Wal-Mart greift Discounter an Preisschlacht im Einzelhandel erwartet Nach der Ankündigung massiver Preissenkungen durch den US-Einzelhandelskonzern Wal-Mart haben Experten vor den Folgen einer neuen „Preisschlacht“ in der Branche gewarnt. Wal-Mart eröffnet neue Preiskampf-Runde HB BERLIN. Gute und sichere Lebensmittel müssten einen angemessenen Preis haben, sagten Vertreter des Bauernverbandes sowie des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) der „Berliner Zeitung“. Nun bestehe die Gefahr, dass andere Handelsketten auf den Vorstoß Wal-Marts reagierten und ihre Preise kräftig nach unten schraubten.
Der US-Handelskonzern Wal-Mart hatte am Montag drastische Preissenkungen angekündigt. Danach sollen in den deutschen Filialen die Preise von über 1 000 Artikeln teilweise um mehr als ein Fünftel gesenkt werden. Der US-Konzern, der in Deutschland 89 große Supermärkte betreibt, wolle durch die Aktion Discounter wie Aldi oder Lidl attackieren, schreibt das Blatt.
Die Landwirte seien bereits maßlos verärgert über das Vorgehen großer Handelsketten, sagt der Generalsekretär des deutschen Bauernverbandes, Helmut Born. „Wir sind nicht bereit, qualitativ hochwertige Ware zu verschleudern." Wer „Geiz-ist-geil- Methoden“ durchsetzen wolle, riskiere eine Landwirtschaft, die an den Grenzen dessen produziere, was der Natur zuzumuten sei. Die VZBV erinnerten daran, dass Lebensmittel in Deutschland bereits so günstig seien wie nirgendwo sonst in Europa seien. Der fortwährende Preisdruck kann zu neuen Lebensmittelskandalen führen, warnte VZBV-Sprecher Christian Fronczak. Die geringeren Kosten müssten auf die Zulieferer umgewälzt werden. Somit bestehe die Gefahr, dass bei Lebensmitteln an Qualität und Sicherheit gespart werde.
Dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL) zufolge hat Wal-Mart anhaltend Schwierigkeiten, da das Unternehmen sich "unzureichend" über den deutschen Markt informiert hatte, bevor es 1997 Wertkauf und 1998 Interspar schluckte. Ein Hemmnis ist dabei vor allem die Popularität der Discounter. In Deutschland haben Billiganbieter einen Marktanteil von etwa 30 Prozent, in Großbritannien beispielsweise nur einen von vier Prozent. Zudem hat das deutschlandweite Anwachsen von Verkaufsflächen die Produktivität pro Quadratmeter in der Branche deutlich schrumpfen lassen.
Nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Tchibo Holding, Dieter Ammer, müssen die deutschen Einzelhändler ausgetretene Pfade verlassen, um mehr Wachstum zu generieren. Die Händler müssten in Bewegung bleiben, Neues ausprobieren und sich nicht mehr nur mit sich selbst beschäftigen, sagte er. Der Blick zum Konsumenten und zu dessen Wünschen sei verloren gegangen. Die ausschließliche Konzentration auf Preissenkungen und das Jammern würde nicht weiterhelfen.
Wenn sich der deutsche Einzelhandel künftig mehr mit den Konsumenten und den Marken beschäftige, werde er laut Ammer positive Veränderungen erreichen. Als negatives Beispiel nannte der Vorstand die traditionelle Werbung, wie Beilagen in Zeitschriften. Diese seien nicht mehr das geeignete Mittel, um Emotionen bei den Kunden hervorzurufen. Und da Emotionen beim Kauf entscheidend seien, dürfte diese Komponente bei der Gestaltung des Angebots nicht vernachlässigt werden.
Der Vorstand sieht zudem Möglichkeiten bei der Erhöhung von Preisen. Nicht das Absenken sei das Heilmittel. Der Preis sei nicht der einzige Grund für eine Kaufentscheidung, auch wenn derzeit der Trend zum Sparen sehr extrem sei. „Wir müssen uns den Wandel, den Zeitgeist zum Freund machen“, sagte Ammer. Beispielsweise kümmere sich der deutsche Einzelhandel viel zu wenig um die Bedürfnisse der türkischen Konsumenten. Hier liege großes Potenzial, sagte der Tchibo-Vorstandsvorsitzende.
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels rechnet damit, dass auch dieses Jahr für die Branche schwierig wird. Dennoch sieht der Verband auch Anzeichen für Optimismus. Daher hält der BVL für 2005 sogar ein Jahresergebnis im Lebensmittelhandel für möglich, das wieder leicht positiv ausfallen kann.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 20. April 2005, 10:34 Uhr |