Schule für alle

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neuester Beitrag: 14.10.04 11:51
eröffnet am: 15.09.04 13:44 von: Zambano Anzahl Beiträge: 59
neuester Beitrag: 14.10.04 11:51 von: Talisker Leser gesamt: 3511
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15.09.04 13:44

115 Postings, 7181 Tage ZambanoSchule für alle

"  

Politiker von SPD und Grünen drängen auf eine radikale Reform des Schulsystems. "Wir wollen zu einem Schulsystem kommen, wo die Kinder neun bis zehn Jahre zusammenbleiben, aber in diesem Rahmen stärker individuell gefördert werden", sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Krista Sager, der "Berliner Zeitung". Zunächst die Pisa- und jetzt auch die OECD-Studie hätten gezeigt, dass Schüler so besser lernen würden als im dreigliedrigen deutschen Schulsystem.

Sager hat die Bundesländer aufgefordert, den Abbau von Studienplätzen an den Hochschulen "unverzüglich zu stoppen". Nicht nur die jüngste OECD-Studie sondern auch viele andere Prognosen belegten, dass Deutschland dringend mehr Abiturienten und Studenten brauche, sagte Sager in einem Gespräch mit der Deutschen Presse- Agentur (dpa).

Auch in der SPD werden Forderungen nach dem Modell "Schule für alle" laut. Neben den Jusos und ostdeutschen Bildungspolitikern hat sich die schleswig-holsteinische SPD dafür ausgesprochen. Die Kultusministerin des Landes Ute Erdsiek-Rave sagte, die rot-grüne Landesregierung werde mit diesem Thema in den Landtagswahlkampf im Februar 2005 ziehen.

CDU-Chefin Merkel fordert Ausbau der Ganztagsschulen

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel fordert als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden Deutschlands bei der jüngsten OECD-Bildungsstudie einen Ausbau der Ganztagsschulen. Außerdem müssten die Anforderungen in den Kindergärten und Grundschulen erhöht werden, sagte Merkel am Mittwoch im RBB. "Hier sind über Jahrzehnte, insbesondere in der alten Bundesrepublik, massive Fehler gemacht worden." Die Leistungsbereitschaft der jungen Schüler sei nicht abgefordert worden, jahrelang seien keine Noten gegeben worden, und das Ganze sei "sozusagen zu einer verlängerten Spielphase" gemacht worden.

Merkel lehnte es jedoch ab, zur Finanzierung eines verbesserten Bildungssystems die Eigenheimzulage abzuschaffen. Durch eine bloße Umschichtung der Mittel würden die grundlegenden Probleme nicht gelöst. Notwendig seien vielmehr ein stärkeres Wirtschaftswachstum und ein einfacheres Steuersystem. Nach der am Dienstag vorgelegten OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" gibt Deutschland zu wenig Geld für Bildung aus, fördert die Schüler unzureichend und bringt zu wenig Akademiker hervor.

Meiner Meinung mach eine sinnvolle Idee.
In der DDR wurde genau das praktiziert und die Menschen inder breite besser ausgebildet.
Auch im Westen gibt es solche bsp der Gesamtschule siehe Waldorfschulen, wo die Kinder bis zur 10.Klasse zusammen bleiben und aus Waldorfschüler eigentlich fast immer auch was gescheites geworden ist...
Dum Zambanos Sohn da auch hin muß...  
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33 Postings ausgeblendet.

16.09.04 22:22

59073 Postings, 8548 Tage zombi17Es gibt Gute und Schlechte!

Auf allen Seiten! Alles was nach relegiös aussieht sollte man allerdings mit Vorsicht geniessen, da kenne ich mich aus! Khomeni, Arafat, Bush usw......  

16.09.04 23:37

107 Postings, 7169 Tage MinirmaxZombi 17 und Karlchen

ich muss sagen, ich bin überrascht. Hat euch die Realität eingeholt?
Mein Sohn besucht seit diesem Schuljahr ein Gymnasium. Ich hatte die Wahl zwischen einer Schule in einem Ort, in dem viele Ausländer sprich Türken und Russen leben und einem Ort der überwiegend von deutscher  Bevölkerung bewohnt wird. Ich habe mich für diese Schule entschieden. In seiner Klasse ist ein türkisches Mädchen, das auf die Frage des Lehrers, ob er ihren Namen auch richtig ausgesprochen hat, 3 mal antwortet:
Ich heiße xy. Ich gehe mal davon aus, dass sie die Frage des Lehrers überhaupt nicht verstanden hat. Müssen wir uns so etwas antun? Müssen wir unsere Kinder in Privatschulen schicken und neben den Steuern, die wir ohnehin für das Bildungssystem bezahlen, auch noch Schulgeld bezahlen, nur deshalb weil unsere Poltiker nicht fähig sind, auszuschließen dass Kinder von unfähigen Eltern in Schulen geschickt werden, wo sie überhaupt nichts verloren haben? Solange Kinder, die deutsche Schulen besuchen wollen nicht deutsh sprechen, haben sie in der Regelschule nichts verloren.
Die Situation durch eine Einheitsschule bereinigen zu wollen, ist reiner Schwachsinn. Es kommt wohl nicht von ungefähr, das BW und BY ohne Gesamtschulen besser dastehen, als die übrigen Bundesländer. Talisker: Wer zum Teufel regiert in BW und BY?
Ich nehme an, dir fällt auch diesmal wieder eine Ausrede für das Versagen der Regierung in deinem Bundesland ein, wenngeleich auch eine fadenscheinige.    

16.09.04 23:42

129861 Postings, 7463 Tage kiiwiiIn Baden-Württemberg regiert der Teufel

aber wer regiert in Bayern?  

16.09.04 23:42

59073 Postings, 8548 Tage zombi17Ist ja lieb gemeint, Du doppel ID,

aber die Kinder können da am wenigsten für.

PS: Hass führt direkt in die Hölle!! Und nebenbei, eine Lösung ist das auch nicht!
Lass mich bloss mit deinem Gedankengut in Ruhe, uns trennen Welten!!  

17.09.04 00:09

107 Postings, 7169 Tage Minirmaxzombi 17

Was soll das "lieb gemeint und was soll das Doppel-ID?" und dann noch "Hass führt in die Hölle" . Hast du einen in der Waffel?
Du hast eine Behauptung aber keine Argumente.
Bei dem was du so schreibest gehe ich ebenfalls davon aus, dass uns Welten trennen, nur ist meine Welt real und du träumst von etwas, das es nicht gibt.
Ich gehöre auf jeden Fall nicht zu denen, die zusehen wie ein paar Idioten alles kaputtmachen, was in jahrelanger Arbeit aufgebaut worden ist.  

