Staatsanwälte eröffnen Ermittlungsverfahren gegen Freenet-Chef
Aktionärs-Kritik. Gegen Freenet-Chef Eckhard Spoerr wird wegen Betrugs, Untreue, Insiderhandels und Geldwäsche ermittelt. Auslöser ist ein am 1. Juni von Wirtschaftsprüfer Marc Münch an Staatsanwälte in Hamburg und Kiel sowie an diverse Aufsichtsbehörden – darunter die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Frankfurt und die US-Wertpapieraufsicht SEC in New York – übergebenes 940 Seiten starkes Dossier, das der WirtschaftsWoche vorliegt.
Mit internen Dokumenten versucht Münch, ehemals Leiter des Rechnungswesen von Freenet, zu belegen, dass der Freenet-Vorstand selbst oder über ein Geflecht von Beteiligungen in die eigenen und andere Taschen gewirtschaftet und dem Unternehmen so einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe zugefügt hat.
Die Staatsanwaltschaften Hamburg (Aktenzeichen 5650 Js 42/07) und Kiel (Aktenzeichen 545 Js 30428/07) haben Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Jedes Mal, wenn man mich schwächen will, werden diese alten Vorwürfe wieder gegen mich instrumentalisiert“, weist Spoerr die Anschuldigungen zurück. Sie seien allesamt falsch.
Choulidis: „Freenet-Vorstände bedienen sich selbst“
Paschalis Choulidis, Vorstandssprecher beim Mobilfunker Drillisch, der mit acht Prozent einer der größten Einzelaktionäre von Freenet ist, kritisiert in der WirtschaftsWoche massiv die Arbeit des Freenet-Chefs Eckhard Spoerr: „Er hat einige Möglichkeiten nicht genutzt und wichtige Gelegenheiten wie die Übernahme von AOL und Talkline verstreichen lassen.“ Spoerr sei im Mobilfunk „Neuling“, so Choulidis, er wiederhole Fehler, die andere schon gemacht haben“. Das gesamte Freenet-Management ist Choulidis viel zu „passiv“: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass persönliche Gründe der industriellen Logik von Firmenzusammenschlüssen im Wege stehen.
Für die Hauptversammlung am 20. Juli fordert Choulidis Aufsichtsratsneuwahlen. Im Zentrum seiner Kritik steht dabei das das jüngste Aktienprogramm für das Top-Management. „Aufsichtsratsmitglieder, die dieses Aktienwertsteigerungsprogramm durchgewinkt haben, sind für uns nicht mehr tragbar“, so der Drillisch-Chef. Und weiter: „Da bedienen sich Vorstände selbst und genehmigen sich einen Bonus in Höhe von 50 Millionen Euro. Das Programm hätte unterbunden oder zumindest mit der Hauptversammlung abgestimmt werden müssen.“
Um jeden Preis selbst in den Aufsichtsrat einziehen will Choulidis nicht: „Uns reicht, wenn der Aufsichtsrat neutral besetzt ist und sich an die Corporate-Governance-Regeln hält.“ Das sei bei Freenet derzeit nicht der Fall. Choulidis: Wir kämpfen dafür, dass der Aufsichtsrat ein neutrales Überwachungsorgan ist und nicht ein vom Vorstand besetztes Organ. Unser Eindruck ist, dass nicht der Aufsichtsrat den Vorstand kontrolliert, sondern umgekehrt der Vorstand den Aufsichtsrat
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„Nicht mehr tragbar“
Paschalis Choulidis im Interview.
Der Vorstandschef des Mobilfunkers Drillisch, Paschalis Choulidis, im Interview über Fehler des Freenet-Aufsichtsrats und Ermittlungen der Staatsanwälte.
Drillisch-Vorstandschef Paschalis ChoulidisWirtschaftsWoche: Herr Choulidis, was machen Sie am Freitag, den 20. Juli?
Choulidis: Ich werde für einen Tag meinen Urlaub in Zypern unterbrechen und zur Hauptversammlung von Freenet nach Hamburg fahren.
Warum ist Ihre persönliche Teilnahme so wichtig?
