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Wie glaubwürdig sind die jüngsten Bilanzerfolge der internationalen Großbanken? Schummeln und Tricksen hat Hochkonjunktur - solange es legal bleibt, versteht sich. Besonders kurios sind Milliardengewinne, die manche Institute daraus schöpfen, dass ihre eigene Kreditwürdigkeit sinkt.
Hamburg - In Bankbilanzen können merkwürdige Dinge geschehen. Bei den US-Investmenthäusern Goldman Sachs und Morgan Stanley verschwand der Dezember mitsamt den in jenem Monat verbuchten Milliardenverlusten aus den Jahresabschlüssen - mit der Umfirmierung der beiden Konzerne zu Geschäftsbanken hat sich das Geschäftsjahr verschoben: Das alte endete im November 2008, das neue begann erst im Januar 2009. Allianz und Commerzbank ließen gar den 3,9 Milliarden Euro schweren Verlust der Dresdner Bank aus dem Schlussquartal 2008 unter den Tisch fallen. Die alte Eigentümerin Allianz konsolidierte die Dresdner als Tochtergesellschaft nur bis August in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung, die Commerzbank als neue Mutter erst seit Januar. Noch merkwürdiger aber ist manches in der aktuellen Berichtssaison. Wir lernen: Je schlechter es einer Bank geht, desto besser geht es ihr, und umgekehrt. Der Grund liegt in der Bewertung zu Marktpreisen, deretwegen manche Banken nicht nur Vermögenswerte, sondern auch ihre eigenen Verbindlichkeiten abschreiben.
Wenn eine Pleite der Bank im Markt für wahrscheinlicher gehalten wird, sinken die Kurse ihrer Anleihen und steigen die Ausfallprämien für Kreditversicherungen wie CDS auf die Schulden der Bank. Damit sind die Schulden theoretisch weniger wert, auch wenn die Bank sie - sofern sie nicht tatsächlich pleitegeht - nach wie vor in voller Höhe zurückzahlen muss. Das Ergebnis ist ein positiver Gewinnbeitrag, wenn die Kreditwürdigkeit der Bank abnimmt.
Die Citigroup , als einer der größten Pleitekandidaten der Wall Street angesehen, überraschte so mit einem operativen Gewinn. "Unsere eigenen CDS-Ausfallprämien sind signifikant gewachsen, was netto einen Marktwertgewinn von 2,7 Milliarden Dollar auf unsere Verbindlichkeiten brachte", erklärte der neue Citi-Finanzchef Ned Kelly, der nur zufällig wie der berühmteste australische Straßenräuber des 19. Jahrhunderts heißt.
Doch damit nicht genug: Die Citigroup entschied sich, die Berechnungsmethode für einen großen Teil ihrer Schulden zu ändern. Zusätzlich zu den CDS-Prämien verwendete sie Cash-Spreads, die im ersten Quartal noch stärker gewachsen waren. Das brachte noch einmal 2,5 Milliarden Dollar plus. Dabei spielte die jüngste Lockerung der Bilanzregeln noch nicht einmal eine große Rolle. Die Zahlen derart zu frisieren, war schon vorher erlaubt.
Die größte Enttäuschung der Berichtssaison dagegen war bisher Morgan Stanley. Die Investmentbank litt unter genau dem umgekehrten Effekt. "Morgan Stanley wäre in diesem Quartal profitabel gewesen", teilte die Bank zu ihren roten Zahlen mit, "hätte sich nicht unser Kreditspread dramatisch verbessert".
Auch Bankmanager erkennen, dass dieser Effekt schwer zu vermitteln ist. "Die Theorie ist interessant, aber in der Praxis ist es absurd", schrieb Jamie Dimon, der Chef von J. P. Morgan Chase , jüngst in einem Brief an die Aktionäre. "Im Extremfall würde eine Gesellschaft auf dem Weg zum Bankrott hohe Profite auf ihre ausstehenden Schulden verbuchen, bis sie dann schließlich tatsächlich Insolvenz anmeldet - und dann spielt es keine Rolle mehr."
Diesen Extremfall hat es bereits gegeben. Die Investmentbank Lehman Brothers, der größte Pleitefall in der US-Geschichte, verbuchte noch wenige Tage vor dem Kollaps im September vergangenen Jahres 1,4 Milliarden Dollar Gewinn dank eines Wertverlusts ihrer Verbindlichkeiten. Auch die schon im März 2008 gescheiterten Kollegen von Bear Stearns hatten regen Gebrauch der entsprechenden US-Bilanzregeln FAS 157 und FAS 159 gemacht.
Ähnliche Richtlinien gibt es auch im internationalen Regelwerk IFRS, das vor allem von europäischen Banken benutzt wird. Der Standard IAS 39 ermöglicht eine Bilanzierung von strukturierten Kreditderivaten wie CDS zum Zeitwert - ob auf der Aktiv- oder der Passivseite der Bilanz. Vor allem britische Banken wie Barclays oder HSBC verbuchten im vergangenen Jahr Milliardenerlöse aus dem Wertverlust eigener Schulden.................................... ----------- "An der Börse sind 2 + 2 nicht 4, sondern 5 - 1 !" "An der Börse kann man 1.000 % Gewinn erzielen, aber nur 100% Verlust!" |