17.09.04 00:13

21799 Postings, 8911 Tage Karlchen_I@Minimax - wie wäre es denn mal mit einem Kurs

in deutscher Rechtschreibung bei der Volkshochschule? Danach könntest Du vielleicht auch deinem Kind bei den Hausaufgaben helfen.  

17.09.04 00:14

463 Postings, 7322 Tage PiusWarum kritisiert man immer die Ursache der

Probleme und geht das Problem nicht einfach selbst an. Ich denke zum Beispiel, daß sich das aktuelle Schulsystem bewährt hat. Ich bin darin groß geworden und aus mir und meinen Mitschüler ist soweit etwas geworden. Auch im internationalen Vergleich. Die Politik hat einfach versäumt sich den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Es kann einfach nicht fuktionieren, daß Lehrer mit völlig überfüllten Klassen umgehen können. Der Zunahme der nicht deutschsprachigen Kinder wurde einfach ignoriert. Viel früher hättte man diese Probleme angehen müssen. Ich bin kein Padagoge. Ich habe keine Ahnung was zu tun ist. Deshalb erwarte ich von den Fachleuten das die endlich mal agieren. Die aber diskutieren nur, obwohl jeder weiß, das bald alles zusammenbricht. Arbeitete ich so, bräuchte ich mir keine Gedanken zu einer Privatschule für meine Tochter zu machen.  

17.09.04 00:30

69033 Postings, 7476 Tage BarCodeInteressant - oder besser ärgerlich ist

an der Diskussion, dass jeder mal wieder glaubt, es wäre völlig klar und eindeutig feststellbar, woran es hakt im Bildungssystem - um dann immer die gleichen Positionen zu wiederholen, die schon seit 30 Jahren die Diskussion bestimmen: 3-gliedrig versus Gesamtschule. Man kann gegen Bayern oder BW jederzeit ins Feld führen: Schleswig Holstein oder Finnland oder dass beide bei Pisa zwar besser aber bei Weitem nicht gut waren... Aber immerhin besser als bla Gesamschule bla NRW...
Und am Ende kommt immer einer mit den Ausländern daher.
An diesem Punkt hätte man vor 20 Jahren schon innehalten können, und die Sache ganz unaufgeregt und vor allem unideologisch angehen können. Die (sozialdemokratisch dominierte) Bildungsdiskussion ist einerseits gemündet in der (schlechten) Realisierung von einigen Gesamtschulen und Schränken voll Lerntheorien, die sich in Regalen voller Lehrpläne ergossen haben, die jede kreativität im bütrokratischjen Dschungel der Vorschriften versenkt.

Jede Schulform ist gut, wenn sich die Lehrer um die Schüler ihren Fähikeiten entsprechend kümmern und kreativ und pädagogisch begabt sind, die Eltern mitziehen und die Kinder schon von klein auf gefördert und gefordert werden.

Leider ist dies schonmal überhaupt nirgendwo institutionalisiert. Es gibt immer mehr inkompetente Eltern, weil die Generationentradition von Erfahrung im den Umgang mit Kindern nicht mehr vorhanden ist. Da wurde zwar auch - je nach Wissenstand - mal Mist tradiert, aber schon das Gefühl für Kompetenz sorgt für ein klareres Verhalten gegenüber den Kindern - allemal besser als die totale Maßlosigkeit. Denn klares Verhalten gehört mit zu den wichtigsten Voraussetzungen, um mit Kindern erfolgreich zu kommunizieren.

Es gibt dazu leider noch den Fakt, dass immer weniger Kinder aus gebildeten Schichten kommen und immer mehr aus den "Sozialhilfedynastien" - zumindest ist das in Berlin so.

Eigentlich müssten heute Eltern, die ein Kind bekommen, dazu verpflichtet werden, erstmal einen Kurs über den Umgang mit Klein-Kindern zu belegen. Das dürfte meiner Meinung nach wichtiger sein, als Mit-Hechelkurse zur Geburtsvorbereitung.

Und Ausländerkinder müssen ganz früh in Deutsch lehrende Einrichtungen und erst dann eingeschult werden, wenn sie da einen gewissen Standard erreicht haben.

Die Förderung muss vor der Einschulung beginnen. In Berlin verbringen viel zu viele Kinder die ersten Jahre mit ner Tüte Pommes vor der Glotze. Das greift um sich, wie eine Epidemie. Die Kinder kommen teilweise verwahrlost und auch als Deutsche oft ohne Wortschatz an die Schule: Da müssen die Lehrer dann mit einer Spreizung von Fähigkeiten zurechtkommen, die einfach kaum zu bewältigen ist.

Alles was dann kommt, ist letztlich Flickschusterei. Wenn die Basis ruiniert ist, kostet es einen Riesenaufwand, da wieder etwas gut zumachen.  
Und erst dann kommt die Frage welches Schulsystem vernünftig ist.
Und da ist der erste Knackpunkt: Ob einer/eine gut ist als Lehrer, ist allein dem Talent überlassen. Die pädagogische Kompetenz ist wesentlich wichtiger, als die Fachkompetenz. Schließlich sollen ja an der Schule noch keine Spitzenleistungen in der Eliteforschung erbracht werden, sondern die Grundlagen erlernt. Da wird viel zu wenig Pädagogik und Führungsqualität aus- und fortgebildet.
Wir persönlich hatten bisher Glück: Meist tolle Lehrer für unsere Kinder, nur wenige Nieten gezogen. Aber wie gesagt: Es ist kein institutionalisierter Qualitätsstandard, es ist Lotterie.  

Es ist übrigens so, dass Lehrer, die an sogenannten Zwergschulen unterrichtet haben, also wo unterschiedliche Klassenstufen gleichzeitig unterrichtet wurden, eine unglaublich hóhe Kompetenz für Binnendifferenzierung entwickelt haben und auch in Klassen mit großer Leistungsspreizung sehr erfolgreich zurecht kamen: Die schlechteren wurden besser und die Guten auch: etwas, was z. B. durch die bei uns vorherrschende Ideologie der möglichst homogenen Gruppe viel zu wenig im Blickfeld ist. Das macht - unabhängig vom System - einen wichtigen Kern von guter Pädagogik m. E. aus: ein hohes Maß an Binnendifferenzierungsfähigkeiten. Bei uns völlig unterbewertet.

