HANDELSBLATT, Dienstag, 9. Januar 2007, 15:00 Uhr Inside: Medigene Pharma-Hoffnungen Von S. Hofmann Deutsche Biotechfirmen gehörten in den letzten Jahren nicht unbedingt zu den Akteuren, die der Börse Begeisterungsstürme entlockten. Dass es in diesem Sektor dennoch Fortschritte gab, blieb hinter der meist bescheidenen Kursperfomance mitunter etwas verborgen.
FRANKFURT. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Münchner Medigene: Misst man sie an den überzogenen Erwartungen und Bewertungen des Boomjahrs 2000, ist natürlich auch hier kaum von einer Erfolgsgeschichte die Rede. Die Aktie ist vom Emissionskurs immer noch weit entfernt, und die einstigen Forschungshoffnungen sind längst begraben.
Legt man aber realistischere Szenarien und den zwischenzeitlichen Wandel des Unternehmens zu Grunde, drängt sich ein anderes Urteil auf. Dann nämlich zählen die Münchener zweifellos zu den bislang erfolgreichsten Vertretern der deutschen Biotech-Szene.
Immerhin hat Medigene als bislang einzige Firma der Branche den Wandel vom reinen Forschungs-Unternehmen zum spezialisierten Arzneimittelhersteller fast bewältigt. Den letzten Schritt auf diesem Wege kündigte Firmenchef Peter Heinrich vor wenigen Wochen mit dem Plan an, eine eigene europäische Vertriebslinie für Dermatologie-Produkte aufzubauen. Die nötige Basis dafür hat sich das Unternehmen sowohl mit der Eigenentwicklung Polyphenon, einem Mittel gegen Genitalwarzen, als auch mit dem Erwerb eines weiteren zulassungsreifen Hautmedikaments gesichert.
Nach dem Krebsmittel Eligard, dessen Vertrieb der japanische Partner Astellas übernommen hat, ist Polyphenon bereits das zweite Produkt von Medigene, das eine Zulassung erhalten hat. Beide Wirkstoffe bieten zwar kaum die Aussicht auf Milliardenumsätze und stammen zudem nicht aus der eigenen Forschung, sondern wurden zugekauft. Aber was heißt das schon: Ein Großteil der gesamten Pharmabranche wie auch der jungen Biotechindustrie basiert darauf, dass man die richtigen Produkte und Projekte erkennt, einlizenziert und erfolgreich durch die noch erforderlichen klinischen Prüfungen bringt.
So kann sich die Erfolgsbilanz von Medigene durchaus sehen lassen. Polyphenon gehört zu den lediglich 18 neuen Wirksubstanzen, die 2006 den Segen der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA erhielten. Und einem Unternehmen mit 25 bis 30 Millionen Euro Umsatz bietet die Aussicht auf zwei- bis dreihundert Millionen Umsatz bereits eine solide Basis für den weiteren Ausbau von Geschäft und Forschung. Auch die Pipeline kann sich nach mehreren Zukäufen durchaus sehen lassen. Mit weiteren vier Substanzen in der klinischen Prüfung ist zumindest eine gewisse Streuung der Risiken gewährleistet.
Die Herausforderung für Firmenchef Heinrich besteht nun vor allem darin, die Balance zwischen Expansionsdrang und Finanzierungsmöglichkeiten zu halten. Mit der Übernahme der britischen Firma Avidex, dem damit verbunden Ausbau der Forschung und der Entscheidung zugunsten eines eigenen Vertriebs hat er den Schritt über die Gewinnschwelle ein weiteres Stück in die Zukunft geschoben.
Davon ist der Kapitalmarkt zwar wenig begeistert. Andererseits bieten 50 Millionen Euro in der Kasse und die Aussicht auf wachsende Vertriebs- und Lizenzerlöse vorerst genügend Handlungsspielraum. Medigene hat damit eine realistische Chance, bei der Branchenkonsolidierung weiter mitzuspielen und gleichzeitig den Wandel zum echten Pharmahersteller zu schaffen. Viel mehr kann man von einem deutschen Biotechunternehmen kaum erwarten. |