Du weißt ja selbst noch, Coronaa, dass du damals in der Zone immer die SED wählen musstest. Es war wie ein Zwang.
Dann kam die Wende, und heute können die Sachsen endlich frei wählen. Und da wählen sie natürlich - weil der Kapitalismus ebenfalls seine Versprechungen nicht erfüllt hat - aus Trotz das, was sie nicht wählen sollen (wäre ja sonst wie in der DDR), aber nun KÖNNEN. Sie wählen also das, was "denen da oben" am wenigsten passt.
Die Wahl wird so zur Protestwahl und zum "Denkzettel". Hau rein, mach Striche. Man fühlt sich so stark und männlich wie nach der letzten Prügelei in der Stammkneipe.
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Dabei ist es jedoch wichtig zu wissen, dass diese "freie Trotzen" durchaus im kühlen Kalkül des Kapitalismus enthalten ist: In der Zone wurde man eingesperrt, wenn man meckerte. Das war altbackener Stalinismus. Die neue Freiheit des Westens bedeutet, dass man - sofern man nicht gewalttätig wird - beliebig meckern, bocken und trotzen kann. Die Tücke des freien westlichen Systems ist, dass all dies politisch folgenlos bleibt. Es prallt bei "denen da oben" einfach ab. Du bockst also - therapeutisch Aggressionen abbauend - in die Leere der Zwickauer Auen. Zyniker sagen: "Wenn Wahlen wirklich etwas verändern würden, wären sie längst verboten."
An Stelle der ehemaligen Erzfeinde Ulbricht, Stoph, Honecker, Krenz, die zum SED-Wählen zwangen, ist nun eine Angela Merkel getreten, die um CDU-Wählen bittet, aus Trotz jedoch AfD erntet. Und da die AfD auf ihren Plakaten sogar sogar mit Freiheit wirbt, wird das Ganze zum Selbstgänger.
Aber warte nur ab, bis die meisten SED-Alt-Ossis den Rasen von unten sehen. Dann kommt Fills Weltgeist, räumt in den Köpfen und macht die Sünden der Vergangenheit als ahistorischen Trotz kenntlich, was dann irgendwann bei deinen Enkeln zur systemstabilisierenden Läuterung ("ich will Groko") führt. |