Ein Beispiel aus der Erfahrung mit meiner Tochter: Sie ist sehr begabt. Sie wollte von sich aus unbedingt Spanisch lernen (war als Kleinkind oft ín Spanien). Also ging sie nach der 4. an ein Spezialgymnasium. Hohe Anforderung an die Zulassung. Aus allen Teilen Berlins kamen nur Schüler mit Spitzennoten. Diese kamen aus Klassen, wo die übliche Verteilung sich durchgesetzt hatte: Ein paar hochmotivierte Spitzenschüler, ein breites Mittelfeld und einige, die immer mehr abgehängt wurden und wo sich damit auch die Motivation verabschiedet hatte. Es dauerte keine 2 Jahre, und dasselbe Bild zeigte sich in der neuen Klasse meiner Tochter - ursprünglich ja lauter motivierte Cracks.

In der Klasse, die meine Tochter zusammen mit anderen guten Schülern verlassen hatte, kamen jetzt aus der 2. Reihe neue hochmotivierte Spitzenschüler zur Geltung, die bisher eher im Mittelfeld mitgelaufen waren.

Das heißt: Es macht keinen Sinn, einfach nur den Rahm abzuschöpfen und immer zu versuchen, homogene Gruppen zu basteln. Stattdessen ist es wahrscheinlich viel sinnvoller, diese "Normalverteilung" günstiger zu beeinflussen.

Aber da könnte ich jetzt noch Stunden weiterschreiben...

Jetzt gute Nacht.

BarCode


 

17.09.04 09:02

473 Postings, 7884 Tage kant@barcode #42

Auch du glaubst ja offensichtlich "klar und eindeutig feststellbar" das  Übel erkannt zu haben. Dein Eingangssatz kehrt sich also gegen Dich und stimmt mit dem Chor der klagenden überein. Warum auch nicht? Man kann nicht mehrere Leben leben und man schöpft halt aus der eigenen empirischen Erfahrung. Find ich auch total in Ordnung.

Dass Du nebenbei die schlechten Ausgangschancen von (einigen) Ausländerkindern mit denen Fernseh-verwahrloster deutscher Kinder (von denen es immer mehr gibt) gleich stellst, ist ebenso richtig beobachtet. Denen, die ohne elterliche Hinwendung aufwachsen, gilt dafür die ganze kommende, total verlorene Liebe der Deutschen Bildungspolitik!

Nur: Dein Vorschlag eines Kurses für Kleinkinder, den neue Eltern absolvieren müssen, das ist heftig daneben. Wer sollte den halten? Wer bekommt dadurch die "Lufthoheit über den Kinderbetten"? Außerdem: seit Descartes wissen wir doch, dass "der Verstand die bestverteilte Sache der Welt ist, denn ein jeder glaubt genug davon zu besitzen" - was notabene Eltern aller soialen Schichten einschließt.

Aber eines Deiner Statements unterstreiche ich gerne nach 57 Lebensjahren und mit 7 Kindern und reichlich Schulerfahrung: die Basis ist ruiniert! Was tun? Flucht in bessere Schulen, notfalls Umzug! Zwei unserer Kinder gehen nun ins hiesige humanistische Gymnasium und ich freue mich jeden Tag, dass es diese Schule noch gibt.

Ad infinitum fortsetzbar...

 

17.09.04 09:21

107 Postings, 7169 Tage MinirmaxKarlchen,

dass ausgerechnet du mir einen Rechtschreibkurs empfiehlst ist rührend. Es ist ein gewisser Unterschied, ob man nicht weiß, wie etwas geschrieben wird oder ob man mal mit der Tastatur zu schnell ist. Wenn dir deine Argumente ausgehen, kommst du mit solchen Mätzchen. Den Spruch hast du übrigens von "Mike-Landau" abgeguckt, der diese Empfehlung zu Recht mal irgendjemand gegeben hatte. Bist eben nur ein billiger Kopierer. Solltest dich vielleicht in "Canon" oder "Xerox" umbenennen.  

17.09.04 12:19

69033 Postings, 7476 Tage BarCodeHerr Kant, nur zur Klärung

Da geb es einen anschleßenden Halbsatz, der erst den Sinn meiner Aussage erhellt: "dass jeder mal wieder glaubt, es wäre völlig klar und eindeutig feststellbar, woran es hakt im Bildungssystem - um dann immer die gleichen Positionen zu wiederholen, die schon seit 30 Jahren die Diskussion bestimmen."

Dass ich glaube, ich hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen, ist eh klar! (Und irgendwelche Zweifel daran halte ich in der Regel für unbegründet oder widerlegbar!)  Aber ich habe in den letzten 30 Jahren immerhin versucht, meine Vorstelllung von der Welt möglichst durch neue Erkenntnisse zu bereichern und entsprechend zu modifizieren...

Gruß BarCode

PS: Das mit dem Kurs "Umgang mit Kleinkindern" war  nur halbwegs ernst und mit einer kleinen Spitz bezüglich des "Mit-Hechel-Kurses" versehen - obwohl ich es nicht völlig abweghig finde, dass unerfahrene Eltern hinsichtlich des Umganges mit Kleinkindern beraten werden.Wäre sehr sinnvoll.

 

17.09.04 12:30

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerMoin,

ist ja erfreulich zu sehen, dass doch noch ein paar "sinnvolle" Beiträge rumgekommen sind. Bei Gelegenheit/Zeit noch näheres von mir (denn ich bin in der Frage Gesamtschule tatsächlich interessiert bzw. hin- und hergereissen).

speziell für Freund Minirmax: Für nen Neuling kennst du dich aber ziemlich gut in alten ariva-Interna aus...

Noch nen kleiner Zeitungskommentar von
Talisker

STOIBERS ANGEBLICHES BILDUNGSPARADIES IST INTERNATIONAL MITTELMASS
Importierte Abiturienten

In Edmund Stoibers Brust schlagen zwei Herzen: das des gütigen Landesvaters - und das des ehrgeizigen Fans des FC Bayern. Wenn seine Rot-Weißen bei den Königlichen in Madrid oder gegen Inter in Mailand eins auf die Mütze kriegen, ist der Chef des Bayern-Beirats zerknirscht. Stoibers Fußballmaßstab ist international, da zählt nur die europäische Meisterklasse, die Champions League. Die Bundesliga - allenfalls gut zum Training.

