Herzog-Kommission Die Union streitet lauthals über Reformpläne 05. Oktober 2003 Nachdem sich die CDU-Vorsitzende Merkel auf die zentralen Reformvorschläge der Herzog-Kommission festgelegt hat, haben CDU und CSU am Wochenende vergeblich um eine einheitliche Linie gerungen. Der CSU-Vorsitzende Stoiber, der einen der wichtigsten Kommissionsvorschläge, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 67 Jahre, seit langem ablehnt, vermied am Wochenende auf Anfrage jede Reaktion auf Merkels Festlegung. Sein Stellvertreter Seehofer dagegen sagte der "Berliner Zeitung", selten habe ihn etwas "so schockiert wie diese Vorschläge". Vor allem die von Merkel unterstützten alterseinheitlichen Kopfpauschalen in der Krankenversicherung, aber auch das Rentenmodell Herzogs seien Kennzeichen eines "neoliberalen Kurses", den er ablehne.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in der Unionsfraktion, Glos, sagte dieser Zeitung, die Vorschläge der Herzog-Kommission müßten "sorgfältig geprüft werden". Es sei falsch, sie "in Bausch und Bogen" abzulehnen. In der Umgebung Stoibers zeigte man sich wenig glücklich über die von Merkel unterstützte Idee einer neuerlichen Gesundheitsreform mit dem Ziel von alterseinheitlichen Kopfpauschalen. Der eben erst beschlossene Konsens mit der SPD zur Gesundheitsreform solle die Chance haben, sich zu bewähren. Ansonsten solle die Union nicht den Fehler Bundeskanzler Schröders wiederholen, der ständig neue Reformvorschläge mache, ohne seine Partei und die Bevölkerung davon überzeugen zu können. Zur Rente hieß es, Stoiber halte "von einer Erhöhung des Rentenalters auf 67 derzeit nichts". Die Union solle lieber darauf setzen, die jetzige Lebensarbeitszeit besser auszuschöpfen.
Kein Gefühl für Gerechtigkeit
In der CDU warf der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe, Arentz, Merkel vor, sie habe kein Gefühl für Gerechtigkeit. In ihrer Reformrede vom Mittwoch habe sie die "Freiheit" so sehr betont, daß der "Dreiklang von Freiheit, Gleichheit und Solidarität" verlorengehe, sagte Arentz dieser Zeitung. Auch der hessische Ministerpräsident Koch kritisierte die Konzepte der Parteivorsitzenden. Der "Welt am Sonntag" sagte er, er lehne Einheitsbeiträge in der Krankenversicherung ab. Das Gesundheitssystem müsse den Patienten Wahlmöglichkeiten geben.
In der SPD ging der Streit um die Reformen der Sozialsysteme ebenfalls weiter. Der Bundestagsabgeordnete Schreiner sagte der "Bild am Sonntag", wenn die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Agenda 2010 "nicht nennenswert nachgebessert" würden, könne er "nicht zustimmen". Der saarländische SPD-Landesvorsitzende Maas nannte Schröders Reformpolitik "ungerecht", und der Juso-Vorsitzende Annen forderte die SPD-Führung zu einer grundsätzlichen Kurskorrektur auf.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung |