Endlich hat mal jemand den Artikel veröffentlicht:
WCM / " ich bin ganz linear im denken"
Multi-Aufsichtsrat Dieter Vogel über die Sanierungsarbeit bei WCM und Mobilcom. Herr Vogel, nachdem Sie Mobilcom gerettet haben, räumen Sie jetzt bei WCM auf. Planen Sie eine neue Karriere als Sanierungs-Aufsichtsrat? Nein, das ist eher Zufall, denn zu beiden Unternehmen habe ich lange Verbindungen und fühlte mich deshalb in der Pflicht. Bei Mobilcom sitze ich schon seit meiner Thyssen-Zeit im Aufsichtsrat. Als der Konflikt dort eskalierte, habe ich zunächst die Verhandlungsführung mit France Télécom und dann den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Aber bei WCM saßen Sie nicht im Aufsichtrat. Richtig, dort haben die Banken mich gebeten, das Mandat zu übernehmen. Damit war auch Großaktionär Karl Ehlerding einverstanden. Wir kennen uns schon lange. Woher? Als ich Mitte der Siebzigerjahre Chef beim Teppichhersteller Pegulan wurde, besuchte mich Herr Ehlerding, der damals Miteigentümer der Bremer Jute war. Sein Unternehmen belieferte Pegulan. Wir hatten dort große Außenstände. Herr Ehlerding wollte damals von mir wissen, wie Pegulan die Schulden begleichen wollte. Wir einigten uns darauf, dass die Bremer Jute zu Rabattkonditionen Teppich-Grundgewebe gegen Teppichboden von Pegulan liefern würde. Das war für beide Seiten ein gutes Geschäft. Bremer Jute erhielt günstige Ware für ihre Verkaufshallen, und wir wurden unsere Schulden los. Jahre später traf ich Herrn Ehlerding wieder. Da erzählte er mir, er sei damals von unserem Gespräch so beeindruckt gewesen, dass er für mehrere Millionen Mark Pegulan-Aktien gekauft habe. Daraus sei der Grundstock seines Vermögens geworden. Und jetzt zerstören Sie den Rest seines Vermögens, weil Sie IVG-Aktien, die der insolventen WCM-Tochter Sirius gehörten, ohne Versteigerung an die Banken verkauft haben. Moment mal - nicht WCM hat die IVG-Aktien verkauft. Der Verkauf wurde vom Insolvenzverwalter der Sirius durchgeführt, die Eigentümer der IVG-Aktien war. An der Sirius hält WCM 45 Prozent. Ich denke, dass für die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse vom Insolvenzverwalter mit 9,40 Euro pro IVG-Aktie ein ordentlicher Preis erzielt wurde. Die Summe aller Immobilienwerte, also der Net Asset Value, wird auf mindestens 13 Euro pro IVG-Aktie geschätzt. Marktpreise und Net Asset Values sind leider häufig nicht das Gleiche. Wer zahlt denn heute für Immobilien noch den Net Asset Value? Üblich ist ein Abschlag von 20 bis 30 Prozent. Und schon sind wir nur noch bei neun Euro. Ist der Verkauf der IVG-Aktien wirklich ein gutes Geschäft für WCM und seinen Großaktionär Ehlerding? Aber sicher. Immerhin war der Kredit, mit dem die Aktien erworben worden waren, von den Banken gekündigt worden. Bis auf eine Differenz im unteren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich konnten wir so die Schulden aus den IVG-Aktienkäufen begleichen. Großaktionär Ehlerding und sein Vorstandsvorsitzender Roland Flach hatten eigentlich ganz andere Pläne mit WCM... ...andere Zeiten, andere Pläne. Fakt ist, dass 3,2 Milliarden Euro Schulden keine Basis zur Fortführung des Unternehmens darstellten. Da der Wert der Assets gefallen war, war die Spreizung zwischen Schulden und Vermögen immer größer geworden. Irgendwann kommen in solchen Situationen die Banken und sagen, jetzt wollen wir unsere Kredite zurück. Man kann in einer solchen Lage nur eine Baustelle nach der anderen a beseitigen. Das haben wir gemacht: Erst wurde das Commerzbank-Paket zu 16,50 Euro pro Aktie verkauft, dann haben wir eine Option auf den Rückkauf einer Immobiliengesellschaft verfallen lassen und schließlich die IVG-Aktien veräußert. Damit haben wir die Schulden in nur drei Monaten um zwei Milliarden Euro reduziert. Von der WCM, die Ende 1999 mal rund 7,5 Milliarden Euro wert war, ist fast nichts mehr übrig geblieben. Wie wollen Sie jemals wieder Schwung in den dahindümpelnden Aktienkurs bringen? Das Schicksal des Kursverfalls teilt WCM mit vielen Gesellschaften. Mit einer stabilisierten Finanzsituation kann der Vorstand wieder an Expansion denken, und mit der Expansion kommt die Fantasie zurück. Fassen die Banken denn langsam wieder Vertrauen zu WCM? Ich denke, ja. Wir verhandeln zurzeit über eine deutliche Verlängerung der Kreditlaufzeiten. Um welche Summen geht es dabei? Die Schulden von WCM betragen insgesamt noch 1,2 Milliarden Euro. Rund 900 Millionen Euro sind über Hypotheken abgesichert. Es geht also um 300 Millionen Euro. Welche Vermögenswerte stehen den Schulden gegenüber? Das lässt sich nur abschätzen. 