Kreidegruben als Speicher für Windenergie
Bisher war die Gemeinde bekannt für Kreide, aber was, wenn aus den Gruben nichts mehr zu holen ist? Der Zementhersteller Holcim und die Eon Hanse AG haben einen Plan überlegt, der aus der Kreidegrube eine gigantische Batterie für Windkraftenergie machen soll. Ein Pumpspeicherkraftwerk soll hier entstehen. Eine Technik, die auf dem flachen Land eher selten zu finden ist - schließlich bedarf es eines Gefälles und das ist im nördlichsten Bundesland selten. Trotzdem ist Lägerdorf auf dem besten Wege Standort für das nördlichste Pumpspeicherkraftwerk der Republik zu werden.
Eine kleine Sensation: Die Realisierung des Projekts sei bundesweit einmalig. "Bis heute gibt es keine vergleichbare Anlage" heißt es von Seiten der Projektpartner, Holcim AG und Eon Hanse AG. In einer Studie wollen sie prüfen, ob es sinnvoll und machbar ist, in den zwei Kreidegruben nahe dem Zementwerk ein Pumpspeicherkraftwerk zu errichten. Zum Start der Studie unterzeichneten sie im Beisein von Wirtschaftsminister Jost de Jager am Freitag eine Partnerschaft.
Strom-Überschüsse auffangen und Defizite ausgleichen
Die zwei Kreidegruben in Lägerdorf können möglicherweise helfen, die Stromversorgung aus Wind- und Sonnenenergie in Schleswig-Holstein zu verbessern. Denn Strom in größeren Mengen zu speichern, ist ein Problem. Wenn Haushalte und Industrie künftig nicht mehr überwiegend aus Atom- und Kohlekraftwerken versorgt werden sollen, die gleichmäßig rund um die Uhr Energie liefern, wird Speicherung zur Notwendigkeit. "Erneuerbare Energien sind nicht erst seit dem Reaktorunglück in Japan Thema in Schleswig Holstein, sondern das hat hier seit 20 Jahren Tradition", erklärte de Jager. Bis 2020 werde die Leistung aus Windenergie von derzeit 3000 Megawatt auf bis zu 12.000 Megawatt steigen. Aber der Stromnetzausbau könne zeitlich nicht mithalten. Schon jetzt kommt es zu Engpässen in den Leitungen, weshalb teilweise bei einer steifen Brise Windkraftanlagen stillstehen.
Hier kommen die Pumpspeicherkraftwerke ins Spiel: "Mit Hilfe der Anlage lassen sich regionale Einspeiseüberschüsse auffangen und schwankende Einspeisungen und Strombedarfe ausgleichen", erläuterte Matthias Boxberger, Netzvorstand der Eon Hanse AG. Mit der überschüssigen Energie könne man Wasser in hoch gelegene Speicherbecken pumpen. Wenn man dann mehr Strom benötige, lässt man das Wasser wieder hinunterfließen und treibt damit Generatoren an. "Die Zwischenspeicherung von regenerativ erzeugtem Strom ist somit Voraussetzung und Herausforderung der Energiewende", erklärte de Jager. Angesichts der geographischen Gegebenheiten in Schleswig-Holstein werde die Anlage nicht der Auftakt zum Bau vieler ähnlicher Kraftwerke sein. "Wir müssen in Bausteinen denken", sagte der Minister. Der Netzausbau bleibe entscheidend für den Erfolg der Windenergie.
Drei Kilometer langer Stollen durchs Dorf
Und das ist in Lägerdorf geplant: Zwischen den Gruben "Saturn" (60 Hektar groß, 60 Meter tief) und "Schinkel" (40 Hektar groß, 100 Meter tief) könnte ein etwa drei Kilometer langer Stollen durch das Dorf gebohrt werden. Der nutzbare Höhenunterschied beträgt 60 bis 80 Meter - relativ flach im Vergleich zu anderen Kraftwerken, aber für die Speicherung von Windenergie ideal, wie Jörg Rudat von der Eon erklärte: "Wir pumpen länger hoch und können auch länger ausspeichern." Bei Flaute könne das Kraftwerk zwei Tage lang Strom erzeugen, insgesamt bei einem Durchlauf etwa 1700 Megawattstunden. Das reicht, um knapp 500 Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. 17 Millionen Kubikmeter Wasser können zwischen den beiden Gruben bewegt werden. So viel Wasser fließt durchschnittlich in knapp sieben Stunden die Elbe östlich von Hamburg hinunter.
Der Eingriff in der Natur dabei ist minimal, wie Morten Holpert, Holcim-Werksleiter Lägerdorf erklärte: "Die Gruben gibt es ja schon. Es muss nur ein Schacht gebohrt werden." Weiterer Vorteil: Das Pumpspeicherkraftwerk könnte auch zum Hochwasserschutz beitragen: "Wenn die Stör droht überzulaufen, kann Wasser in die Gruben abgeleitet werden. Städte wie Kellinghusen würden dann nicht untergehen", erklärt Rudat.
Auch Lägerdorfs Bürgermeister Heiner Sülau steht voll hinter dem Projekt: "Wir sind eine Fehlbedarfsgemeinde. Nun wollen wir finanziell wieder auf die Beine kommen. Wir sind ein Ort mit Zukunft." Ob das Pumpspeicherkraftwerk Zukunft hat, wird sich in den kommenden eineinhalb Jahren zeigen - bis dahin soll die Studie abgeschlossen sein. In einem ersten Schritt wird nun geprüft, ob sich die Anlage technisch umsetzen lässt, genehmigungsfähig und wirtschaftlich ist. Gibt es grünes Licht, wird ein Planungsbüro beauftragt. Wann dann genau mit der Fertigstellung zu rechnen sein würde, darauf wollten sich die Projektpartner nicht festlegen. Als grobes Ziel wird das Jahr 2015 genannt.
(shz)