Weil Wirecard auf zwei heiße Eisen setzt (E-Commerce bzw. Multichannel und Payment) ein paar Hintergrundinfos.
WDI beackert damit zwei Märkte, die einerseits viel Umsatz-/Gewinn-/Datenpotential, andererseits viel Konkurrenz- bzw. Komplexitätspotential versprechen. Durch eine Gesetzesänderung haben mehr Player Zugriff auf Kontodaten und können reiner Zahlungsanbieter sein, weswegen der Markt zwar global gesehen ein Polypol ist (WDI, WP, Adyen), aber je granularer es wird, desto mehr kleine, bzw. nischige Zahlungsanbieter gibt es (u.a. Concardis und auch Amazon oder Alibaba/Alipay, die auch eine deutsche E-Geld-Lizenz erworben) können weitere Daten sammeln. So wie Wirecard also Daten erhält, die bislang eher Amazon oder Zalando direkt bekamen, bekommen nun auch diese ein paar mehr Finanzdaten, die bislang eher Wirecard vorbehalten waren.
Es ist also kein reiner the-winner-takes-it-all-market, auch weil z.B. die meisten Kassenterminals zuletzt in 2015 angeschafft wurden und die Händler (von klein bis riesig) nicht schon nach 4 Jahren nachrüsten bzw. den nächsten Technologiesprung machen (d.h. Bezahlen ohne phys. Kassensystem). Und nicht jeder wechselt sofort und einfach so von Concardis zu WDI, sondern er muss erstmal den nötigen Willen haben (gar nicht mal finanziell, sondern auch zeitlich gesehen, da man ja alles umrüsten muss, auch die Prozesse und Vernetzung im Hintergrund). Solche "Wechselkosten/Integrationsschmerzen" nimmt man nur in Kauf, wenn Concardis sukzessive im Vergleich zu WDI immer schlechter wird. Und das wird so kommen, weil Concardis ja ein kleiner Fisch ist. Genauso wie mit Werbeagenturen. Der 2-Mann Bude im Dorf wird solange die Treue gehalten, bis es mit einer 0815-Kontakt-Webseite und Flyern nicht mehr getan ist, sondern die 200-Mann-Bude ran muss.
Ein Trigger von ALDI für WDI war ja auch die Abschaffung des ELVs, sprich dem Bezahlen mit Karte und nachher dann unterschreiben auf dem Bon. Dieses System ist auf dem Rückzug, neben ALDI sind auch andere große Händler gegangen, weil es wegen eines neuen Gesetzes nur noch (glaube ich) ca. 0,2% Gebühr auf Debitkarten geben darf. Die Banken, die sonst mehr verlangt haben, reduzierten also die Kosten für die Händler, so dass die Händler sich nicht mehr gezwungen sahen und sehen, mit einem eigenen Verfahren, das ja auch Kosten verursacht, ein Druckmittel aufrechtzuerhalten.
Hinzu kommt für Aldi der generelle Wandel im Kaufverhalten. E-Commerce wird online- und offline gleichermaßen bedienen, eine strikte Trennung gibt es nicht mehr. Und Aldi und die Händler sehen sich unfassbar vielen Möglichkeiten (Ideen, Startups, Technologien) ausgesetzt. Es gibt "smarte Garderoben mit persönliche Assistenten, die aktiviert werden, wenn man die jew. Kaufhaus-App hat und sobald man sich umziehen geht; über smarte Spiegel (auch für zuhause) und VR (man setzt sich die Cam auf und sieht sich mit neuen Klamotten gekleidet aus dem Online-Shop) bis hin zu smarten Regalen. Und wie immer, gibt es erst ganz viele Anbieter, aber nur ein paar überleben. Und daher macht es Sinn, sich mit WDI einen Partner ins Boot zu holen, der diese Entscheidung (was bzw. wer überlebt) miverantwortet. Denn entweder bietet Wirecard eine entsprechende Lösung selbst an, oder ist der Partner jener Start-ups, denn Wirecard setzt rein auf das Digitale, das Immaterielle. Mag sein, dass sich ändern wird, aber Stand jetzt bieten sie keine Hardware an. Sie haben daher kein Bedürfnis ein Bundling anzubieten oder ein gerätebasiertes Ecosystem bzw. Insellösungen. Sie legen den Fokus wie Microsoft mit Office darauf, überall präsent und kompatibel zu sein. Die Wahrscheinlichkeit für z.B. Aldi ist sehr groß, mit Wirecard einen Partner zu haben, der dank seiner vielen Partnerschaften und Kompatabilität mit den aufkommenden und sich stets weiterentwickelnden Bezahlmethoden alles aus einer Hand anbietet.