Als Ministerpräsident funktioniert Stoiber ganz anders, da orientiert er sich lieber am bundesdeutschen Mittelmaß. Als Bayerns SchülerInnen bei der nationalen Pisastudie Meister wurden, jubilierte der Sitzenbleiber aus Wolfratshausen. Recht hat er. In Deutschland sind die Zöglinge aus Garmisch, Nürnberg und Augsburg das Maß der Dinge. Was Stoiber gern unterschlägt: International bringen bayerische Schulen allenfalls mediokre Ergebnisse. Im Vergleich mit den Bundesstaaten Kanadas etwa reicht der deutsche Pisasieger Bayern nur an die Provinz New Brunswick heran.

Und selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt heute drei wichtige Parameter für die Leistungsfähigkeit von Schulsystemen: Welche Kompetenzen wecken sie bei den Schülern? Sind sie sozial gerecht? Und: Statten sie genug junge Leute mit akademischen Würden aus?

Da aber sieht es in Bayern ganz finster aus. Soziale Gerechtigkeit: Der Arztsohn hat in Bayern eine sechsmal höhere Chance, aufs Gymnasium zu kommen - bei gleichen kognitiven Fähigkeiten! Das heißt, Bayerns gegliederte Schule verhindert aktiv, dass Unterschichtkinder nach oben kommen. Obendrein produziert Bayern gerade mal 19 Prozent Abiturienten. Mit anderen Worten: Den Personalnachschub für seine Unis und die weißblauen High-Tech-Regionen kann Stoiber mit seiner eigenen, kümmerlichen Zahl an Hochschulreifen nie und nimmer stillen. Das ist es, was jene gern verschweigen, die Bayerns vermeintliche Eliteschulen gegen die Idee der Gemeinschaftsschule in Stellung bringen.

Übrigens, Kanadas Schulen sind: Gemeinschaftsschulen. " CHRISTIAN FÜLLER

taz Nr. 7464 vom 17.9.2004, Seite 12,  

17.09.04 12:31

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerMoin,

ist ja erfreulich zu sehen, dass doch noch ein paar "sinnvolle" Beiträge rumgekommen sind. Bei Gelegenheit/Zeit noch näheres von mir (denn ich bin in der Frage Gesamtschule tatsächlich interessiert bzw. hin- und hergereissen).

speziell für Freund Minirmax: Für nen Neuling kennst du dich aber ziemlich gut in alten ariva-Interna aus...

Noch nen kleiner Zeitungskommentar von
Talisker

STOIBERS ANGEBLICHES BILDUNGSPARADIES IST INTERNATIONAL MITTELMASS
Importierte Abiturienten

In Edmund Stoibers Brust schlagen zwei Herzen: das des gütigen Landesvaters - und das des ehrgeizigen Fans des FC Bayern. Wenn seine Rot-Weißen bei den Königlichen in Madrid oder gegen Inter in Mailand eins auf die Mütze kriegen, ist der Chef des Bayern-Beirats zerknirscht. Stoibers Fußballmaßstab ist international, da zählt nur die europäische Meisterklasse, die Champions League. Die Bundesliga - allenfalls gut zum Training.

Als Ministerpräsident funktioniert Stoiber ganz anders, da orientiert er sich lieber am bundesdeutschen Mittelmaß. Als Bayerns SchülerInnen bei der nationalen Pisastudie Meister wurden, jubilierte der Sitzenbleiber aus Wolfratshausen. Recht hat er. In Deutschland sind die Zöglinge aus Garmisch, Nürnberg und Augsburg das Maß der Dinge. Was Stoiber gern unterschlägt: International bringen bayerische Schulen allenfalls mediokre Ergebnisse. Im Vergleich mit den Bundesstaaten Kanadas etwa reicht der deutsche Pisasieger Bayern nur an die Provinz New Brunswick heran.

Und selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt heute drei wichtige Parameter für die Leistungsfähigkeit von Schulsystemen: Welche Kompetenzen wecken sie bei den Schülern? Sind sie sozial gerecht? Und: Statten sie genug junge Leute mit akademischen Würden aus?

Da aber sieht es in Bayern ganz finster aus. Soziale Gerechtigkeit: Der Arztsohn hat in Bayern eine sechsmal höhere Chance, aufs Gymnasium zu kommen - bei gleichen kognitiven Fähigkeiten! Das heißt, Bayerns gegliederte Schule verhindert aktiv, dass Unterschichtkinder nach oben kommen. Obendrein produziert Bayern gerade mal 19 Prozent Abiturienten. Mit anderen Worten: Den Personalnachschub für seine Unis und die weißblauen High-Tech-Regionen kann Stoiber mit seiner eigenen, kümmerlichen Zahl an Hochschulreifen nie und nimmer stillen. Das ist es, was jene gern verschweigen, die Bayerns vermeintliche Eliteschulen gegen die Idee der Gemeinschaftsschule in Stellung bringen.

Übrigens, Kanadas Schulen sind: Gemeinschaftsschulen. " CHRISTIAN FÜLLER

taz Nr. 7464 vom 17.9.2004, Seite 12,  

17.09.04 12:32

36845 Postings, 7524 Tage Taliskersorry,

aber ariva ist heute wirklich ein wenig hakelig...  

17.09.04 12:49

129861 Postings, 7463 Tage kiiwiialso, jetzt kommen mir aber Zweifel:

Die taz schreibt (und Du zitierst das):
*** Es gibt heute drei wichtige Parameter für die Leistungsfähigkeit von Schulsystemen: Welche Kompetenzen wecken sie bei den Schülern? Sind sie sozial gerecht? Und: Statten sie genug junge Leute mit akademischen Würden aus?***

Diese drei Kriterien mögen in Kreuzberg gelten, auf der übrigen Welt spielen diese keine Rolle.

Da freut sich der kleine Chinese oder Koreaner oder Inder aber heute schon, wenn er sieht, mit wem er demnächst in Wettbewerb tritt !!  

