GRIECHEN-SCHOCK | „Tsipras hat sein Volk betrogen“ Presse- und Webschau – so reagiert die Welt Internationale Presseschau
Doch nicht nur bei der Bundesregierung sorgte das Griechen-Drama für Entsetzen, sondern auch in der deutschen und internationalen Presse.
► „Les Echos“ (Paris): „Griechenland ist ab jetzt auf dem fatalen Abstieg. Denn es ist sehr wohl das Grexit-Szenario, das in Gang gebracht ist.“
► „Tagesspiegel“ (Berlin): „Europa hat am vergangenen Samstag eine historische Zäsur erlebt. Die Finanzminister der Euro-Zone versammelten sich um einen Tisch und waren zum ersten Mal in der Geschichte der Währungsunion nicht vollzählig. Es fehlte Yanis Varoufakis. (...) Das Bild, das Varoufakis beim Einsteigen in einen Kleinbus zeigt, wird vielleicht später einmal in den Geschichtsbüchern als Symbol für einen Riss innerhalb der Währungsunion eingehen.“ ► „Süddeutsche Zeitung“ (München): „Tsipras und seine Freunde nehmen die Euro-Zone-Welt nach ihrem eigenen Willen und ihrer Vorstellung wahr. Um Kanzlerin Angela Merkel zu paraphrasieren: Wo dieser Wille ist, ist leider kein gemeinsamer Weg. (...) In einer auf Konsens und oft auch schalen Kompromissen aufgebauten EU-Welt steht Tsipras nun allein.“
► „Hospodarske noviny“ (Prag): „Alexis Tsipras hat sein Volk betrogen. (..) Tsipras hätte schon im April oder Mai zurücktreten müssen, um eine Regierung an die Reihe zu lassen, die sich mit Europa hätte einigen können. Stattdessen ging er bis zum bitteren Ende und hatte sogar noch die Dreistigkeit, ein völlig überflüssiges Referendum auszurufen. Vielleicht verstehen die Griechen nun endlich, dass Tsipras die Fähigkeiten für den Job als Regierungschef abgehen.“
►„Flensburger Tageblatt“: „Nun ist das Kind im Brunnen, und es wird ertrinken, wenn nicht noch Wunder geschehen. Das Ende ist eine Tragödie, vor allem für die gebeutelten Griechen selbst. Es ist aber auch ein Schauspiel zum Fremdschämen weit über die Währungsfrage hinaus.“
► „Libération“ (Paris): „(Die Regierungspartei) Syriza bleibt zwar ohne Zweifel populär, doch die Bevölkerung ist mit großer Mehrheit für den Euro und würde nach ersten Umfragen den Schuldenplan der Europäer akzeptieren.“
► DIE WELT (Berlin): „Gescheitert ist nicht Merkels Euro-Kurs – sondern der wiederholte Versuch, Griechenland die unabdingbaren Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Währungsunion schmackhaft zu machen.“ ► „Frankfurter Rundschau“ (Frankfurt am Main): „Zweifelsohne schadet Regierungschef Tsipras mit seinen einseitigen Aktionen dem eigenen Anliegen. Nichts gegen direkte Demokratie. Doch diese Volksabstimmung zeugt nicht vom Willen, die Menschen mitreden zu lassen. Nein sagen zu Verhandlungsangeboten kann eine Regierung selbst, wenn sie den Mut dazu aufbringt.“
► „The Times“ (London): „Die Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nehmen jetzt zu. (...) Trostlose Aussichten für ein stolzes und unabhängiges Land, das eine ideologisch gesteuerte und völlig wertlose Regierung in knapp sechs Monaten zu Boden gebracht hat.“
► „Die Presse“ (Wien): „Wirtschaftlich wird es noch keine Katastrophe sein, wenn sich Griechenland nicht mehr im Euro hält. Für die internationale Glaubwürdigkeit der Europäischen Union wäre ein solches Ergebnis der Verhandlungen - wenn es so bleibt - aber ein erheblicher Schaden.“
► Ostthüringer Zeitung (Gera): „Was sich Alexis Tsipras, der griechische Ministerpräsident und Chef der linken Syriza-Partei, hat einfallen lassen, ist eine politische Bombe. Die Regierung Tsipras hat feststellen müssen, dass sie den Auftrag ihrer Wähler nicht erfüllen kann.“
► „De Telegraaf“ (Amsterdam): „Wenn ein Land aus dem Euro tritt, weiß keiner absolut sicher, ob nicht noch mehr Länder folgen werden. Griechenland kommt dann auch als feste Größe der Europäischen Union ins Wanken. Die Amerikaner werden das mit Entsetzen registrieren. Denn ein instabiler Nato-Partner am Rande Europas ist für sie nicht wünschenswert.“