Wirecard bespielt also immer stärker einen zweiseitigen Markt mit Payment auf der einen, und den Händlern auf der anderen Seite. Somit interagiert und mitunter konkurriert WDI einerseits mit z.B. VR Pay (von den Volks- und Raiffeisenbanken) oder anderen Banken in immer mehr Teilbereichen, aber auch mit z.B. SAP in einigen Nischen (weil viele ja SAP als Warenwirtschaftssystem einsetzen oder als Cloudlösung) sowie mit des Home Assistenten (Voice Commerce mit Alexa, Siri), mit großen Händlern (nicht nur Amazon, sondern auch Otto, die ja auch eine eigene Bank haben und zahlreiche Finanzdienstleistungen und -Startups ihr Eigen nennen) und natürlich noch jene, die den Händlern eine Multichannel-Lösung anbieten wollen.
Wer also meint, die Masse an Kooperationsmeldungen könnte abnehmen, irrt. Es werden immer mehr und vor allem interessante Meldungen sein, die WDI rausbringen wird.
Die Lage wird also immer komplexer, was man ja auch schon an der funktionsweise von Instant Pay sieht, also dem immer schnelleren Bezahlen. Die Kasse generiert einen Code, der wird auf das Handy übertragen an die App, die löst dann den Bezahlvorgang ab, der Code wird daher weitergeleitet an die Bank bzw. das Kreditkartenunternehmen, die die Bezahlung sofort auslöst (normalerweise dauert SEPA mindestens 1 Tag). Enduser, jew. Händler, jew. Handyhersteller, jew. App-Anbieter, jew. Bankdienstleister und diverse Dritte (z.B. Bonitätsprüfer) sind in den Bezahlvorgang integriert und fällt nur einer aus, oder fehlt irgendwo die Internetverbindung, kann man nicht bezahlen. Und vor allem muss überall die Technologie aktuell sein, was insbesondere bei Banken ein Problem ist. Sie sind das hauptsächliche Bottle Neck, denn wie will man Instant Pay anbieten, wenn die Banken es nicht umsetzen können? So etwas, wie Wirecard nun erstmals probiert, nämlich Echtzeitüberweisungen und -ausschüttungen/gutschreibungen sind wahrlich pionierhaft. Bislang ist es noch so, dass der gemeine Supermarktkunde zwar denkt, er hätte bezahlt, wenn er die Karte wieder ins Portemonnaie führt, aber in Wahrheit braucht es noch 1-2 Tage bis das Geld auch wirklich gutgeschrieben ist beim Händler. Er trägt bis dato ein gewisses Ausfallrisiko. Hoffentlich kann Wirecard seine Echtzeitlösungen weiter forcieren, denn welcher Händler freut sich nicht, wenn er das elektronische Geld tatsächlich und genauso schnell erhält, als ob man Bargeld einnehme? Mit solchen Dingen vergößert Wirecard immer mehr den Servicevorsprung auf seine Konkurrenten. Eine Concardis wird so sukzessive immer und immer weiter abgehängt werden und immer mehr Händler werden zu Wirecard wechseln. Weil es Sinn ergibt. Es dauert zwar Zeit, so ein Wechsel, aber er wird langfristig kommen. :-) |