16.07.2007 16:00
Hendrik Leber: "Vom Dax ist noch einiges zu erwarten"
§ §Hendrik Leber zählt seit vielen Jahren zu Deutschlands Top-Vermögensverwaltern. Mit FundResearch sprach er über sein Idol Warren Buffett, die Hypothekenkrise in den USA und die Zukunft des deutschen Aktienindex.
§"Die Berkshire Hathaway-Aktie kann um 60 Prozent steigen"
FundResearch: Herr Leber, eines Ihrer Vorbilder ist die Investment-Legende Warren Buffett. Nun will Buffett sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen.
Hendrik Leber: Eine gute Entscheidung – vor allem für den von ihm geführten Konzern.
FundResearch: Weshalb?
Leber: Buffetts Unternehmen Berkshire Hathaway hat eine fantastische Entwicklung hinter sich. Doch mit neuen Managern an der Spitze hat es eine mindestens ebenso rosige Zukunft noch vor sich. Aktuell hat die Aktie einen Wert von 110000 Dollar, der innere Wert des Konzerns ist aber wesentlich höher. Einen Kurs von 180000 Dollar halte ich für angemessen. In diese Sphären stößt das Unternehmen besser ohne seinen Gründer vor.
"Es gibt keinen Buffett-Bonus mehr"
FundResearch: Das klingt, als ob Buffett für die Entwicklung der Aktie eher hinderlich wäre.
Leber: Das sehe ich so. Während die meisten im Hinblick auf das Unternehmen von einem Buffett-Bonus sprechen, spreche ich von einem Buffett-Abschlag.
FundResearch: Warum denken Sie, dass der Konzern ohne seinen Gründer besser laufen würde?
Leber: Buffett hat Großartiges geleistet – keine Frage. Aber die Tatsache, dass er die wesentlichen Entscheidungen alleine trifft, sorgt nicht gerade für Transparenz. Und das drückt den Kurs. Durch neue Manager würde das Unternehmen durchsichtiger werden. Es dürfte zu einer besseren Berichterstattung kommen oder sogar zu einer Aufsplittung des Unternehmens. Das alles würde den Kurs nach oben treiben.
"Viele US-Aktien sind extrem günstig"
FundResearch: Für die Zukunft des amerikanischen Investmentkonzerns erwarten Sie also Positives. Wie sieht es mit dem US-Aktienmarkt in seiner Gesamtheit aus?
Leber: Im amerikanischen Markt gibt es erhebliche Fehlbewertungen.
FundResearch: Das klingt dramatisch.
Leber: Das mag sein. Doch die interessantesten Aktien für unsere Fonds finden wir derzeit in den USA. Es gibt viele Unternehmen, in die man extrem günstig einsteigen kann. Dem amerikanischen Markt geht es keinesfalls schlecht, so wie manch einer weismachen möchte.
"Die amerikanische Hypotheken-Krise entspannt sich langsam"
FundResearch: Aber die Gefahren, allen voran die Krise um die schlecht finanzierten Hypotheken, können doch nicht wegdiskutiert werden.
Leber: Die Hypotheken-Krise hat der amerikanischen Börse zwar einen Schlag versetzt. Doch das Schlimmste ist überstanden. Die Zahl der Pfändungen aufgrund nicht zurückgezahlter Hypotheken erreicht momentan ihren Höhepunkt. Ab jetzt geht die Zahl wieder zurück und die Lage entspannt sich langsam. Es wird jedoch noch sechs bis neun Monate dauern, bis die Problemkredite in den Bankbilanzen erscheinen und dort zu Konsequenzen führen.
FundResearch: War der ganze Wirbel um die Krise also maßlos übertrieben?
Leber: Nein, ganz und gar nicht. Ich muss zugeben, dass ich sehr verwundert bin, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Vor einem dreiviertel Jahr war ich sehr pessimistisch und hatte erhebliche Sorgen. Doch die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt.
"Den amerikanischen Unternehmen geht es blendend"
FundResearch: Woran lag das?
Leber: Die Krise blieb bemerkenswerterweise auf den Immobiliensektor beschränkt und hatte nur moderate Auswirkungen auf andere Industriezweige.
FundResearch: Also geht es aufwärts an den US-Börsen?
Leber: Ja, denn ich erwarte in der anstehenden Berichtssaison viele positive Überraschungen. Den amerikanischen Unternehmen geht es blendend und mit Ausnahme des Finanz- und des Bausektors ist kein Wölkchen am Himmel zu sehen.
"Europäische Konzerne sind sensationell billig"
FundResearch: Sieht das bei den europäischen Märkten genauso aus?
Leber: Europa ist ein wunderbarer Kontinent für Investoren. Die europäische Wirtschaft ist für den globalen Wettbewerb hervorragend gerüstet. Vor allem bei Autos und Industrieanlagen stehen europäische Unternehmen an der Weltspitze. Dazu kommt, dass die Aktien europäischer Konzerne sensationell billig sind. Im Dax gibt es Unternehmen mit einem einstelligen Kurs/Gewinn-Verhältnis. Das ist unfassbar.
FundResearch: Das heißt, um den deutschen Aktienmarkt ist es besonders gut bestellt?
Leber: Ja, vom Dax dürfen Anleger noch einiges erwarten.
"Der Dax wird extrem stark schwanken"
FundResearch: Wo sehen Sie den Index in einem Jahr?
Leber: Der Dax wird extrem stark schwanken. Ich denke, dass wir sowohl Kurse von 9000 bis 10000 Punkten als auch einen Dax von 7000 Punkten sehen werden.
FundResearch: Beide Kursstände innerhalb der kommenden zwölf Monate?
Leber: Ja, wir werden ein andauerndes deutliches Auf und Ab erleben und müssen mit kräftigen Ausschlägen in beide Richtungen rechnen. Grundsätzlich sehe ich aber einen positiven Trend.
FundResearch: Also lohnt sich ein Einstieg noch?
Leber: Ja. Ich würde es so formulieren: Die Anleger sollten die Gelegenheit nutzen und das Geld nehmen, das auf der Straße liegt. Allerdings sollten sie einen Regenschirm dabei haben, denn es wird zu zahlreichen Unwettern kommen.
Im Profil: Dr. Hendrik Leber
ist seit 1995 Geschäftsführer der Acatis GmbH. Die Gesellschaft versteht sich als klassische Vermögensverwaltung. Leber ist ein überzeugter Value-Investor. Er investiert demzufolge in Unternehmen mit viel versprechenden inneren Werten wie Buch- oder Ertragswert. Der aktuelle Preis einer Aktie spielt bei seiner Anlageentscheidung nur eine untergeordnete Rolle. Leber studierte Betriebswirtschaft im Saarland, in der Schweiz und den USA. Vor seiner Arbeit als Vermögensverwalter war er jeweils fünf Jahre bei der Unternehmensberatung McKinsey und beim Bankhaus Metzler tätig. |