesem Jahr. Insgesamt wurden 479 Deals im Wert von 93,5 Mrd. Dollar bekanntgegeben.
In der vergangenen Woche hatte BP bereits Ölfelder in Kanada, Texas und Ägypten für sieben Mrd. Dollar an die US-Firma Apache verkauft. Das entsprach einem Preis von 19 Dollar je Barrel nachgewiesener Reserven, deutlich mehr als die durchschnittlichen Bewertungen für solche Deals, die nach Berechnungen von Barclays Capital bei elf bis zwölf Dollar je Barrel liegen. Weitere Aktiva in Pakistan,Vietnam und Kolumbien hat BP bereits zum Verkauf gestellt, und auch das Ölvorkommen in der Prudhoe Bay in Alaska könnte wieder auf den Tisch kommen, nachdem ein Deal mit Apache für dieses Feld zunächst gescheitert war.
BOB DUDLEY'S TO-DO-LISTE: Was der neue BP-Chef leisten muss Der Branchenveteran ersetzt den bisherigen BP-Chef Tony Hayward. Damit erwarten ihn so einige Herausforderungen.
Die von ihm selbst verursachte Ölpest im Golf von Mexiko zwingt den Konzern somit dazu, sich gesundzuschrumpfen. Nach dem Unfall, bei dem elf Arbeiter ums Leben kamen, gelang es dem Konzern wochenlang nicht, das ungehindert aus dem beschädigten Bohrloch ins Meer strömende Öl zu stoppen. Der Unfall wuchs sich zur größten Ölkatastrophe in der Geschichte der USA aus. Das Desaster, das heute genau 100 Tage zurückliegt, sei ein "Wendepunkt" in der 102-jährigen Historie von BP, gab Chairman Carl-Henric Svanberg zu. Im zweiten Quartal musste der Ölriese einen Rekordverlust hinnehmen, weil er für die Begleichung der Schäden 32 Mrd. Dollar zurücklegen musste.
Wegen der enormen Kosten hatten einige Analysten Zweifel angemeldet, ob die finanzielle Kraft von BP ausreichen werde, um eine eigenständige Zukunft zu sichern. Gerüchte über Übernahmeangebote von Konkurrenten wie ExxonMobil oder eine Aufspaltung des weltweit drittgrößten Ölförderers machten die Runde.
Der Konzern will davon aber nichts wissen. BP-Chairman Svanberg versuchte gestern die Bedenken zu zerstreuen, dass der Konzern die Kosten nicht verkraften könne. BP verfüge über freie Kredite im Wert von 16 Mrd. Dollar und habe Barreserven von 7,3 Mrd. Dollar in der Kasse, sagte er. Außerdem will der neue Vorstandschef Dudley die Verschuldung in den kommenden 18 Monaten auf zehn bis 15 Mrd. Dollar senken. Ende 2009 stand BP noch mit 23 Mrd. Dollar in der Kreide. Die Investitionen streicht BP im Vergleich zum Vorjahr von 20 Mrd. Dollar auf 18 Mrd. Dollar zusammen, um sich zusätzlichen Handlungsspielraum zu verschaffen.
Nicht zum Verkauf steht offenbar das Joint Venture TNK-BP, das die Briten gemeinsam mit einer Gruppe russischer Oligarchen betreiben. Es gebe keine Verhandlungen über eine Trennung, betonte gestern der TNK-Direktor German Khan. Nach seinem endgültigen Abschied von der BP-Spitze im Herbst soll der bisherige BP-Chef Tony Hayward ins Management des Gemeinschaftsunternehmens einziehen, dort hat auch sein Nachfolger Dudley bereits Erfahrungen gesammelt - allerdings eher unangenehme: Fünf Jahre leitete der neue BP-Chef das Joint Venture und ließ sich dabei auf eine gefährliche Machtprobe mit den russischen Anteilseignern ein, die nach Meinung von BP eher auf kurzfristige Gewinne als auf langfristiges Wachstum aus waren. Eine Zeit lang musste Dudley das Unternehmen von einem geheim gehaltenen Ort aus führen, weil er fürchtete, verhaftet zu werden. Ende 2008 gab er endgültig auf und übernahm kurze Zeit später im BP-Vorstand die Verantwortung für das Geschäft in Asien und Amerika. TNK-Direktor Khan begrüßte gestern Dudleys Ernennung zum Vorstandschef von BP.
Nach der unfreiwilligen Schlankheitskur wird der Konzern seine Produktionsziele auf den Prüfstand stellen müssen. Der scheidende Vorstandschef Hayward hatte die Ölförderung jährlich um ein bis zwei Prozent steigern wollen, doch die geplanten Verkäufe stellen dieses Ziel infrage. Außerdem befürchten Analysten Verzögerungen bei der Entwicklung von Ölfeldern im Golf von Mexiko, wo etwa 25 der 40 bis 2015 von BP geplanten Projekte liegen.
BP selbst beschreibt das Verkaufsprogramm als "Aufwertung des Portfolios", da sich das Unternehmen vor allem von reiferen Ölfeldern trennen wolle. Am Ende werde der Konzern mit einem kleineren, aber qualitativ besseren Explorations- und Fördergeschäft dastehen.
Ohne die Ölpest im Golf von Mexiko hätte BP im zweiten Quartal netto 4,98 Mrd. Dollar verdient, das wäre ein Plus von 77 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewesen. Verantwortlich dafür waren vor allem höhere Öl- und Gaspreise und bessere Margen im Raffinerie-Geschäft.
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