So ich es sehe, sind wir überein gekommen, dass die finanzwirtschaftliche Lage vor gut einem Jahr extrem düster und ein Bankrun im Bereich des Möglichen lag. Selbst ich habe damals in einem Anfall von Nervosität einen Tausender aus dem Automaten geholt und den im alten Dierecke Schulatlas verwahrt.
Das ist eine Situation wie wir sie aus alten Western kennen, wenn die Rinderherde kurz vorm Durchgehen ist, oder wenn eine Lawinen droht abzugehen nach enormen Mengen an Neuschnee.
Jedoch dann mit dem Megafon rumzulaufen und zu verkünden, dass ein Bankrun demnächst bevorsteht, erzählen, dass in einer Großstadt eine größere Menge an Polizei sich im Hintergrund bereithalten würde, grenzt an eine (wirtschaftliche) Brandstiftung, für die ich kein Verständnis habe. Es sind nicht wir hier und da die echte Welt, wir sind Teil des ganzen Systems. Vielleicht verstehen das gewisse Leute nicht, aber da kann ich auch nichts helfen.
Der nächste fundamentale Kritikpunkt, den ich vielen entgegen halte, ist das ständige nach hinten schauen: Wer dran schuld ist an der Krise, dass alle „Bängster“ ins Gefängnis oder Schlimmeres gehören. Ich weiß, dass Bilder verschleiern (können), aber manchmal machen sie die Situation klarer. Und wer könnte das besser bestätigen, als der geschätzte Marlboro, der sich den Arm gebrochen hat. Nach dem Unfall ist es fast unerheblich, was dazu geführt hat, sondern er braucht fix ein Schmerzmittel, einen guten Arzt, eine gehörige Ladung Gips und dann Ruhe. Und dann kann er analysieren, wie es zu dem Unfall gekommen ist und was er machen kann, dass er sich so nicht mehr wiederholt. Aber schneller heilt der Arm dadurch definitiv nicht…
Und der Schnee braucht Ruhe, bis er sich setzt, bis er Halt findet, sich stabilisiert.
Natürlich werden alle Besserwisser jetzt kommen und sagen, dass das das notwendige Opium (oder Sand) für das Volk wäre, diese Ruhe, während ihnen die Banker dieser Welt das Konto plündern und die Brunnen vergiften… Erinnert mit an Peter Scholl-Latour, der grantelnd immer wieder in Talkshows sitzt und dann sagt, dass die Situation in A oder P vollkommen au dem Ruder gelaufen ist und ohnehin nicht mehr zu retten ist. Und dann sagt einer ja aber man muss nach vorne sehen. Nein grummelt der alte, böse Mann, es gebe keine Hoffnung. „Fuck it!“ rufe ich da, genau den Kopf in den Sand zu strecken ist keine Option!
Und dann lese ich im Flugzeug sitzend, wie der Messner Reinhold den größten Irrsinn erzählt, bzw. dass er überhaupt zur Finanzkrise befragt wird. Und der faselt was von einem Selbstversorgerhof in den Bergen. Da frage ich mich, wie bescheuert, ist das denn? Diese Antwort oder alleine die Idee, diesen Yetifinder dazu zu befragen. Und irgendwo in ARIVA habe ich sogar gesehen, dass diese bescheuerte Meinung ernsthaft diskutiert würde.
Das ist so, als würde ich André Kostolany befragen, welche Route ich auf den K2 nehmen sollte. Nur glaube ich, dass Kostolany mich schief angekuckt hätte und gelacht hätte, dass er dazu der wohl inkompetenteste Ratgeber wäre… Den Kopf nicht in den Sand, sondern in die alpenländische Einöde stecken, während in der Ebene sich die Leute gegenseitig totschlagen. Was für ein komischer Mensch muss man sein, wenn man sich an solch einem Bild ergötzt? Dieser latente, gruselige und wohlige Wunsch nach einem Systemwechsel taucht dann wieder auf: Diesmal ist alles anderes, diesmal muss sich was ändern, diesmal ist es keine temporäre Sache.
Man muss nur Smith und Ricardo lesen und noch wichtiger verstehen, dann erkennt man, dass dieser Wunsch nach Systemwechsel albern und kindisch ist. Wir brauchen mehr Handel, statt weniger Handel, mehr Austausch, statt weniger.
Wer bspw. bei ATAC für das Rückfahren der Globalisierung eintritt, zieht direkt den kleinsten Leuten auf diesem Globus die Hoffnung unterm Hintern weg. Klar kann ein Gutmensch jetzt kommen: Das Trinkgeld, was ich dem Zimmerputzmann gegeben habe, entspricht genau zwei Proseccos, welche meine Freundin und ich vor der Latidude-Bar im Sonnenuntergang getrunken haben. Aber es bedeutet andererseits 25% auf seinen Monatslohn… Und dann zeigt er mir in einem sehr ruhigen Moment sein Telefon mit dem Bild seiner Tochter – das würde er abends anschauen, wenn er im Bett liegt und sie einige Wochen nicht sieht und er würde jeden Geldbetrag beiseite legen, weil er sie auf einer sehr guten Schule angemeldet hätte.
Wer will diesem stillen und ruhigen Mann erklären, dass keine Touristen mehr kommen, dass er seinen Job verliert und seine kleine Tochter nicht mehr auf die gute Schule gehen kann? |