Übernahme der Dunkelmänner
30.07.2006 Ausgabe 31/06
Schnell mal 30 Prozent mit der Aktie eines Unternehmens verdienen, das übernommen werden soll? Klingt verlockend, kann aber ganz miese Abzocke sein. Jüngster Fall: Cobracrest von Jens Castner, Alex Ruckdäschel
Nicht zustellbar. Ein UPS-Zettel mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln“, ist beinahe alles, was Udo Kleiner (Name geändert) von seinem Engagement bei Cobracrest geblieben ist. Fast 40.000 Euro hatte der Anleger aus Düsseldorf in die Firma investiert, die Energydrinks, Diätpillen und rauchfreie Zigaretten herstellt. In weniger als einem halben Jahr schmolz die Summe auf etwa 2000 Euro zusammen. 10000 Cobracrest-Aktien hatte er für knapp vier Euro gekauft, nachdem eine US-Investmentgesellschaft namens Carlyle International ein Übernahmeangebot vorgelegt hatte. 5,23 Euro in Bar war der New Yorker Firma jede Cobracrest-Aktie angeblich wert – mehr als das Doppelte des Vortageskurses von 2,49 Euro. Wer seine Cobracrest-Papiere in Anteilsscheine von Carlyle International tauschen würde, sollte gar Aktien im Wert von 7,03 Euro bekommen. „Ich dachte: So einfach kannst du an der Börse nie wieder 30 Prozent Gewinn einsacken“, erzählt Kleiner. Denkste! Die Aktie fiel vom nächsten Tag an wie ein Stein. Zuletzt notierte sie bei 23 Cent. Wie vielen anderen Anlegern auch, wurde Kleiner erst später klar, dass der vermeintliche Aufkäufer nicht die renommierte Carlyle Group war, die mehr als 35 Milliarden Dollar an Anlegergeldern verwaltet, sondern ein Luftschloss.
Die Namensgleichheit war wohl kein Zufall. „Diesen Effekt nimmt man gerne mit“, sagt der auf Anlegerschutz spezialisierte Münchner Rechtsanwalt Klaus Rotter. Er rät, bei extremen Aufschlägen auf den Börsenkurs „genau zu prüfen, wer hinter dem Übernahmeangebot steckt“. Denn Cobracrest ist keineswegs ein Einzelfall (siehe Charts). Um sicherzugehen, dass er die Barabfindung von 5,23 Euro auch erhält, hatte Udo Kleiner seine Umtauschunterlagen per UPS-Expresssendung in die USA geschickt. Doch unter der angegebenen Adresse 590 Madison Avenue existiert kein Unternehmen namens Carlyle International. Noch nicht einmal einen Alibi-Briefkasten gibt es dort. Nachfragen unserer Redaktion beim Portier ergaben, dass „zumindest so lange ich hier arbeite, keine Firma dieses Namens hier ansässig war“. Der Mann macht den Job seit drei Jahren. Während Kleiners Unterlagen auf dem Weg in die USA waren, untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die Übernahme – allerdings nur zum Teil. Am Barabfindungsangebot hatten die Börsenhüter nichts auszusetzen, lediglich die Aktientauschkomponente wurde verboten, weil Carlyle International keinen Wertpapierprospekt hinterlegt hatte. In der entsprechenden Adhoc-Mitteilung von Cobracrest wird mit keiner Silbe erwähnt, dass das Barangebot weiterhin hätte gültig bleiben müssen. Dort heißt es lediglich, die Bafin habe die Abwicklung des Übernahmevertrages „praktisch unmöglich gemacht“. Hier soll, so mutmaßt der geprellte Anleger Kleiner, „der Bafin der schwarze Peter zugeschoben werden“. Da Cobracrest nicht im amtlichen Handel, sondern nur im Freiverkehr notiert ist, „können wir mangels Zuständigkeit nicht die Barabfindungskomponente des Angebots zu prüfen“, erklärt Bafin-Sprecherin Anja Neukötter. „Die Untersagung des öffentlichen Aktientauschangebots erfolgte auf Grundlage des Wertpapierprospektgesetzes.“ Der Anlegerschutz greift im Freiverkehr kaum. Im Prinzip kann jeder mit Übernahmeangeboten Kurse hochtreiben und dann einfach keine oder fehlerhafte Unterlagen einreichen. Die Bafin muss das Übernahmengebot in der Folge zurückweisen.
Ein Nachspiel wird der Fall Cobracrest trotzdem haben: Wegen des Verdachts auf Marktmanipulation läuft ein Untersuchungsverfahren. Doch selbst wenn diejenigen ermittelt werden, die den Kurs getrieben haben, heißt das nicht automatisch, dass Anleger automatisch Schadenersatz bekommen. „Investoren müssten zivilrechtlich klagen“, so Bafin-Sprecherin Neukötter. Nur gegen wen? Carlyle International trat selbst nie an die Öffentlichkeit, alle Meldungen zum Übernahmengebot kamen von stets Cobracrest. Auch der Mehrheitsaktionär Cobracrest London, ein Private-Equity-Fonds, der nach der geplatzten Übernahme wieder 98 Prozent der Anteile hält, gibt als Kontaktadresse stets Salzufer 8 in Berlin an.
Dort residiert die deutsche Tochter, gemäß Eingendefinition ein „Lifestyle-Konzern“, der - wiederum über etliche Tochterfirmen und Joint Ventures – seine Produkte vertreibt. Dass Anleger angesichts des intransparenten Firmengeflechts den Durchblick verlieren, „ist wahrscheinlich Sinn der Übung“, vermutet Oliver Priess vom Berliner Anwaltsbüro Roscherstraße, das drei Geschädigte vertritt und sich vor Anfragen kaum retten kann. Immerhin hat Priess auf der Suche nach den Hintermännern eine heiße Spur: Auf seiner Homepage nennt er den als Vorstands-Chef von Carlyle International angegebene Ronald von N. Der war früher beim US-Terminmarkthändler Refco beschäftigt, der 2003 wegen Bilanzmanipulationen ins Visier der US-Behörden rückte. Und Axel T., der 2004 im Auftrag von Cobracrest London 86 Prozent des Börsenmantels von Advantec Biotechnologie erworben hatte, aus dem die deutsche Cobracrest hervorging, sei bei Gericht kein Unbekannter: Sein Name wird mit der Pleite der Immobilienfirma Aufina im Jahr 2002 in Verbindung gebracht. In der Berliner Cobracrest-Zentrale jedenfalls zeigt man sich bei der Suche nach den Hintermännern wenig kooperativ. Vorstands-Chef Richard Häusler ignorierte bislang alle Interview-Wünsche.
Quelle: WO, http://www.wallstreet-online.de/informer/...;page=1&thread_page=8 |