17.09.04 13:13

1798 Postings, 8374 Tage RonMillerdiese scheiß-reformerei

hat bis heute milliarden gekostet und ist alles andere
als das gelbe vom ei;
ich kam 1939 mit sechs jahren in die volksschule; unsere
klasse hatte in keinem schuljahr unter 30 schüler, die
tägliche schulzeit war von 8 bis 12 uhr, auch samstags;
zweimal in der woche hatten wir auch nachmittags von
14 bis 16 uhr unterricht;
keiner meiner lehrer oder lehrerinnen war überfordert und
mußte frühverrentet werden, dafür konnte ich beim übertritt
in die oberrealschule nach vier jahren volksschule das
kleine und große einmaleins vor-und rückwärts fließend,
einwandfrei und sauber schreiben und wußte in erdkunde
über meine heimat gut bescheid;
neben der achtklassigen oberrealschule gabs noch eine sechs-
klassige mittelschule - je nach begabung konnte man entscheiden,
in welche dieser schulen man nach vier jahren grundschule
übertreten wollte.
schulbücher waren oft knapp und mußten sich mehrere schüler
schon mal teilen, zu einer leistungsminderung hat dies nicht
geführt; ordnung und disziplin waren gegeben, auch wenn man
in seltenen fällen berechtigterweise mal paar auf den hintern,
bekam, ohne daß die eltern zum rechtsanwalt liefen.
hätte man dieses schulsystem beibehalten, hätte man ne menge
kohle sparen können und das bildungsniveau wäre immer noch höher
gewesen als heutzutage;
man hätte ja nicht erwähnen müssen, daß deshalb alles gut
lief, weil es aus der nazizeit übernommen wurde - ;

 

17.09.04 13:34

129861 Postings, 7463 Tage kiiwiiMach Dir keine falschen Gedanken...

..wegen "Nazizeit". Dieses System bestand schon davor und auch noch danach !
Und es hat funktioniert.
Auch ich hatte in der Nachkriegszeit noch Samstags Unterricht und mindestens einmal pro Woche auch nachmittags.
Mit "Nazi" hat das alles gar nix zu tun.
Und leichte Schläge auf den Hinterkopf gabs in den 50 igern und auch in den 60 igern durchaus noch.  

17.09.04 13:40

107 Postings, 7169 Tage MinirmaxRonMiller/ Kant

RM:  Gegenüber deiner Schulzeit hat sich die Welt seither gewaltig verändert. Früher musste man zuweilen in der Schule still dasitzen und eine Hand auf den Rücken legen, die andere Hand vor den Mund halten und um damit seine Aufmerksamkeit zu demonstrieren. Wer das nicht tat, galt u. U. als verhaltensgestört. Heutzutage wäre  ein Schüler, der so etwas macht, verhaltensgestört. Ansonsten stimme dir aber in vollem Umfang zu.

Kant: Die Kultusministerinn von BW heißt Dr. Annette Schavan und ist weder verheiratet geschweige denn  hat sie Kinder. Das eine schließt das andere zwar nicht aus, aber in diesem Fall liegt hier offenbar eine Verwechslung vor.  
 

17.09.04 15:37

473 Postings, 7884 Tage kantRon Miller / Minirmax

Ron: Schule am Samstag - soweit ich mich erinnere, gab's das in den frühen 60igern noch bei uns in Rheinland-Pfalz. Ach ja, und eine Aufnahmeprüfung gab's für's Gymnasium. Und der Pfarrer hat in Reli Ohrfeigen verteilt. Und meinen Notendurchschnitt vom Abi weiß ich heute noch nicht, wozu denn auch, es gab ja keinen N.C.

Minirmax: Ich weiß wohl, wie unsere Annette mit Nachnahmen heißt, beim Rest bin ich wohl einer Propagandalüge aufgesessen, tut mir leid. Aber ich hoffe, das Problem das die Waldis mit ihrer Selbstidentifikation haben, ist rübergekommen.

Falls einer der Mitlesenden Arivaner sein Kind zur Waldorfschule schicken will: Aus dem Interesse an der Waldorfschule ist mittlerweile ein veritabler Ansturm geworden! Die Schule hier in der Stadt hat nun auf 2-zügig umstellen müssen. Vielleicht sollte man das Kind am Abend vor der Zeugung im Kindergarten anmelden, oder spätestens mit dem Ultraschallphoto vom Gynäkologen...

 

17.09.04 16:04

69033 Postings, 7476 Tage BarCodeEinigen von Euch würde ich Islam-Schulen

ans Herz legen. Dort herrschen noch die guten alten Bräuche, die ihr so vermisst.

Gruß BarCode  

17.09.04 16:14

129861 Postings, 7463 Tage kiiwiiB.C., eines mußt Du aber schon zugeben:

Die Rechtschreibung bei uns "Alten" ist in Ordnung, oder?
Zumindest das haben wir gelernt.  

19.09.04 17:41

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerKleine Meldung aus der Provinz

Ist klar, ist ein extremer Einzelfall, aber schon heftig...

Gebrüder-Grimm-Schule: Unterrichtsversorgung bei nur 50 Prozent
                    §
(htz) Das ganze Ausmaß des Lehrer-Engpasses an der Gebrüder-Grimm-Schule durch die hohe Zahl an Krankheitsfällen (AZ berichtete exklusiv) wird jetzt deutlich: „Wir haben im Moment eine Unterrichtsversorgung von 50,5 Prozent“, sagte gestern Schulleiterin Dörte Gollin der AZ. Inzwischen habe sie aber die Zusage der Bezirksregierung, dass von Montag an eine weitere Lehrkraft an die Schule abgeordnet wird.
Gollin hatte am Donnerstag ein Schreiben an die Eltern verteilt, das besagt, jeweils zwei Klassen müssten ab der kommenden Woche je einen Tag zu Hause bleiben und die Verlässlichkeit sei aufgehoben. „Es blieb mir nichts anderes übrig.“

Vergeblich bemüht

Bereits in den Sommerferien habe sie eine Feuerwehrkraft beantragt, sagt Gollin. Dann hätten sich die Krankheitsfälle gehäuft. Vergeblich habe sie sich in den vergangenen Wochen um eine weitere Aushilfe bemüht. Zusammen mit der Verstärkung von Montag an sei nun aber Ersatz für drei fehlende Lehrer geschaffen. „Es fehlen dann noch drei“, so Gollin weiter.

Doppelte Arbeit leisten

Überbrückt wurde die Situation mit pädagogischen Mitarbeitern, die keinen Unterricht geben, sondern lediglich Aufsicht führen dürfen. Die verbliebenen Lehrer hätten den doppelten Unterricht vorbereiten müssen – auf Dauer unzumutbar. „Die Lehrer gehen alle am Krückstock“, formuliert es Gollin.
Schüler oder ganze Schulklassen mussten auf andere Klassen verteilt werden. In den Räumen sei teilweise kein Platz für genügend Tische und Stühle gewesen. „Wir versuchen ein hohes Niveau zu halten und so weit es geht zu verhindern, dass jemand ins Hintertreffen gerät“, verspricht Gollin, die jetzt froh über die neue Lehrkraft ist.

Gifhorn
                    
           §
Veröffentlicht 17.09.2004 22:09 Uhr
Zuletzt aktualisiert 17.09.2004 22:12 Uhr  

22.09.04 12:05

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerMal wieder: Schule für alle!

