Wie angekündigt ein paar Gedanken zu der Frage, ob es Parallelen zwischen Dialog Semi (Main PMIC Design Out) und Wirecard gegeben hat. Im Prinzip zwei völlig unterschiedliche Themenkomplexe, aber in Sachen Anlegerverhalten in meinen Augen in einigen Punkten gut zu vergleichen.
In beiden Fällen:
- Wurden sämtliche klaren Warnhinweise von den Foristi nicht ernst genommen, man wollte das einfach nicht wahrhaben. Da sucht Apple zig PMIC Designer in deren Stellenportal und bei WDI gab es eine Riesen-Präsentation von KMPG was alles falsch läuft und nicht geprüft werden konnte. Der Kurs fällt 60 Euro nach dem KPMG-Bericht, aber die Interpretation des Forums war "KPMG hat sämtliche Vorwürfe entkräftet".
- Gab es warnende Analysten, die nicht erstgenommen und beschimpft wurden während die verbliebenen positiven Einschätzungen (Baader zB) immer und immer wieder zitiert wurden
- Sowohl bei Dialog als auch bei WDI gab es Argumente in beide Richtungen, zB bei Dialog konnte man sagen, dass es keinen Grund für Apple gäbe, ein 2,50 USD Chip selber zu konzipieren, dass es diese Gerüchte schon immer gegeben hat, etc.
- Wurde jede kritische Stimme aus der Presse niedergemacht (bei Dialog damals Nikkei + dt. Presse, bei WDI hauptsächlich FT, HB, WiWo)
- Wurden Short Positionen (bei Dialog damals nicht soo stark ausgeprägt) nicht etwa als Warnhinweis gesehen, sondern als Manipulation per se
- Wurde jede Art von kritischen Kommentaren in den Foren in keinster Weise erst genommen bzw. die Leute als "bezahlte Basher" verunglimpft und teilweise stark beleidigt (ist mir selber dutzende male passiert, sowohl im Forum als auch per Boardmail)
Zumindest in dem Verhalten der Anleger sehe ich deshalb eine Menge Parallelen. Dass ich in beiden Fällen investiert war, spricht nicht unbedingt für mich. Zumindest war mir bei Dialog nach dem Nikkei Artikel sofort klar, dass der Design Out kommt und das ist am Ende noch ein tolles Investment geworden. Bei WDI wird es das nicht geben.
Aber - vllt schreibe ich das Folgende jetzt nur um mich selber auch gedanklich rein zu waschen - neben den klaren Vorwürfen/Risiken/Anschuldigungen gab es auch eine Menge Gründe in der Wirecard Aktie investiert zu sein (auch damals bei Dialog):
Es gab testierte Jahresabschlüsse in den letzten 10 Jahren, die meisten sell-side Analysten waren (sehr) positiv gestimmt, der CEO hat nicht verkauft sondern sogar zugekauft, der CEO hielt 7% der Aktien, für jeden Vorwurf gab es eine halbwegs vernünftige Erklärung dazu, in der Vergangenheit haben alle Vorwürfe nur zu temporären Kursrückgängen geführt, das Geschäftsmodell scheint corona-sicher zu sein, es handelte sich um einen DAX-Wert und vor allem: rein auf den Fundamentaldaten basierend hätte die Aktie locker doppelt so hoch stehen müssen/können.
Grundsätzlich kann man daher den Investierten keinen Vorwurf machen, dass sie WDI Aktien gekauft haben (was soll ich auch sonst schreiben?). Die Leute haben ja auch nicht blind gekauft, sondern viel Zeit in das Research, etc. gesteckt. Aber bei den Dutzenden/Hunderten an Vorwürfen hätte man sein Risiko-Management anpassen und die Position sehr klein halten müssen. Ich habe versucht, diesen Aspekt so gut es geht in die Diskussionen mit einzubringen, aber ich befürchte, ich war da nicht sehr erfolgreich. Wie geschrieben, mit wenigen vernünftigen Rückmeldungen wie von Kosto waren das größtenteils Beleidigungen, die da zurückkamen.
Auch ich habe wiederum an diesem Fall gelernt und zwar, dass ich mich - wie bei Dialog - wieder mehr auf meine fundamentalen Fähigkeiten verlassen sollte bevor ich mich auf Glaubensfragen einlasse. Zudem will ich mich von schwarz-weiß-Situationen noch mehr fernhalten. Dazu gehört dann aber auch eine AMS - wenn das Face-ID Design Out Risiko bei 20-30% liegen sollte, muss/will ich solche Events nicht mehr mitnehmen, auch wenn es ordentliches Upside gibt.
Solche Geschichten nehmen einem wirklich den Spaß an der Börse wenn 10 Jahre EY testierte Geschäftsberichte eines DAX-Unternehmens genauso viel Sicherheit bieten wie die Klatsch-Kolumnen in der Intouch/OK. Mein größter Ärger gilt daher EY und nicht WDI. Der Betrüger betrügt, aber EY ist derjenige, der uns helfen soll, solche Betrügereien frühzeitig auffliegen zu lassen. Wie die die 2016/17/18er Berichte testieren konnten, ist völlig unfassbar. Dennoch gilt: für meine Verluste ist nur eine einzige Person verantwortlich: ich selber.
Bin übrigens auch wieder raus...diese "vllt-finden-die-die-1,9Mrd-im-Sparstrumpf-über-das-Wochenende-"Option hat drei Euro gekostet - ich sehe es als Spende für Brexit-gebeutelte UK Unternehmen :-) |