Karstadt : Görg lobt Karstadt-Retter Berggruen – und sich
* Trackback-URL
Wirtschaft und Finanzen, 01.10.2010, Ulf Meinke, Thomas Wels Der Insolvenzverwalter von Karstadt, Klaus Hubert Görg, sieht gute Perspektiven für die Warenhauskette. Foto: Jakob Studnar
Der Insolvenzverwalter von Karstadt, Klaus Hubert Görg, sieht gute Perspektiven für die Warenhauskette. Foto: Jakob Studnar
Essen. „Es ist ein Riesenerfolg, wenn man ein totgesagtes Unternehmen retten kann“: Karstadt-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg zeigt sich im Interview mit der WAZ-Gruppe stolz über den Verkauf und nimmt Stellung zu seiner 25-Millionen-Euro-Vergütung.
Turbulente Tage und Wochen liegen hinter Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Seit dem 9. Juni 2009 war er der Chef im Hause Karstadt. Nun zieht sich der 69-Jährige zurück. Der neue Eigentümer Nicolas Berggruen hat ab sofort das Sagen. Er soll die Essener Warenhauskette mit ihren 25.000 Mitarbeitern in die Zukunft führen. Und Görg zieht in einem seiner seltenen Interviews eine persönliche Bilanz.
Herr Görg, Sie waren an den Insolvenzverfahren Babcock Borsig, Kirch Media, AgfaPhoto und zwischenzeitlich auch bei Philipp Holzmann beteiligt. Ist Arcandor Ihr schwierigster Fall gewesen?
Klaus Hubert Görg: Uneingeschränkt ja. Schauen Sie sich alleine das Volumen an, um das es geht. Wir reden im Fall Arcandor von 42 Gesellschaften, für die ich Verantwortung trage. Ohne mein Team wäre das schon physisch nicht zu bewältigen. In den meisten Verfahren, die ich vorher erlebt habe, konnte ich mich noch um die meisten Details kümmern. Hier geht das nicht mehr, was auch kein sehr angenehmes Gefühl ist. Aber es ist eben so. Man muss es so nehmen, wie es kommt.
Lassen Sie uns Bilanz ziehen. In welchem Zustand übergeben Sie Karstadt an den neuen Eigentümer Nicolas Berggruen?
Görg: Es ist ein Riesenerfolg, wenn ein Insolvenzverwalter ein totgesagtes Unternehmen über Wasser halten kann und einen Käufer für das Unternehmen findet. Im Moment laufen die Geschäfte besser, als wir es geplant hatten. Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten 3,3 Milliarden Euro umgesetzt. Und die Gewinnmargen sind in unserer Verantwortung gestiegen. Wir haben also eine Menge getan. Und für alle Beteiligten ist es ein ungeheurer Vorteil, wenn die Geschäfte fortgeführt werden können, weil frisches Geld und neue Ideen kommen.
Welche Chancen geben Sie Karstadt in der Zukunft?
Görg: Ich glaube, dass Karstadt – vernünftig betrieben – eine sehr klare Existenzberechtigung hat. Wir sehen, dass wieder mehr Menschen in der Stadt einkaufen wollen. Das Alsterhaus in Hamburg, das KaDeWe in Berlin und das Münchner Oberpollinger sind sicherlich schon jetzt auf dem Stand der Zeit. Und die anderen Häuser von Karstadt haben auch ein gutes Potenzial.
Warum soll Nicolas Berggruen gelingen, was vielen anderen Eigentümern vor ihm nicht gelungen ist?
Görg: Ich verspreche mir Schwung von Berggruen. Er ist ein Strahlemann, der Leute für sich gewinnen kann. Ich glaube, er ist in der Lage, Karstadt gut zu führen. Viele seiner Vorgänger haben sich ja nicht wirklich mit Karstadt beschäftigt. Sie haben Unternehmen gekauft und verkauft, aber nach meinem Eindruck gab es keine richtige Kaufhaus-Mannschaft. Es sind auch Investitionsmittel nicht so in die Warenhäuser geflossen, wie es hätte sein müssen. Zum Teil sind sie sogar regelrecht fehlgeleitet worden.
Sie sprechen von Ex-Konzernchef Middelhoff. Welche Fehler hat das Management gemacht?
Görg: Es war keine Substanz mehr vorhanden. Hier wurde, wie ich das früher einmal gesagt habe, der Staub aus den Ecken gekehrt. Bei Karstadt haben wir kaum mehr angefunden als einen Warenbestand, der teilweise nicht einmal bezahlt war. Es gab jede Menge Geschäftsbeziehungen und Kundenrenommee, aber nichts Handfestes.
Sie haben Schadenersatzklagen gegen einige Manager angekündigt. Wie ist der Stand der Dinge?
Görg: Es gibt eine neuerliche Welle, die wir lostreten mussten, leider. Die Geschäftsführer von konzernabhängigen Tochtergesellschaften haben ihre gesetzlichen Pflichten nicht vollständig erfüllt. Jeden Abend ist Geld von der Konzernzentrale abgezogen worden und deshalb haben diese Geschäftsführer nie freie Verfügung über ihr Stammkapital gehabt, doch das muss ein Geschäftsführer haben. Dafür haftet er auch persönlich. Hinzu kommen Verlustausgleichsverträge. Defizitäre Tochtergesellschaften haben einen Anspruch, dass die Konzernmutter den Verlust einmal jährlich ausgleicht. Das ist auch nicht passiert. Das ist in die Bilanz geschrieben worden und Geld ist in die große Kasse gekommen und weg war es.
Um wie viele Manager geht es?
Görg: Um eine ganze Reihe. In vielen Fällen bekommt man ein regelrecht schlechtes Gewissen, wenn man diesen Menschen an die Jacke fassen muss. Sie waren meist nicht mehr als Abteilungsleiter, die dann befördert wurden. Aber die Rechtsprechung ist da ziemlich eindeutig. Wir werden das in ein paar Musterprozessen zu klären versuchen. Der Insolvenzverwalter muss so handeln, denn er haftet den Gläubigern dafür, dass er naheliegende Rechtsansprüche auch verfolgt. |