► „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Frankfurt am Main): „Tsipras lässt die Griechen damit (dem Referendum) ein Urteil über die gesamte europäische Schuldenpolitik fällen. Pflichtet das Volk ihm bei, ist er ein großer griechischer Demokrat und Widerstandskämpfer (gegen Merkel). Folgt es ihm wider Erwarten nicht, sind die Geldgeber schuld daran gewesen, dass es so weit kam. Im griechischen Parlament konnte man schon hören, dass der Rest Europas nur von eiskalten Nordeuropäern und Faschisten bevölkert wird.“
► „NZZ“ (Zürich): „Endlich nimmt Brüssel etwas Abstand vom schleichend umgesetzten Konzept einer Haftungsunion. (...) Den Euro-Staaten wird in Erinnerung gerufen, dass man sich die Mitgliedschaft in der Währungsunion stetig verdienen muss, mit solider Finanzpolitik. Vielerorts hat man diese Lektion gelernt, etwa in Irland, Spanien und Portugal. Es ist zu hoffen, dass die Botschaft endlich auch in den Schlüsselstaaten Frankreich und Italien ankommt. Die Euro-Zone würde dann gestärkt aus dem derzeitigen Drama hervorgehen.“
► „Le Figaro“ (Paris): „Mit Ausnahme Griechenlands habe sich alle, Irland, Portugal, und Spanien, im Eiltempo reformiert, um den Euro zu behalten. Die Anstrengungen waren erfolgreich. (...) Wenn Griechenland in der Eurozone bleiben will, muss das Land die dringenden und schmerzhaften Reformen durchsetzen, die öffentlichen Ausgaben senken und Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Regierungschef Alexis Tsipras glaubt nicht daran und schlägt seinem Volk einen großen Sprung ins Unbekannte vor. Die Griechen werden am kommenden Sonntag ihre Wahl treffen.“
► „Nesawissimaja“ (Moskau): „Die griechische Krise hat sich zu einem politischen Erdbeben mit unabsehbaren Folgen ausgeweitet. (...) Griechenland droht die Staatspleite und ein Ausstieg aus der Eurozone.“
► „La Repubblica“ (Rom): „Die Entscheidung der Regierung Tsipras, ein Referendum zu den Reformvorschlägen der Eurogruppe einzuberufen, könnte schlimme Konsequenzen sowohl für Griechenland als auch für die EU haben. Die Situation ist schnell allen aus der Hand gerutscht (...). Ausgelöst durch die Ankündigung von Tsipras, ein Referendum abzuhalten, das von den Geldgebern als Abbruch der Verhandlungen interpretiert wurde. So lange und komplexe Verhandlungen bricht man nicht in letzter Minute einfach so ab – es sei denn, man ist absolut überzeugt, der Gegenseite nicht mehr vertrauen zu können.“
► „Gazeta Wyborcza“ (Warschau): „Die Mehrheit ist für den Verbleib, denn das Verlassen der gemeinsamen europäischen Währung und die Übernahme der nationalen Drachme wird den Verlust eines Teils der Ersparnisse, Inflation und Minderung der Einkommen bedeuten.“ ... und die Webschau
Auch im Netz sorgten die Ereignisse vom Wochenende für mächtig Wirbel.
Vor allem in Börsenkreisen wird seit dem Morgen heftig über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro diskutiert. Der Tenor dabei: Je früher desto besser.
► Der portugiesische Börsenmakler Pedro Lo Quirarte twittert sarkastisch: „Links-Regierungs-Anweisung 101: Zahle kein geborgtes Geld zurück, denn YOLO (d. Redaktion: Du lebst nur einmal)“ ► Auch die Deutsche Bank philosophiert bereits über die Zeit nach dem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Sie veröffentlicht bei Twitter einen eigenen Artikel mit historischem Vergleich und titelt: „Was uns die Auflösung des Österreichisch-ungarischen Reiches über die Zeit nach einem möglichen Grexit sagt.“ Auch abseits der aktuellen Finanzsituation sorgt der wahrscheinliche Grexit für hohe Wellen von Emotionen.
► Der ehemalige schwedische Premier und Außenminister Carl Bildt kann über das Verhalten der griechischen Regierung nur noch staunen. Er schreibt: „Die griechische populistische Regierung hat noch nicht einmal entschieden, welche Frage genau sie in dem merkwürdig Referendum am nächsten Sonntag stellen will. Verblüffend.“ ► Der ehemalige belgische Premierminister und jetzige Europaabgeordnete Guy Verhofstadt hält den Grexit hingegen für eine „Lose-lose-Situation“, also eine Situation, in der alle Beteiligten verlieren werden. Seiner Ansicht nach würde die Welt einen solchen Schritt als „enormes Management-Versagen einer angesehenen Währung“ werten. http://www.bild.de/politik/ausland/...griechenland-41558256.bild.html
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