Ich beschäftige mich gerne mit den "technischen" Qualitäten von Firmen bzw. deren Produkten. Anhand der Erkenntnisse versuche ich dann, die Zukunftsaussichen der Firmen einzuschätzen. Daraus leitet sich dann für mich die Entscheidung bzgl. eines Investments in die Firma ab.
Angefangen habe ich damit bei Enphase im Herbst 2017, als die noch bei knapp 1.5€ standen. Ich habe mich damals in die Technik von PV-Anlagen im Allgemeinen und Wechselrichtern im Besonderen eingelesen. Eine Menge "Arbeit", aber interessant und lehrreich.
Ich war seinerzeit zu dem Schluss gekommen, dass Enphase da ein dickes Ding entwickelt/produziert. Offensichtlich waren ein paar kreative und fähige Ingenieure am Werk. Vom management hatte ich den Eindruck, dass es auch technisch beurteilen kann, was da in ihrem Laden passiert und worauf es ankommt. Also (unter dem Aspekt der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs) ein klarer Kauf.
Der Aufwand hat sich für mich dann auch finanziell gelohnt, Enphase hat sich am Markt durchgesetzt, weil sie ein hervorragendes Produkt in hoher Qualität (mit extrem geringen Ausfallraten) anbieten. Aber: auch bei Enph waren die shorter massiv vetreten und haben es (natürlich unterstützt durch teilweise echt haarsträubende bullshit-reports) immer mal wieder geschafft, den Kurs beträchtlich abstürzen zu lassen. Das war mir zwar nicht egal, hat mich aber nicht beeinflusst. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und war mir ziemlich sicher, dass keiner der Analysten (ob positiv oder negativ gestimmt) und erst recht keiner der shorter auch nur die geringste Ahnung von der Technik hatte.
Enph hat sich für mich inzwischen etwas relativiert, weil jetzt immer mehr "storage" in den Vordergrund rückt. Da hat Enph einen Nachteil in seinem System, weil sie mit Wechselstrom "vom Dach kommen": der MicroWechselrichter sitzt im PV-Modul. Zur Entnahme von in der Batterie gespeicherter Energie ist also ein zusätzlicher Wechselrichter ("im Technikraum") erforderlich, was die storage gegenüber "konventionellen" Systemen um einiges teurer macht. Konventionelle Systeme schließen z.B. die Batterie als "zusätzlichen String" an den sowieso vorhandenenen Wechselrichter an (der dann nur wenig teurer wird). Enph löst das Problem, indem sie ihre Microwechselrichter gleich in die Batterie einbauen und das unter dem Euphemismus ;-) "AC-battery" anbieten. Das kostet dann einen Microwechselrichter pro (in etwa) 500W Batterieleistung und geht entsprechend in den Preis Batterien ein. Enph Batterien sind also im Vergleich zur Konkurrenz ziemlich teuer: ~6kW Leistung möchte ich aus meiner Batterie schon entnehmen können (Wärmepumpe, Herd...), und das wären dann 12 Microwechselrichter zu je 120$ (oder so) in der Batterie.
Mal sehen, ob der Markt es über kurz oder lang auch so sieht, dass der Aspekt storage die ansonsten bei Enph für bestimmte Systeme (die eine Regelung auf Basis des einzelnen Moduls erfordern, was nicht wirklich oft der Fall ist) sicher vorhandenen Systemvorteile relativiert.
Ich schweife ab...;-)
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Varta habe ich mir auch zunächst mal unter dem technischen Aspekt angesehen. Die Technik ist recht komplex, und ich möchte meine Ergebnisse hier nicht im einzelnen diskutieren, aber phänomenologisch betrachtet ergibt sich für mich folgendes Bild:
Da stehen im Vordergrund die Microbatterien, die offensichtlich qualitativ derzeit unerreicht sind. Asiatische Konkurrenten haben versucht, ähnliche Qualität auf den Markt zu bringen, aber das war wohl ohne illegale "Anleihe" bei der Varta-Technologie bisher nicht möglich.
Auch hier sehe ich den Grund darin, dass Varta wohl wirklich kreative und fähige Ingenieure hat. Es ist ja kein Pappenstiel, eine Batterie zu entwickeln, die technisch vorne liegt. Dazu braucht man Physik, Chemie, Verfahrenstechnik, ...Ideen und den Durchblick, das alles optimal miteinander zu verknüpfen, ...und ein management, das den technischen Überblick hat, Entwicklungsvorgaben macht, seine kreativen Leute optimal fördert und ihre effektive Zusammenarbeit steuert. Und es ist nicht so, dass all das in solchen Firmen selbstverständlich ist. Insbesondere in punkto Kreativität und deren Förderung haben z.B. viele asiatische Länder schon durch ihre Schul- und sonstige Ausbildungsphilosophie noch einiges aufzuholen.
Jetzt geht Varta also das zukunftsträchtige Geschäft mit Rundzellen an. Gefördert mit um die 200 Millionen Euro (das hilft natürlich erheblich) zunächst mal 21700er Zellen. Und die wiederum haupsächlich (aber nicht ausschließlich) für die in den nächsten Jahren wohl boomenden Märkte BEV und storage. Rundzellen kann Varta ja schon (18650), es handelt sich also nicht um völliges Neuland. Jetzt geht es darum, mit dem neuen Format technisch und qualitativ ganz vorne im Markt zu landen. Da Varta das mit den Mikrobatterien geschafft hat, sehe ich keinen Grund, warum das - mit dem gleichen Personal, das aber inzwischen durch die Erfahrung mit den Mikrobatterien sicher einige zusätzliche Tricks drauf hat - mit den 21700ern nicht gelingen sollte.
Also für mich: unter dem Aspekt der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ein klarer Kauf.
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Derzeit beschäftige ich mich mit ein paar weiteren Firmen, wieder unter dem "technischen" Aspekt.
Ich bin damit noch nicht ganz durch, aber als Favorit läuft bei mir im Moment Biontech. Geniale Entwickler, qualitativ ganz vorne (und die schnellsten) mit ihrem Covid-Impfstoff, jede Menge Potential in der pipeline...das scheint mir - vor allem im Vergleich mit der Konkurrenz - im Kurs der Aktie alles überhaupt noch nicht bewertet zu sein. Grund für mich, zunächst mal eine mittelgroße Position in Biontech anzulegen. Für die weitere Analyse muss ich mir noch einiges an Fachwissen aneignen. Für einen Geophysiker (der allerdings die Mikrobiologie-Dissertation seiner Tochter erfolgreich korrekturgelesen hat ;-) ist das ein ganz schöner Aufwand. Aber auch mal wieder sehr interessant und lehrreich.
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