Ein - wie ich finde - unaufgeregter, guter Artikel.


Schule für alle!
22. Sep 07:12

http://www.netzeitung.de/voiceofgermany/305957.html

Pisa-Studie und OECD-Bildungsbericht zeigen auf, an welchen Schrauben im Bildungssystem gedreht werden muss. Fällig ist ein Systemwechsel hin zu einer Schule für alle, bestehend aus sechs Jahren Grund- und sechs Jahren Oberschule.




Von Joachim Helfer

Vor zwei Jahren legte die Pisa-Studie den im internationalen Vergleich nicht einmal mehr mittelmäßigen Lehrerfolg deutscher Schulen bloß. Der Schock über das miserable Abschneiden deutscher Mittelschüler bei standardisierten Tests solcher Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen, des muttersprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Verständnisses, hat eine neue Debatte über Bildungs- und Schulpolitik ausgelöst. Mit der Bundesinitiative zur Förderung der Ganztagsschule, die nach Willen und Überzeugung der Bundesbildungsministerin Buhlman binnen zehn Jahren von der Ausnahme zur Regel werden wird, ist sogar bereits eine erste politische Konsequenz gezogen worden.


Die Ganztagsschule allerdings ist vor allem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen von Bedeutung, und folglich für die Steigerung unserer viel zu niedrigen Geburtenrate. Dieses einzige Problem, das unseren zukünftigen Wohlstand noch grundsätzlicher in Frage stellt, ist mit der Bildungskatastrophe zwar verzahnt, aber nicht identisch. Schlechter Unterricht wird nicht dadurch besser, dass es davon mehr gibt.

Eine Bildungsreform ist nötig

Der Vergleich mit Industrienationen, die bei der Pisa-Studie erfolgreicher abgeschnitten haben, zeigt zwar, dass die Schüler dort deutlich mehr Unterrichtsstunden erhalten, und zwar oft bei weniger Schuljahren, was durch eine höhere Quote ganztägiger Schulen zu erklären ist. Doch handelt es sich dabei eben nur um einen von einer ganzen Reihe auffälliger Unterschiede, die sich in ihrer Gesamtheit erst aus dem dieser Tage vorgelegten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herauslesen lassen.

Beide Studien im Zusammenhang legen dringlich eine Bildungsreform nahe, die über die Ausweitung der Ganztagsschule weit hinausgeht, und von der Gesamtschule bis zur Studiengebühr alle Reizthemen der zumal in den siebziger Jahren mit der Verbohrtheit eines Glaubenskriegs geführten Debatte neu aufreißt. Entsprechend schnell waren die Parteien und beteiligten gesellschaftlichen Gruppen nach Vorlage des OECD-Berichts in den alten Gräben verschwunden. Genau das aber, ein kompromisslerisches Weiterwurschteln in den eingefrorenen Positionen des ideologischen Stellungskriegs von anno dazumal, können wir uns nicht leisten: die OECD versteht unter Bildung ja kein humanistisches Ideal, sondern allein marktgängige, für die Wertschöpfung unmittelbar relevante Kenntnisse und Fertigkeiten. Ihre nüchternen Statistiken belegen nichts weniger, als dass Deutschland binnen weniger weiterer vergeudeter Legislaturperioden unter dem akuten Mangel gut ausgebildeter junger Leute wirtschaftlich kollabieren wird.

Die Dynamik der Implosion

Die Dynamik dieser Implosion entsteht erst durch das Zusammenspiel mehrerer je für sich langsamerer Entwicklungen: die Geburtenrate sinkt, die Schulbildung für die selbst bei steigender Quote mittelfristig weniger werdenden Schüler wird (zumindest im Verhältnis zu anderen Ländern) schlechter, während gleichzeitig der Konkurrenzdruck eben dieser Länder mehr und besser ausgebildete Abiturienten und Absolventen erfordert. Soweit die Tartarenmeldung, von der man kaum zu hoffen wagt, dass sie eine Gesellschaft zum praktischen Denken und Handeln bewegen möge, die dazu gewöhnlich erst willens ist, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist.

Als sachliche – also nicht idealistisch, sondern volkswirtschaftlich interessante – Bestandsaufnahme eines Problems legen die Untersuchungen zur Bildung in Deutschland aber auch nahe, was getan werden könnte, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Was sind denn die wichtigsten Befunde aus beiden Studien?

Was die Studie feststellt

Im Vergleich zu den konkurrierenden Industrienationen schneiden deutsche Mittelschüler beim Lesen und Schreiben, in Mathematik und Naturwissenschaften deutlich schlechter ab als der Durchschnitt ihrer Altersgenossen. Dabei hängt der Schulerfolg deutscher Kinder viel stärker vom Schulabschluss der Eltern ab, ist der soziale Aufstieg durch Begabung und Bildung also nirgendwo schwerer als bei uns – soviel zum Erfolg des sozialdemokratischen Reformziels der Chancengleichheit. Bis heute werden deutsche Schüler früher als anderswo nach ihrer vermuteten Begabung gesiebt, im Ergebnis über die Hälfte eines Jahrgangs schon vor der Pubertät vom direkten Zugang zum Studium ausgeschlossen. Im Ergebnis ist der Anteil der Abiturienten, noch mehr der Hochschulabsolventen an jedem Jahrgang deutlich niedriger als im Länderdurchschnitt (und der Zugewinn an Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit für diese Gruppen entsprechend höher!).

Obwohl sie viel weniger Stunden als im Durchschnitt erhalten, gehen deutsche Schüler länger zur Schule, erreichen deutsche Abiturienten die Universität später, studieren dann länger, und brechen das Studium häufiger ab. Deutsche Lehrer leisten nicht mehr Unterrichtsstunden als der Durchschnitt ihrer Kollegen, werden dafür aber (gemessen am Lehrergehalt im Vergleich zum Inlandsprodukt pro Kopf) deutlich besser und obendrein ohne Bezug zu einer kontrollierten Leistung bezahlt. Zum Ausgleich sind deutsche Schulklassen im Durchschnitt größer und obendrein schlechter mit Sachmitteln ausgestattet. Die einzelne Schule ist bei uns weniger frei, über den Einsatz von Personal und Sachmitteln vor Ort selbst zu entscheiden.

