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Hier der Wortlaut:
"Die Wende braucht mehr Energie" von Michael Stifter
Mit der Energiewende hat Angela Merkel eine Revolution ausgerufen. Raus aus der Atomkraft und rein ins grüne Stromzeitalter. Gut für die Sicherheit. Gut fürs Gewissen. Worum sich die Kanzlerin nicht gekümmert hat: Eine Revolution braucht Revolutionäre. Und die sucht man, zumindest in den Reihen der Bundesregierung, vergeblich. Bis heute ist ja noch nicht einmal geklärt, wer für das historische Projekt überhaupt zuständig ist. Damit die Energienwende nicht verschleppt und im politischen KleinKlein zerrieben wird, müssen die Kompetenzen aber dringend gebündelt werden. Deutschland braucht ein Energieministerium. Um zu verstehen, warum die Revolution nur ein Jahr nach Fukushima schon wieder erlahmt ist, muß man sich nur das Gezerre um die teure Förderung von Solarstrom anschauen. Zwei Regierungsmitglieder streiten monatelang über den richtigen Kurs. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) will die staatliche Unterstützung beim Ausbau der Sonnenenergie möglichst langsam reduzieren, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kann es nicht schnell genug gehen. Wie so oft, wenn es um die Energiewende geht, erheben beide den Anspruch auf die Kapitänsbinde. Und solange Teamchefin Angela Merkel dazu schweigt, arbeiten sie eben nebeneinander her - manchmal auch gegeneinander. Röttgen und Rösler sind sich nicht grün, selbst auf gemeinsame Ziele können sie sich kaum einigen. Dem Umweltminister geht es naturgemäß um Klimaschutz, während seinem Gegenüber im Wirtschaftsressort eine bezahlbare und stabile Stromversorgung wichtiger ist. Und während sich die beiden Herren beharken, muß die Energieende warten. Vor allem der dringend notwendige Ausbau des Stromnetzes kommt kaum voran. Innerhalb von 10 Jahren müssen 4000 km neue Leitungen erreichtet werden, sagen Experten. Nur ein Bruchteil davon ist bislang fertig. Wenn der grüne Strom, der in Windparks vor der Küste im Norden erzeugt wird, aber nicht in die Industriezentren im Süden oder Westen transportiert werden kann, wird die Energiewende scheitern. Bislang müssen große Mangen an Windstrom notdürftig über Polen und Tschechien nach Süddeutschland umgeleitet werden - was bei den europäischen Nachbarn nicht gerade Begeisterung auslöst. Und potentielle Investoren für neue Windkraftanlagen halt sich lieber zurück, solange sie nicht wissen, ob das Netz den künftig produzierten Strom überhaupt aufnehmen kann. Sie pochen zu recht auf verlässliche Rahmenbedingungen. Genauso wie Industriekonzerne, die auf eine sichere Stromversorgung angewiesen sind. Doch mit Verbindlichkeit kann die Bundesregierung nicht dienen. Das zeigt sich im ständigen Hin und Her bei der Solarförderung genauso wie im zögerlichen Ausbau der Netze, der freilich auch dem Widerstand von Kommunalpolitikern und Bürgerinitiativen geschuldet ist. Der Atomausstieg ist neben der europäischen Schuldenkrise die größte Herausforderung für diese Regierung. Doch während die Kanzlerin die Euro-Rettung längst zur Chefsache gemacht hat, läuft die Energiepolitik allenfalls nebenher. Das Ziel, schon in 10 Jahren ohne Atomstrom auszukommen, ist ehrgeizig. Der Ehrgeiz, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, war zuletzt aber kaum noch erkennbar. Das politische Durcheinander und das Ringen um Zuständigkeiten werden der Bedeutung dieses Jahrhundertprojektes nicht gerecht. Wenn Angela Merkel schon nicht selbst die "Revolutionsführerin" geben will, dann muß sie diese Rolle eben delegieren. An einen Energieminister.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!
VG PA |