@wolga: Ich finde den vorangegangenen Beitrag sehr polemisch. Zum einen ist an einem Bundeswehr-Showroom nichts verwerflich (die müssen ja irgendwie neue Interessenten bekommen, seit es die Wehrpflicht de facto nicht mehr gibt), vor allem aber ist das Beispiel schlecht gewählt um damit Kriegstreiberei belegen zu wollen.
Das von Afghanistan-Mandat der Bundeswehr war, wie man weiß, von der UN abgesegnet. Anders als etwa das Engagement der Amerikaner im Irak, aber auch anders als der Einsatz der Sowjetunion in Afghanistan. Und dafür, dass wir hier besser leben als die Mehrheit der Weltbevölkerung, scheint dieses von Ihnen als "Saustall" diskreditierte System in der Gesamtheit gut zu funktionieren.
Vor allen Dingen aber geht es hier weniger um Deutschland als vielmehr um Russland. Viele russlandfreundliche Diskussionsteilnehmer vergessen das nämlich häufig, was sich darin zeigt, dass sie bei objektiver Kritik und der Analyse von Chancen und Risiken sich in Tiraden gegen den Westen verfangen. Die Vorwürfe mögen berechtigt sein und auch in Europa und Nordamerika gibt es spezifische Risiken, dennoch geht es hier um Russland. Weil es hier um Geld geht, um Gewinn oder Verlust, um sein oder nicht sein, können wir es uns nicht erlauben unsere Entscheidungen auf ideologischer Grundlage zu treffen. Da spielt es auch keine Rolle, ob ich Putin mag, es ist ebenso irrelevant, ob ich Obama oder Merkel verachte. Es geht einzig und allein darum, ob wir am Ende des Tages, des Monats, des Jahres ein Plus oder ein Minus sehen. Alles andere sind Gedanken die wir uns in der Freizeit machen können, aber nicht bei einer Kaufentscheidung. Denn bei der Kaufentscheidung geht es darum aus Geld mehr Geld zu machen und dabei ist es letztlich völlig egal ob der Teufel oder Jesus Dividende bezahlt. Zumal es ja sowieso kein Schwarz und kein Weiß gibt.
@braunbaer: Wir dürfen trotz allem nicht übersehen, dass die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA für Europa viel wichtiger sind als die zu Russland. Was natürlich nicht bedeutet, dass man auf den russischen Markt verzichten wollen würde, aber dennoch wird es in der Frage der Sanktionen keine Konfrontation mit den USA geben. Da müssen wir realistisch sein - wenn sich die Lage in der Ukraine verschärfen sollte und die Kampfhandlungen nicht mehr punktuell stattfinden so wie jetzt, dann kann es keinen Zweifel daran geben, dass sich die Sanktionsspirale weiterdrehen wird.
Gazprom wird es dann sicherlich noch immer geben, so wie es dieses Unternehmen in der einen oder anderen Form wahrscheinlich auch noch in 20 Jahren geben wird. Aber ob es dann noch private Aktionäre geben wird, das ist zumindest nicht vollkommen gewiss.
Ich habe in Russland schon viel gesehen und möchte auch an Jukos erinnern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der ein oder andere hier, darunter sehr wahrscheinlich auch ich in diese Firma investiert hätte, weil sie als solide und modern geführt galt (damals habe ich mich aber noch nicht so sehr damit beschäftigt). Wie wir heute wissen hätten wir unser Geld alle verloren, weil die Aktionäre einfach enteignet wurden. Wenn der Westen neue Sanktionen verhängt, ist es nach meiner Einschätzung absolut im Bereich des Möglichen, dass ausländisches Kapital in Russland eingefroren wird und/oder westliche Beteiligungen an russischen Firmen enteignet werden. Gazprom oder Rosneft gibt es dann natürlich immer noch, nur ohne uns: Der Mob, welcher in Russland übrigens auch nicht intelligenter ist als anderswo auf der Welt würde johlen, und es als Schachzug gegen die westlichen Heuschrecken feiern.
Ironischerweise kann Jukos auch noch durchaus zum Auslöser solcher Entscheidungen werden, dann nämlich, wenn das 50 Milliarden Dollar Schadensersatz-Urteil vollstreckt wird und der Gerichtsvollzieher beginnt russische Ölbohrplattformen oder Anteile im Irak oder sonstwo zu verpfänden. Was dann die Reaktion seitens Russlands sein wird, das kann man sich ja wohl denken.
Vergesst eines nie: Russland ist ein besonderes Land.
PS: Gestern habe ich doch geschrieben, dass Steinmeier bei den Russen sowieso unten durch ist und die deutschen Vermittlungsversuche ohnehin nicht fruchten werden. Seht mal was heute Zeit-Online schreibt: http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-11/ukraine-krise-sergej-lawrow
Das lässt nicht unbedingt auf eine Beruhigung der Lage schließen. |