Mit einem Anteil von acht Prozent ist Drillisch einer der größten Einzelaktionäre von Freenet. Auf der Hauptversammlung stehen Entscheidungen an, die für die Zukunft von Freenet sehr wichtig sind.
Freenet gehört zu den Börsenlieblingen, weshalb dann ein Kurswechsel?
Wir sind der Auffassung, dass sich Freenet auf ein Geschäftsmodell konzentrieren muss, um schneller auf Marktveränderungen reagieren zu können. Andere Großaktionäre teilen inzwischen unsere Meinung. Außerdem hat Vorstandschef Eckhard Spoerr einige Möglichkeiten nicht genutzt und wichtige Gelegenheiten wie die Übernahme von AOL und Talkline verstreichen lassen.
Das klingt so, als wollten Sie Eckhard Spoerr an der Spitze von Freenet absägen?
Herr Spoerr hat mit Sicherheit seine Verdienste in der Vergangenheit beim Aufbau des Internet-Geschäfts gehabt. Im Mobilfunk ist er aber Neuling. Er wiederholt Fehler, die andere schon gemacht haben.
Geht es Ihnen in Wirklichkeit nicht darum, dass Spoerr Mobilcom möglichst schnell an Drillisch verkauft und damit Ihre eigenen Geschäftsaussichten verbessert?
Der Verkauf von Mobilcom an Drillisch ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Es geht uns um eine erfolgreiche Zukunft für die netzunabhängigen Mobilfunkanbieter. Im Mobilfunk gibt es noch viele Synergien. Sie zu heben, ist im Interesse aller Aktionäre. Das Freenet-Management ist mir viel zu passiv. Manchmal habe ich den Eindruck, dass persönliche Gründe der industriellen Logik von Firmenzusammenschlüssen im Wege stehen.
Andere Freenet-Großaktionäre wie der Finanzinvestor Hermes werfen Freenet-Chef Spoerr grobe Verstöße gegen die Regeln einer guten Unternehmensverfassung, der sogenannten Corporate Governance, vor. Insbesondere das jüngste Aktienoptionsprogramm für das Top-Management steht im Feuer der Kritik. Was halten Sie davon?
Aufsichtsratsmitglieder, die dieses Aktienwertsteigerungsprogramm durchgewinkt haben, sind für uns nicht mehr tragbar. Da bedienen sich Vorstände selbst und genehmigen sich einen Bonus in Höhe von 50 Millionen Euro. Das Programm hätte unterbunden oder zumindest mit der Hauptversammlung abgestimmt werden müssen.
Es gibt ja noch mehr Vorwürfe. Der ehemalige Freenet-Controller Marc Münch wirft Spoerr und seinem Vorstandskollegen Axel Krieger Veruntreuung von Firmenvermögen durch Scheingeschäfte beim Kauf von Tochtergesellschaften vor.
Das Münch-Dossier liegt mir vor. Ich habe den Aufsichtsrat gebeten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Aber der Aufsichtsrat scheint den Aktionären nicht antworten zu wollen. Das wundert mich sehr. Es soll ja schon ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers geben, das aber bislang nicht offengelegt wurde.
Aktionäre wollen eine Sonderprüfung beantragen. Unterstützen Sie den Antrag?
Wenn Herr Spoerr weiterhin versucht, alle Vorwürfe unter den Teppich zu kehren, dann ist eine Sonderprüfung durchaus sinnvoll.
Wären Sie bereit, selber in den Aufsichtsrat einzuziehen?
Uns reicht, wenn der Aufsichtsrat neutral besetzt ist und sich an die Corporate-Governance-Regeln hält. Das ist bei Freenet derzeit nicht der Fall, und das ist auch unser größter Kritikpunkt. Wir kämpfen dafür, dass der Aufsichtsrat ein neutrales Überwachungsorgan ist und nicht ein vom Vorstand besetztes Organ. Unser Eindruck ist, dass nicht der Aufsichtsrat den Vorstand kontrolliert, sondern umgekehrt der Vorstand den Aufsichtsrat.
[07.07.2007] juergen.berke@wiwo.de Aus der WirtschaftsWoche 28/2007.
http://www.wiwo.de/pswiwo/fn/ww2/sfn/buildww/id/126/id/28356… |