Gesamtwirtschaftliches Umfeld
Der Goldpreis-Anstieg der letzten Tage wirft erneut die Frage auf, wie viel physisches Gold überhaupt für die Investoren zur Verfügung steht. Wir wissen, dass nur für einen kleinen Teil des Geldes, das in Gold investiert wird, Bullion-Münzen oder Barren gekauft werden. Der Rest fließt in Gold-Sparpläne, Future-Kontrakte, Gold-Konten, Gold-Zertifikate, ETFs und andere Finanz-Instrumente.
Großinvestoren wie Lebensversicherungen und Pensions-Fonds dürfen in Deutschland grundsätzlich ihre Kunden-Gelder nicht in Gold anlegen. Noch nicht einmal in Papier-Gold. Mit dem Geld der Kunden werden lieber Staatsanleihen und zum Teil Aktien gekauft. Auch auf dem Höhepunkt der Krise war so sichergestellt, dass in diese Märkte weiterhin massiv Investoren-Gelder gespült wurden.
In den U.S.A. sieht die Situation anders aus: In Gold ETFs dürfen diese Investoren ihr Geld anlegen. Oder in Hedge-Fonds, und diese können praktisch in alle Anlageformen investieren. Aber seit der Pleite von Lehman Brothers im letzten Herbst wurde für jeden sichtbar, dass Zertifikate und andere Schuldverschreibungen einer Bank nur solange einen Wert haben, wie die Bank zahlungsfähig bleibt. Bricht die Bank zusammen, dann verfallen die Werte dieser Zertifikate meistens auf Null oder einem Wert nahe Null.
Wie in anderen Bereichen des Finanz-Sektors gibt es auch im Bereich Gold eine inverse Pyramide. Die Spitze der Pyramide steht auf dem Kopf und trägt dabei die darüber liegenden Schichten.
An der Spitze der Gold-Pyramide steht die verfügbare Menge an physischem Gold. Weltweit wurden bislang knapp 160.000 Tonnen Gold geschürft und es ist zu erwarten, dass ein Großteil dieses Goldes noch vorhanden ist. Aber nur ein kleiner Teil dieser Gold-Menge bildet die Spitze der Gold-Pyramide.
An zweiter Stelle stehen Future-Kontrakte und Optionen z.B. an der New Yorker COMEX.
An dritter Stelle stehen andere Derivate-Geschäfte auf Gold, die nicht an den offiziellen Märkten gehandelt werden, sondern an nichtregulierten Schattenmärkten (Over-the-Counter).
An letzter Stelle steht die Palette der Gold-Konten, Zertifikate und anderen Anlage-Formen, bei denen Investoren denken, dass sie ihr Geld in echtes Gold anlegen.
Schauen wir uns im Einzelnen die unterschiedlichen Schichten der Gold-Pyramide einmal an.
Innerhalb einer Woche haben die Commercials nach dem COT (CFTC Commitment of Traders) Report für den 8. September ihre Short-Positionen an der COMEX um 56.777 Kontrakte auf 355.639 Kontrakte ausgebaut. Das entspricht einer Menge von 177 Tonnen Gold. Auf der anderen Seite hat sich der Gold-Bestand der Commercials in den Lagerhäusern der COMEX quasi nicht verändert: In der Kategorie Registered befinden sich Gold-Bestände zu Erfüllung einer Lieferverpflichtung für 21.623 Kontrakte.
Wenn man bedenkt, dass die größten 8 Commercials eine netto Short Position (d.h. ihre entsprechenden Long-Positionen sind mit ihren Short-Positionen bereits saldiert) von 241.215 Kontrakte halten, dann beträgt das Verhältnis von Papier-Gold zu realem Gold 1-zu-11. Und hierbei sei bereits großzügig angenommen, dass das gesamte Gold der Kategorie Registered wirklich diesen 8 Commercials gehöre.
Hinzu kommen laut einem Bericht des Office of the Comptroller of the Currency (OCC) für das 1. Quartal 2009 Derivate-Geschäfte der Top 5 U.S.-Geschäftsbanken i.H.v. $117 Mrd. Auf Basis des zum 31. März 2009 geltenden Gold-Preises von $920 entspricht das einer Gold-Menge von knapp 4.000 Tonnen. Allein JP Morgan Chase hält dabei Kontrakte von knapp $93 Mrd, gefolgt von HSBC mit $19,5 Mrd.
Laut einer Veröffentlichung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) in Basel waren für Dezember 2008 Over-the-Counter (OTC) Derivate auf Gold über $395 Mrd ausstehend. Ende Dezember 2008 betrug der Gold-Preis $860. Das Derivate-Volumen entspricht also einer Gold-Menge von knapp 14.300 Tonnen. Neben JP Morgan und HSBC tummeln sich wohl auch andere große, nicht-U.S. Geschäftsbanken in dem Markt für Gold-Derivate. Ein großer Player dort ist die Deutsche Bank.
Gold-Analyst Adrian Douglas schätzt in seinem Bericht vom 12. September, dass für jede Unze physischen Goldes zwischen 20 und 30 Unzen Papier-Gold im Umlauf sind.