Insgesamt liegen die gesellschaftlichen (staatlichen und privaten) Aufwendungen für Bildung gemessen am Anteil des Sozialprodukts unter dem Durchschnitt, und sie steigen auch deutlich langsamer an als anderswo. Im Einzelnen sind insbesondere die staatlichen Aufwendungen für Kindergarten und Grundschule stark unterdurchschnittlich, während andererseits die privaten Aufwendungen für das Studium niedriger ausfallen als im Länderdurchschnitt.

Schlüsse aus der Studie

Aus all dem folgt, dass es mit der phantasie- und, nach Lage der öffentlichen Haushalte, eben auch folgenlosesten aller politischen Forderungen, nämlich der nach mehr Geld, keineswegs getan sein kann. Zwar sind und steigen auch die Bildungsausgaben in Deutschland unterdurchschnittlich, Strukturprobleme aber, das eben lehren auch Gesundheits- und Arbeitsmarktreform, müssen mit Eingriffen in die Struktur behoben werden, nicht durch Nachschießen neuer Mittel in ein veraltetes System.

Auch handelt es sich um kein Problem des Föderalismus, also der eifersüchtig gehüteten Kulturhoheit der für Schulpolitik eigentlich allein zuständigen Länder. So wirkungsvoll es war, sie zur Durchsetzung der Ganztagsschule durch den Einsatz von Geld aus dem Bundeshaushalt auszuhebeln: Für die einzelne Schule ist es egal, ob sie von Landes- oder Bundesministern gegängelt wird. Entscheidend ist die Schaffung schulischer Selbstverwaltung einerseits und zentraler Leistungskontrolle für Schüler wie Lehrer andererseits.

Schließlich wird man um eine Neuauflage des einst so erbittert geführten Streits um die richtige Schulform nicht herumkommen: Mit dem lapidaren Hinweis, dass am Ende nur die Qualität der einzelnen Lehrkraft oder Schule zähle, lassen sich die überwältigenden statistischen Evidenzen der OECD nicht vom Tisch wischen. Trotz der zahllosen engagierten Lehrer, die es in Deutschland zweifellos gibt, sind unsere Schulen im Schnitt ihrer Leistung, soweit diese messbar und volkswirtschaftlich relevant ist, dramatisch schlechter als anderswo.

Der nötige Systemwechsel

Die Einführung der Ganztagsschule als Regelschule wird da kaum reichen: diese ist zwar allein schon zur Hebung der Geburtenrate geboten, wird am Bildungsnotstand in Deutschland aber nur dann etwas ändern, wenn auch am Nachmittag der Bildungs- und nicht der Verwahrauftrag der Schule im Mittelpunkt steht. Dabei kann zum einen mehr Unterricht in den klassischen Schulfächern, durchaus auch mit dem Ziel einer Verkürzung der Schulzeit erteilt werden. Zum anderen muss hier, neben Sport und Spiel, die musisch-kulturelle und soziale Förderung ihren Platz finden. Das kostet Geld, kann teilweise aber durch Kooperation mit Vereinen und Einsparungen anderer derartiger Angebote außerhalb der Schule bezahlt werden. Welchen Sinn macht es, das Schulhaus nachmittags zu, das Jugendzentrum aber nachmittags aufzusperren?

Die tiefer greifende Bildungsreform, die der OECD-Bericht nahe legt, ist allerdings der Systemwechsel hin zu einer Schule für alle, bestehend aus sechs Jahren Grund- und sechs Jahren Oberschule, die zumindest versucht, möglichst jeden bis zur Schwelle der tertiären Bildung zu fördern. Diese kann dann akademischer oder berufspraktischer Art sein, wie sie ja bereits heute viele Abiturienten wählen, während Hauptschulabgänger oft ohne Lehrstelle bleiben. An die Stelle des Zeugnisses der allgemeinen Hochschulreife träte also das Abgangszeugnis der Oberschule als Voraussetzung für ein Studium, über dessen Aufnahme aber die Hochschulen mit eigenen Eingangsprüfungen für jeden Studiengang entschieden.

Das Ende der Ständegesellschaft

Wer auf das Wort Gesamtschule nach den Erfahrungen der siebziger Jahre allergisch reagiert (auch der Schreiber dieser Zeilen hat sie erlitten), kann auf das aus dem DDR-System bewährte Wort Oberschule zurückgreifen. In der Sache ist die Gesamtschule, neben der modernistischen Neigung zu unmenschlicher Übergröße und mancher Verwirrung der 68er in Gestalt von Kuschelpädagogik und Kulturskepsis, an der ausblutenden Konkurrenz der Gymnasien gescheitert, auf die Eltern mit Klassendünkel ihre Kinder schicken konnten.

Die Grundüberlegungen der sechziger Jahre waren richtig: die ständische Struktur, nach der in Deutschland, wider alle pädagogische und entwicklungspsychologische Einsicht, über die Bildungs- und mithin Lebenschancen von Zehnjährigen entschieden wird, passte schon nicht mehr in eine Republik des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Statistiken der OECD belegen die ja keineswegs nur volkswirtschaftlich aberwitzige, sondern auch unter humanistischen und demokratischen Gesichtspunkten unerträgliche Realität unserer so unbeweglichen wie undurchlässigen Ständegesellschaft, dass Lehrer, die in ihrer eigenen Leistung von niemandem beurteilt werden, Lehrerkinder aufs Gymnasium schicken, Arbeiterkinder in die Realschule und Einwandererkinder in die Hauptschule.

Beispiel USA

Wer, wie jüngst der CDU-Chef in NRW, Rüttgers, Überlegungen zu einer neuen Einheitsschule als Gleichmacherei brandmarkt, möge in die für Gleichmacherei nicht eben berüchtigten USA blicken: Dort gehen zunächst alle Kinder auf die gleiche High-School. Zu den ständischen Relikten hierzulande gehört ferner, dass die für den einzelnen besonders ertragreiche Hochschulbildung, die dank viel zu früher Auswahl ohnehin bevorzugt den Kindern des akademisch gebildeten Mittelstands offen steht, von der Allgemeinheit bezahlt wird, dagegen die für die Gesellschaft (durch die Ermöglichung von Geburten und Frauenarbeit) besonders ertragreiche Kleinkinderbetreuung den einzelnen Familien aufgebürdet wird. Eine wirkliche Bildungsreform würde dieses Missverhältnis vom Kopf auf die Füße stellen, also einerseits nach Abschluss rückzahlbare Studiengebühren einführen und andererseits die Kindergärten mit einem Bildungsauftrag ausstatten und zum Teil des allgemein finanzierten Bildungssystems machen.

