Marktausblick: Strategen beerdigen Hoffnung auf Rally Aktienexperten machen Anlegern wenig Mut. Vielmehr dürfte es in der kommenden Woche eine Seitwärtsbewegung an den Aktienmärkten geben. In Europa richtet sich der Blick auf Zahlen aus der kriselnden Autobranche.
"Gut möglich, dass wir das Tief im Dax schon gesehen haben. Wir sollten aber nicht auf eine schnelle Erholungsrally hoffen, sondern müssen uns eher auf eine Seitwärtsbewegung einstellen", sagte Peter Lemmer, Aktienchef beim Vermögensverwalter Rheinische Portfolio Management. "Das Klima am Aktienmarkt dürfte bis auf weiteres von hoher Verunsicherung und entsprechender Volatilität geprägt bleiben", ergänzte LBBW-Analyst Michael Köhler. "Im Moment ist die Börse ein Zockermarkt", sagte Uwe Zimmer, Vorstandschef der Kölner Vermögensverwaltung Meridio. Auch an den Devisen- und Rentenmärkten rechnen Beobachter mit weiterhin extremen Kursschwankungen. Grund dafür ist die Unsicherheit darüber, ob die bislang von der Politik beschlossenen Maßnahmen ausreichen werden, um die Finanzkrise einzudämmen und die Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu mildern.
"US-Rezession ist in den Köpfen angelangt" Nach den massiven Verlusten der Vorwoche beendeten die meisten Aktienindizes die vergangene Woche im Plus. An der Wall Street gewann der S&P 500 4,6 Prozent, der Nasdaq Composite 3,8 Prozent. Der europäische Stoxx 50 legte 4,6 Prozent zu. Der Dax ging 5,2 Prozent fester aus der Woche bei 4781 Punkten. In Japan gaben die Kurse nach, der Nikkei 225 verlor 5,1 Prozent. Am Freitag wurde einmal mehr offenbar, wie ernst es um die Konjunktur in den USA steht. Die Zahl der Wohnbaubeginne fiel auf den niedrigsten Stand seit 1991, während die Baugenehmigungen auf den schwächsten Wert seit 1981 sanken. Das Verbrauchervertrauen brach so stark ein wie nie zuvor. "Genau genommen befinden wir uns noch nicht in einer Rezession, denn wir konnten noch kein Negativwachstum für das Bruttoinlandsprodukt für zwei aufeinanderfolgende Quartale verzeichnen. Aber die Rezession ist in den Köpfen angelangt", sagte Finanzprofessor Jay Dahya vom Baruch College. "Weihnachten wird trist werden. Ich sehe leere Einkaufszentren und Schlangen bei McDonalds", ergänzte Beth Bovino, Volkswirtin bei Standard & Poor's. Peter Boockvar, Marktexperte des US-Brokers Miller Tabak, glaubt trotzdem nicht, dass es ein neues Konjunkturpaket in den USA geben wird.
Berichtssaison im Fokus Aus Mangel an makroökonomischen Daten dürfte in den kommenden Tagen die Berichtssaison die meiste Beachtung finden, vermutet LBBW-Analyst Köhler. Rund 130 Unternehmen aus dem S&P 500 legen Zahlen vor. In Europa stehen unter anderem Quartalsberichte aus der kriselnden Autobranche an. Am Donnerstag lassen sich Daimler , Renault und Fiat in die Bücher blicken, am Freitag folgen Peugeot , Scania und Volvo. "Obwohl wir keine schwere Rezession erwarten, ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Kurse schnell wieder erholen", schreiben die Analysten der DZ Bank in ihrem Wochenausblick. Auch die Landesbank Berlin mag für den Dax keine Entwarnung geben: "Vielmehr schätzen wir das Risiko neuer Jahrestiefsstände höher ein als die Chance für eine Bodenbildung auf dem aktuellen Niveau." Die Experten der WGZ Bank haben berechnet, welche Gewinne die Dax-Unternehmen in "normalen" Zeiten erwirtschaften und haben daraus einen fairen Indexstand von rund 5600 Punkten ermittelt - ein Aufschlag von 17 Prozent zum aktuellen Niveau. Voraussichtlich werde der Dax in den kommenden Wochen durch Zwangsverkäufe von Hedge-Fonds und anderen Großanlegern aber nochmals unter Druck geraten. Etwas optimistischer gaben sich die Strategen an der Wall Street. "Ich bin davon überzeugt, dass der Markt am Freitag vor einer Woche seinen Tiefststand erreicht hatte", sagte Miller-Tabak-Experte Boockvar. "Ich bezweifle, dass der Dow auf 6000 Punkte abrutscht, wie einige befürchten", sagte S&P-Aktienstratege Sam Stovall. "Ein Anzeichen dafür, dass wir unten angekommen sind, ist die sehr hohe Volatilität."
Bei Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit spricht für weitere Kursgewinne, dass die USA vielen Beobachtern zufolge bereits mitten in der Rezession stecken. Die Strategen von HSBC Trinkaus & Burkhardt erhoffen sich gleich zum Wochenauftakt von US-Notenbank-Chef Ben Bernanke Aussagen darüber, welche weiteren Schritte die Fed zur Stabilisierung der Märkte plant. Ihre Kollegen bei der HSH Nordbank rechnen mit einer baldigen weiteren Senkung der US-Leitzinsen, "was die Renditen am kurzen Ende nach unten treiben sollte". Die Erwartung, dass der US-Leitzins um weitere 50 Basispunkte sinkt, liegt derzeit bei rund 50 Prozent. Das prognostizieren auch die Volkswirte von Goldman Sachs , die mit anhaltend sehr schwachen Wirtschaftsdaten aus den USA rechnen.
Die HSH-Experten vermuten, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinssenkungspolitik fortsetzen wird. Die Strategen der LBBW sagen in ihrem Wochenausblick weitere Zinssenkungen der EZB "im Umfang von circa 100 Basispunkten" voraus. Auch sie erwarten in den kommenden Tagen wieder mehr Rückenwind für die Rentenmärkte. Der US-Dollar litt zuletzt nicht unter den trüben Wachstumsaussichten und konnte stattdessen sogar zum Euro Boden gutmachen. Die Experten der LBBW machen dafür für vor allem die Mittelrückflüsse aus den Schwellenländern und die Risikoscheu der Investoren verantwortlich. Sie rechnen aber nicht damit, dass der Euro noch weiter signifikant zur US-Währung verliert.
Erholung auf Rohstoffmärkten erwartet Die Wachstumssorgen beuteln auch die Rohstoffmärkte. Die Furcht vor einem Einbruch der Nachfrage ließ allein den Ölpreis zeitweise 10 Prozent auf unter 70 $ einbrechen. Gold verliert angesichts sinkender Inflationserwartungen ebenfalls an Glanz, das Minus binnen einer Woche summiert sich auf rund 7 Prozent. Dennoch erwarten Rohstoffexperten zumindest mittelfristig eine Erholung. "Die OPEC wird auf der eilig einberufenen Konferenz am 24. Oktober die Förderung drosseln", erwartet Frank Schallenberger von der LBBW. Auch bei den Metallen seien Förderkürzungen programmiert, da die Produktionskosten für hohe Verluste bei den Minenunternehmen sorgten. "Sobald sich die Verkaufspanik an den Märkten legt und der Fokus sich wieder auf die Fundamentaldaten richtet, dürften die meisten Rohstoffpreise wieder deutlich anziehen."
Von Von Bernd Mikosch, Doris Grass (Frankfurt) und Lia Petridis (New York) Quelle: Financial Times Deutschland ----------- LG Pantani |