@Dax Sucks, vielen Dank für Deine „allgemeine Anmerkung“, finde ich wichtig auch solche Stimmen zu lesen.
Erst mal vorab: Du hast sicherlich Recht, dass man mit solcher Häme (wie Du sie nennst) grundsätzlich vorsichtig sein sollte wenn man nicht alle Einzelheiten kennt. Und in meinem Fall liegt meine Reaktion auch sicherlich daran, dass mich der Übernahmeversuch von Osram eine ganze Menge Geld gekostet hat (dazu später mehr), auch wenn dies immer noch ein gutes Investment in 2019 war. Meine harschen Formulierungen Reaktion liegen also auch teilweise an persönlichem Frust. Und zu guter Letzt: die Idee eines europäischen Photonics/Automotive Champions gefällt auch mir.
So, und jetzt komme ich mit den „aber“s:
1) Wer so großspurig auftritt wie Everke, der muss sich über diese Häme nicht wundern – nein, der provoziert die sogar. „Go big or go home“, „ohne uns gäbe es das iPhone X nicht“, „ich brauche keinen Plan B“, etc. Diese Aggressivität oder besser mit dem Kopf durch die Wand haben die bei Osram auch gezeigt, über Angebotserhöhung und gleichzeitigem Kauf über den Markt. Dass Everke die treibende Kraft war, ist wohl allgemein anerkannt.
2) Jack und ich haben diesen Deal vom ersten Tag an aufs Schärfste kritisiert, das kannst Du hier nachlesen seit Juni/Juli 2019. Wir spielen hier also nicht die Klugsch., die im Nachhinein alles besser wissen, sondern wir haben von Anfang an stringent argumentiert, warum dieser Deal falsch bzw. einfach viel zu gefährlich ist (für Corona können die nichts, keine Frage).
3) Wir bräuchten mehr solcher aggressiver CEOs? Hm, weiß nicht, viele dieser Mega-Deals haben nur Schaden verursacht, ich nenn einfach mal Monsanto, Daimler-Chrysler-Deal, Dresdner Bank durch Allianz, der Versuch von Porsche, Volkswagen zu übernehmen, etc. Am Ende von diesen „marriage made in heaven“s wie Schrempp es ausgedrückt hat, standen die Aktionäre alle blöd da. Chicago Tribune nannte das wie folgt: „It was simply an exercise in empire-building by Juergen Schrempp“. Kann man mE hier auch anwenden.
4) Nach den super Zahlen, die im Juli berichtet wurden, stand der AMS Kurs bei über 50 Euro. Danach hat AMS zwei mal grandiose und deutlich über den Erwartungen liegende Quartalszahlen berichtet, der Gesamtmarkt ist super gelaufen und die Apple-Nahrungskette erst Recht (alleine Apple ist von Juli 2019 bis Februar 2020 um über 50% gestiegen!). Ich kann das natürlich nicht mit Zahlen belegen, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass ohne den Osram-Deal die AMS Aktie im Februar mind. im Bereich von 70-80 Euro notiert hätte. Jetzt nehmen wir mal den ca. 25%igen „Corona-Discount“ und wir landen bei 55-65 Euro.
So, statt bei 60 Euro stehen wir nun bei 12 Euro, in meiner (Milchmädchen-)Rechnung hat Everkes Osram-Deal dem Aktionär rund 80% Performance gekostet. Wie um Himmels Willen kann ich als Aktionär so etwas gut finden? Everkes Gehalt hat sich im letzten Jahr auf 6,x Mio Euro verdreifacht, aber die Aktionäre stehen vor einem Scherbenhaufen. Ich habe nach Ankündigung des Deals zwei Drittel meiner Position verkauft und nach Durchzug Anfang Dezember das letzte Drittel, d.h. ich bin im Schnitt bei 44 Euro rausgekommen. Ich müsste mich daher nicht so laut beschweren, aber trotzdem ärgert mich das, weil diese Aktie sonst fast ein weiterer Verdoppler gewesen wäre.
Natürlich kann sich dieser Osram-Deal im Nachhinein als richtig herausstellen wenn alles, wirklich alles gut läuft. Aber dass der AMS Kurs auf das Niveau steigt, auf dem er ohne den Deal notieren würde, bedarf einer Verfünffachung und wird mE zig Jahre benötigen.
5) Mit einem etwas längerem Blick: seitdem Everke bei AMS angefangen hat, haben sich die Umsätze von knapp 550 Mio Euro auf 5,5 Mrd. Euro (ich nehme Osram dazu) ungefähr verzehnfacht. Der Aktienkurs hat sich im gleichen Zeitraum halbiert, obwohl im gleichen Zeitraum sämtliche Halbleiterwerte explodiert sind. So eine Diskrepanz habe ich noch nie in meinem Börsenleben gesehen. Chapeau für den Heptagon-Deal, Mr. Everke, aber mit dem Osram-Deal wurde das Aktionärsvermögen an die Osram-Aktionäre (3-fache Prämie) an die Banken (Gebühren & Zinsen), an die zukünftigen Kreditgeber und für die Integrationskosten verschleudert.
Wo ich Dir natürlich Recht gebe: für den Aktionär, der erst vor kurzem hier eingestiegen ist, für den kann diese Historie des letzten Jahres relativ egal sein, der muss nur noch vorne schauen und ich gönne jedem die Kursgewinne. Aber „Häme“ & Kritik sind mE trotzdem mehr als angebracht. |