Quelle: http://www.wallstreetjournal.de/article/...504577405662329457238.html Vielen Dank, James Dimon! Nein, nicht dafür. Nicht für das Eingeständnis des Verlustgeschäfts, das J.P. Morgan zwei Milliarden US-Dollar und mehr kosten wird. Nein, danke für den Beweis, dass große Banken immer noch zu groß sind, um sie zu führen. Der Pfusch wird die US-Bank sicher nicht an den Rand des Abgrunds bringen. Dafür hat sich Dimon als J.P. Morgan-Chef darum verdient gemacht, die Regulierer - wenn auch unabsichtlich – daran zu erinnern, dass sie ein klares Drehbuch benötigen, um den oft fehlgeleiteten Bankkolossen eine Diät zu verschaffen, ohne das Finanzsystem zu beschädigen. J.P. Morgan hat bei dem Geschäft mit seinem eigenen Geld gewettet – wenngleich die Spekulationen der"Absicherung" von Risiken dienen sollten. Die Diskussion seit Bekanntwerden der Verluste dreht sich daher hauptsächlich um die so genannte "Volcker-Regel", die den Banken den Eigenhandel verbieten soll. Die Debatte lässt aber fast völlig außer Acht, was mit den großen Geldhäusern geschehen soll, die das Risiko schlechthin verkörpern. Aufschlussreich sind da die Ausführungen Dimons zu den verlustträchtigen Handelsgeschäften. Sie seien "mangelhaft, verwickelt, unzureichend geprüft, unzureichend ausgeführt und schlecht überwacht" gewesen, sagte der Bankchef. Und: "Wir hätten dem mehr Aufmerksamkeit widmen sollen." "Too big to fail" bestimmt das Bewusstsein Das sagt ein Mann, der für seinen Laserblick auf die Details gerühmt wird. Er selbst spricht oft davon, die inneren Vorgänge in der Bank wie die "Knochen eines Gelenks" zu kennen und unablässig das Ziel zu verfolgen, die "Bilanz zu einer Festung" zu machen. Und jetzt wussten weder er noch seine Offiziere Bescheid über eine Abteilung, die die Kleinigkeit von 370 Milliarden Dollar verwaltet. Dimons Versehen unterstreicht die beiden größten Probleme, die nach der Finanzkrise übriggeblieben sind: Die großen Banken sind zu komplex, um sie zu durchschauen. Und sie sind zu groß, um sie fallenzulassen. Vor allem die zweite Erkenntnis vom "Too big to fail" hat sich ins Bewusstsein der Wall Street so eingebrannt, dass es mit "TBTF" sogar schon eine eigene Abkürzung dafür gibt. In der Frage der Komplexität müssen die Aufseher einen Teil der Schuld auf ihre eigene Kappe nehmen. Während der Finanzkrise haben das Finanzministerium und die US-Notenbank die Banken ermuntert, sich gegenseitig zu schlucken. J.P. Morgan beispielsweise verleibte sich so die Investmentbank Bear Stearns und die Geschäftsbank Washington Mutual ein, die sich mit Hypotheken verspekuliert hatte. Das Ergebnis sind Finanzinstitute, die Mary Shelley, die Erfinderin von Frankenstein, stolz gemacht hätten. Mit den übermäßig komplizierten Banken wird die Lösung des TBTF-Dilemmas erst recht zur Aufgabe. Wie können die großen Institute verkleinert werden, ohne den Steuerzahlern die Kosten dafür aufzubürden und ohne das Finanzsystem zu zerstören? Der Plan von Gruenberg Nur Stunden, bevor Dimon am Donnerstag das Rampenlicht für sich beanspruchte, vermittelte der Chef der US-Einlagensicherung FDIC in einer Rede eine Ahnung davon, wie die Nachlässigkeit der Regulierer beendet werden könnte. Im Rahmen der Dodd-Frank-Gesetze, die nach der Finanzkrise eingeführt wurden, ist die FDIC dafür verantwortlich, scheiternde Banken zu übernehmen. Martin Gruenberg, der amtierende Chef der Behörde, will das so machen: Zunächst soll die schlingernde Dachgesellschaft in Besitz genommen, während die funktionierende Tochtergesellschaft so weiterarbeitet wie normal. Das Vermögen des Mutterunternehmens soll dann in eine "Brückengesellschaft" überführt werden. Die FDIC würde dann das Management feuern, ziemlich sicher die Aktionäre rausdrängen, den Gläubigern einen massiven Schuldenschnitt abverlangen und ihren Schmerz mit Anteilen an der Brückengesellschaft lindern. Dieses Unternehmen würde dann Kapital aufnehmen - entweder durch staatliche Bürgschaften abgesichertes Fremdkapital oder über einen von den großen Banken gespeisten Fonds. Ziel wäre es, dass die FDIC die Brückengesellschaft so schnell wie möglich wieder loswird. In der Theorie, die der Plan bislang noch ist, wäre das Ergebnis viel besser als die chaotische Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008, die fast eine Kernschmelze der Weltwirtschaft zur Folge hatte, oder auch die umstrittene 180 Milliarden Dollar teure Rettung des Versicherungsriesen AIG. Der Plan der FDIC hat zwei Vorteile - zumindest auf dem Papier: Das moralische Problem einer Bankrettung durch die Regierung wird mit den Schmerzen für Management, Aktionäre und Gläubiger behandelt. Außerdem bezahlt der Steuerzahler keinen Cent. Theoretisch gut - und praktisch? Praktisch wird Gruenbergs Plan von einer Reihe wichtiger Voraussetzungen abhängen: Er wird funktionieren, wenn die Tochtergesellschaften das Vertrauen der Anleger nicht verlieren oder die Gläubiger sich nicht komplett aus dem Banksektor zurückziehen, weil sie von dem Schuldenschnitt bei der einen Bank traumatisiert sind. Außerdem dürften die Aufseher in Übersee nicht ihrerseits die ausländischen Töchter der US-Banken übernehmen, wenn diese in die Krise geraten. Vertrauen ist flüchtig und die Neigung der Investoren zu den Tochtergesellschaften wird davon abhängen, wie schnell und überzeugend die Regulierer handeln. Was die Auslandsfrage angeht, hat Gruenberg von Fortschritten gesprochen, die mit den britischen Kollegen erzielt wurden. US-Banken haben den Großteil ihrer ausländischen Töchter in Großbritannien angesiedelt. Gruenberg zeigte sich zuversichtlich, dass es der FDIC gelingen kann, das Bad der Bad Bank auszuschütten und das Finanzsystem in der Wanne sitzenzulassen. "Wir glauben, wenn wir das morgen tun müssten, dann hätten wir die Autorität und die Fähigkeit dazu", sagte er und fügte hinzu, dass seine Behörde gerade eine 180 Köpfe zählende Abteilung aufbauen will. Dann hoffen wir mal, dass er recht behält. Schließlich ist das Thema "von entscheidender Wichtigkeit, damit Management und Gläubiger gezwungen werden zu verstehen, dass sie NICHT zu groß sind, um fallengelassen zu werden. Und um zu verstehen, dass sie NICHT so wichtig sind, dass sie der Steuerzahler herauspaukt und dass sie NICHT vor den eingegangenen hohen Risiken geschützt sind". Das schrieb kürzlich ein Manager der Wall Street an seine Investoren. Sein Name? James Dimon. Gruss Chiara |