Diese Zahl erscheint mir nicht unrealistisch. Ein Großteil des physisch vorhandenen Goldes liegt in Form von Schmuck vor. Das Gold, das Privat-Investoren in Form von Barren und Münzen horten, ist für den Markt auch nicht verfügbar. Es verbleiben vielleicht 10.000 Tonnen, aus denen dann das Finanz-System weltweit Papiergold von 200.000 Tonnen generiert hat. Die Zahlen der COMEX, des OCC und der BIS erfassen lediglich Derivate auf Gold, mit denen bestimmte Papiergold-Geschäfte abgesichert werden sollen. Die Zahlen sagen nichts darüber aus, wie viele zehntausende von Tonnen Gold als Gold-Konten bei den großen Banken in der Bilanz stehen. Diese großen Banken sind teilweise gleichzeitig Mitglieder des Gold-Kartells: Wenn sie überhaupt noch physisches Gold zur teilweisen Deckung der Gold-Konten ihrer Kunden haben, dann dürften sie das inzwischen in London zur Aufrechterhaltung der Gold-Drückung verkauft haben.
Bei einem Run auf die Gold-Konten werden dann wohl lediglich die ersten 5 Prozent der Kunden ihr Gold auch physisch ausbezahlt bekommen. Die restlichen 95 Prozent müssen sich dann wohl mit einer Abfindung in Form von Papier-Geld zufrieden geben. Um diese Banken zu retten, werden die Notenbanken das für die Auszahlung der Gold-Konten notwendige Papier-Geld (wieder einmal) frisch drucken. Dass sie das können, wissen wir ja bereits.
Aktuelle Entwicklung an den Gold-Märkten
Auch heute kehrte an den Gold-Märkten keine Ruhe ein. Zu groß ist der Druck der U.S. Regierung und der FED auf die in ihrem Auftrag operierenden Gold-Kartell Banken, Gold wieder unter die Marke von $1.000 zu drücken.
Im asiatischen Markt stand Gold dann auch relativ früh unter Beschuss. Die Marke von $1.000 wurde aber erst um 8:00 Uhr MEZ, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem die asiatischen Märkte bereits geschlossen waren und der Londoner Markt noch nicht seinen Handel aufgenommen hat, nach unten durchbrochen.
Mit Beginn des Handels in London konnte Gold die Marke von $1.000 wieder erobern, brach dann im Laufe des Vormittags-Handels auf $995 ein. Dieses Handelsmuster kennen wir bereits: Zum A.M. Fix wurde eine größere Menge 400oz-Barren durch das Kartell in den Londoner Markt eingeschleust. Der A.M. Fix kam schließlich auf diesem Niveau mit $994,25 (EUR 684,22) zustande. Gegenüber dem letzten A.M. Fix am Freitag musste Gold $4 abgeben.
Im Nachmittags-Handel konnte sich Gold aber wieder an die Marke von $1.000 heranarbeiten. Mit Beginn des Handels an der COMEX konnte Gold erneut die Marke von $1.000 zurückerobern. Dem folgte ein weiterer Einbruch auf bis zu $997, worauf Gold dann wieder über $1.000 anstieg. Der P.M. Fix kam trotzdem mit $995,25 (EUR 683,67) knapp unterhalb der Marke von $1.000 zustande. Im Vergleich zum Freitag hat Gold $9 abgeben müssen.
Dieses Niveau konnte auch bis zum Ende des Handels an der COMEX gehalten werden: $999,40.
Das Kartell hat heute seine Order, Gold unter $1.000 zu halten knapp erfüllt.
Der USDX hat sich heute nicht verändert und steht weiterhin bei 76,7. Die Renditen der 10-jährigen Treasuries sind heute auf 3,4 Prozent gefallen (Freitag: 3,3 Prozent). Der Quotient aus dem USDX und den Renditen ist um 0,6 Punkte auf 22,6 gesunken.
Der am Freitag Abend veröffentlichte CFTC Commitment of Traders Report für den 8. September (Dienstag) zeigt eine massive Ausweitung der Positionen der Non-Commercial Longs als auch der Commercial Shorts an. Innerhalb einer Woche ist die Anzahl der offenen Kontrakte an der COMEX um 67.010 Positionen auf 451.713 hochgeschnellt. Dabei haben die eher spekulativ operierenden Non-Commercials ihre Long-Positionen um 44.909 Positionen auf nunmehr 251.708 Kontrakte ausgeweitet. Auf der anderen Seite haben die dem Gold-Kartell zuzurechnenden (großen) Commercials ihre Short-Positionen um 56.777 auf nunmehr 355.639 Kontrakte ausgeweitet. Die 8 größten Commercials sind z.Zt. mit 241.215 Kontrakten netto Short. Die restlichen Commercials sind dagegen lediglich mit 29.582 Kontrakten netto Short (Commercials Short ./. Commercials Long ./. netto Short Kontrakte der 8 größten Commercials).
Wir haben letzte Woche miterleben dürfen, welche Entscheidungs-Schlacht um die Marke von Gold $1.000 ausgefochten wurde. In der Vergangenheit konnten sich bei einer ähnlichen Konstellation fast immer die Gold-Kartell Banken durchsetzen, die mit Hilfe eines ausgelösten Preis-Rutsches bei Gold die Non-Commercials zum Verkauf ihrer Long-Positionen gezwungen haben. Einer solchen Drückung ging ein massive Unterstützung im Londoner Handel voraus. http://www.bullionaer.de/shop/showZiemann.php/action/latest ----------- "Die Börse reagiert nur zu 10% auf Fakten, der Rest ist Psychologie!" (Kostolany) "Selten war mehr als ein Zehntel der Bevölkerung an dem beteiligt, was man Geschichte zu nennen pflegt!" (Samhaber) |