Kurz: die dringend anstehende Reform des Bildungswesens wird mindestens so einschneidend ausfallen müssen wie jene des Arbeitsmarkts. Dass unsere überalterte Lehrerschaft, als gern feinsinnig idealistisch argumentierender Stand ökonomischer Hauptnutznießer des jetzigen Systems, Ruhe wünscht, ist kein Argument: Die junge Generation hat ein Recht auf eine nachhaltige, das heutige Wohlstandsniveau auch für ihre Zukunft sichernde Schulbildung.
 

29.09.04 10:09

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerHat hier jemand nen Abo des Bayernkurier

(keine falsche Scham beim Outing) und kurz Zeit, nen Artikel abzutippen? Er ist nämlich leider nicht verlinkt.
Darum über Umwege: Frau Hohlmeier und die "Schule für alle":

Hohlmeiers ganz private Einheitsschule

Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) wandte sich im "Bayernkurier" scharf gegen die Idee einer Schule für alle. Wir dokumentieren:

"Bayernkurier": Bringt die Diskussion um die OECD-Studie eine Wiederbelebung der Gesamtschule?
Monika Hohlmeier: Die Forderung von SPD und Grünen nach einer deutschen Einheitsschule ist absurd. Sie entdecken die alten Ladenhüter aus den Siebzigerjahren wieder […] Vor nicht einmal zwei Jahren hat Pisa die deutsche Gesamtschule als das Verlierer-Modell schlechthin entlarvt.
Was halten Sie von dem Vorwurf, die dreigliedrige Schule benachteilige schwächere Kinder?
Das ist schlichtweg falsch. Der beste Beweis dafür ist die Pisa-Studie. Hier haben Länder […] mit einem gegliederten Schulwesen am besten abgeschnitten.

Die taz schob bei Frau Hohlmeier eine vom "Bayernkurier" offenbar vergessene Frage nach.
taz: Warum schicken Sie Ihre eigenen Kinder auf eine Waldorfschule - eine Einheitsschule, in der alle Kinder bis zur 12. Klasse zusammenbleiben?
Meine Tochter besucht die Waldorfschule, mein Sohn [inzwischen; d. Red.] ein staatliches Gymnasium. Die Entscheidung für die Waldorfschule wurde aus einem ganz persönlichen Lebenszusammenhang heraus getroffen. Wir hatten in unserer Gemeinde Kindergartenprobleme und haben einen Platz im Waldorfkindergarten bekommen. Als dann der Schulübertritt anstand, wollte meine Tochter zusammen mit ihrer besten Freundin in die Schule gehen - und bei ihr stand fest, dass sie auf eine Waldorfschule geht. Hinzu kam, dass ich in meiner eigenen Jugend erfahren musste, dass einige Lehrer und Eltern dazu neigen, Kinder von Politikern zu instrumentalisieren. An der Waldorfschule habe ich gute Erfahrungen gemacht. Weil zum einen die Eltern untereinander und Lehrer einen engen Kontakt haben. Bei meinem Sohn läuft es an seinem staatlichen Gymnasium ebenfalls sehr gut.

taz Nr. 7474 vom 29.9.2004, Seite 18, 63 Zeilen (Dokumentation)

Hm, wie die zu ihren Erkenntnissen kommt, würde mich tatsächlich interessieren.
Gruß
Talisker  

14.10.04 11:51

36845 Postings, 7524 Tage TaliskerDas Thema scheint nicht mehr aktuell zu sein.

Aber dennoch, weil es so schön ist, unterschiedliche Meinungen zum selben Sachverhalt zu hören:


[Bayern] Kultusministerium lehnt bildungspolitische Vorschläge der SPD ab

München, Die SPD geht mit bildungspolitischen Vorschlägen hausieren, die sich nirgends in Deutschland bewährt haben. Während Bayern mit seinem differenzierten Schulsystem eindeutig zu den PISA-Siegern gehörte, haben SPD-regierte Bundesländer mit Orientierungsstufen-Modellen und Gesamtschul-Experimenten bei PISA denkbar schlechte Zeugnisse erhalten.

Ungeachtet dessen will die SPD nun durch die Hintertür wieder eine Form von Orientierungsstufe einführen und ganze Schularten zusammenlegen. Eine Verbesserung der Bildungschancen des Einzelnen wird aber nicht durch Gleichmacherei eintreten, sondern durch eine gezielte, begabungsgerechte Förderung und die gleichzeitige Erhöhung der Durchlässigkeit des Schulsystems. Hier hat Bayern beispielsweise mit der Einführung der M-Züge an den Hauptschulen, mit der R6 und dem FOS13-Schulversuch, der auch Schülern mit einem mittleren Schulabschluss den Weg zur Hochschulreife ermöglicht, Maßstäbe gesetzt.
Offensichtlich will die SPD wesentliche bildungspolitische Initiativen der letzten Jahre nicht zur Kenntnis nehmen. So wurden die Angebote einer stärker individuellen Förderung nachhaltig ausgebaut. Die Sprachlernklassen und Praxisklassen an den Hauptschulen oder die Intensivierungsstunden am neuen achtjährigen Gymnasium sind nur Beispiele dafür. Der Prozess der Inneren Schulentwicklung hat inzwischen dazu geführt, dass die Schulen in vielen Bereichen selbstständiger entscheiden und arbeiten. Bereits seit dem letzten Schuljahr können sie z.B. eine Flexibilisierung der Stundentafeln vornehmen, jahrgangs- oder klassengemischte Gruppen einrichten oder externe Partner in den Unterricht mit einbeziehen. Der Anteil der Schüler, die eine Fachhochschulreife, fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife erreichen, ist in den letzten Jahren auf 31,24% angestiegen.
Mit ihrer Forderung nach dem Verzicht auf Noten liegt die SPD völlig konträr zur überwältigenden Mehrheit der Eltern und Lehrkräfte.
Pressestelle
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Tel. 089/2186-2106
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Monika Hohlmeier (CSU)
Staatsministerin

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Tel: 089/2186-0 (Vermittlung)
Fax: 089/2186-2800
www.km.bayern.de/km/index.shtml



Äh - SPD will Noten abschaffen? Für welche Schulform/Klassenstufen? Kann hier vielleicht mal ein informierter Bayer kurz Nachhilfe geben?
Ansonsten die alten Schlagworte: Gleichmacherei, angestrebte höhere "Durchlässigkeit" usw.

Ein anderer Artikel zum "gegliederten Schulsystem" findet sich hier und kommt zu einem anderen Schluss:

www.zeit.de/2004/43/C-Schulstreit

 

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