900 Millionen Euro Hypotheken decken rund 60 Prozent des Verkehrswertes ab. Dazu kommt noch die Mehrheitsbeteiligung an Kloeckner. Aus all dem ergibt sich für mich durchaus ein Kurspotenzial. Wir haben gerade von Ihnen gelernt, dass die Net-Asset-Value-Betrachtung keinen Sinn macht. Natürlich bestimmt der Markt den Kurs. Eine Net-Asset-Value-Betrachtung ist eigentlich eine Liquidationsrechnung. Unternehmerische Dynamik bleibt dabei außen vor. Was heißt das für den WCM-Kurs? Mit stabilen Kreditlinien können wir wieder Wohnungsbestände kaufen. Dann kann sich auch Kloeckner verstärken. Kloeckner ist ein gelungener Sanierungsfall. Aus einem Verlust ist in kurzer Zeit ein beachtlicher Gewinn geworden. Dann wird WCM-Vorstandschef Flach wieder Prognosen abgeben, die den Aktienkurs anheizen sollen und die nachher nicht eintreffen? Nichts gegen Herrn Flach. Seine Prognosen mussten leiden, da meist die Banken und nicht mehr der Vorstand das Steuer in der Hand hatten. WCM war so hoch verschuldet, dass der Spielraum für Vorstandsarbeit gegen null geschrumpft war. Sie stehen fest zu Herrn Flach? Es zählt mittlerweile zu den beliebten Praktiken, als neuer Aufsichtsratschef erst einmal den Vorstand auszuwechseln und mit neuen Leuten tief in der Vergangenheit zu wühlen. Mein Stil ist das nicht. Ich setze auf Kooperation mit denjenigen, die das Unternehmen kennen. Auf Herrn Flach können wir nicht verzichten. Haben Sie eigentlich ein Erfolgshonorar vereinbart, wenn die Sanierung von WCM tatsächlich gelingt? Erfolgshonorare für Aufsichtsratsvorsitzende sehen weder das Aktiengesetz noch die Satzung vor. Kaufen Sie denn Aktien, um auf diese Weise vom möglichen Turn-around der Unternehmen zu profitieren, die Sie betreuen? Wenn Sie als Aufsichtsrat keine Aktien des Unternehmens besitzen, werden Sie auf der Hauptversammlung beschimpft, dass Sie sich nicht mit dem Unternehmen identifizieren. Das ist mir bei Mobilcom so gegangen. Kaufen Sie aber Aktien, dann wird Ihnen vorgeworfen, dass Sie möglicherweise Insiderkenntnisse genutzt hätten. Also ist es am besten, während der Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsratsgremium keine Aktiengeschäfte zu tätigen. Muss der Aufsichtsrat bei Sanierungsfällen wie WCM und Mobilcom nicht wie ein Vorstand agieren? Nein. Ein Aufsichtsrat ist bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens gefragt und soll dem Vorstand ein konstruktiver Gesprächspartner sein. In kritischen Situationen kann man allerdings insbesondere vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats erwarten, dass er den Vorstand zum Beispiel bei Bankenverhandlungen unterstützt. Wie viel Zeit bleibt Ihnen angesichts Ihrer Aufsichtsratsmandate denn noch fürs Beteiligungsgeschäft? Diese Fragen haben mir meine Partner auch schon mal gestellt. Ich verbringe rund die Hälfte meiner Zeit mit dem Beteiligungsgeschäft. Die andere Hälfte verteilt sich wiederum ungefähr zur Hälfte auf die Aufsichtsratsarbeit und andere Aktivitäten wie Vorlesungen an der TU München und das Bücherschreiben. Mit den Aufsichtsratsmandaten verdienen Sie doch fast nichts. Man kann nicht überall Geld verdienen. Man sollte nach 25 Jahren im Vorstand auch bereit sein, seine Erfahrungen an andere weiterzugeben. Wie wäre es mit Aktienoptionen für Aufsichtsräte? Das hat der Bundesgerichtshof gerade gestoppt. Im Übrigen halte ich von Aktienoptionen ohnehin nichts. Warum nicht? Es ist lächerlich, davon auszugehen, dass Aktienoptionen das unternehmerische Engagement fördern. Sie kosten den Vorstand nichts. Wenn der Kurs fällt, übt der Vorstand eben seine Option nicht aus. Wenn der Kurs steigt, klingelt es in der Kasse. Der Vorstand trägt also überhaupt kein Risiko. Was schlagen Sie stattdessen vor? Zunächst hat jeder Vorstand Anspruch auf ein angemessenes Gehalt. Zusätzlich sollte es einen Bonus geben, der sich an der Steigerung des inneren Wertes des Unternehmens orientiert, nicht aber am spekulativen Aktienkurs. Der Bonus sollte in Aktien ausgezahlt werden. Das ist dann eine echte unternehmerische Beteiligung. Die Vorstände profitieren nur, wenn auch die Aktionäre profitieren, und verlieren mit den Aktionären, wenn die Kurse fallen.
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