Aus meinen letzten Postings geht implizit hervor, dass sich kommende Bärenmärkte kaum vorhersagen lassen - weder mittels Charttechnik noch anhand fundamentaler Kriterien.
Wieso ist es mir dann - mit Einschränkungen* - gelungen, bei der Eröffnung des USA Bären-Threads im Februar 2007 die drohende US-Bankenkrise vorherzusagen - und sogar noch mit den richtigen fundamentalen Argumenten (Bankenkollaps wegen fauler Hypotheken)?
* Hier zunächst die Einschränkungen: Der Lehman-Crash kam erst ca. 1,5 Jahre nach Threaderöffnung, das ist vom Timing her eher schlecht. Es gab allerdings im März 2007 einen kleineren Absacker von ca. -8 %, der manchen Bären (z. B. mir) gerade noch einen Ausstieg aus eine größeren Put-Position mit blauem Auge (leichtes Plus) ermöglichte. Dieser Absacker war das, was ich im Eingangsposting als konkrete Erwartung für 2007 formuliert hatte**. Ich hatte allerdings mit mindesten -20 % gerechnet. Dafür kam dann 2008/9 ein Absacker von ingesamt über 50 % im SP-500.
**Im Eingangsposting dieses Threads steht wörtlich: "Bären (keine Daytrader), die im Laufe dieses Jahres mit einem stärkeren Rückgang der US-Indizes rechnen".
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Wieso also war 2007 eine treffende bärische Prognose möglich und HEUTE NICHT?
Grund:
Wir hatten 2007 ff. eine fundamentale Sondersituation. Greenspan hatte 2002 mit Niedrigzinsen bewusst die Housing-Blase aufgepumpt, weil er wegen des Dot.com-Fiasko "Deflation" befürchtete. Er war der erste Notenbanken nach dem 2. WK, der das D-Wort in den Mund nahm. Er wollte also die Krisenfolgen des Dot.com-Crashes mit "noch mehr Geld bekämpfen" - eine Strategie, an der Notenbankretter bis heute festhalten.
Der Unterschied zu heute war 2002 ff. allerdings der, dass hier eine private Geld- bzw. Schuldenblase angeschoben wurde. Es waren quicklebendige, real existierende Amis, die ihre Häuser mit neuen Hypotheken beliehen (deren Zinsen ja auch günstig waren wie seit langem nicht) oder die wegen der günstigen Konditionen neue bzw gebrauchte Häuser kauften - zu Preisen, die anfangs leicht und am Top (2005 erreichte die Housingblase ihr Maximum) stark überteuert waren. Greenspan setzte hier auch bewusst auf "animal spirits", also darauf, dass steigende Hauspreise ein "Gier" auslösen und die Blase so immer höher treiben. Dass die Hauspreise irgendwann mal austoppen könnten, stand nicht zur Debatte. Auch Bernanke, Greenspans Nachfolger, hat dies nicht auf dem Visier. Kein Wunder, denn die US-Hauspreise waren seit den 20er Jahren gestiegen, eine Folge der ständig mehr oder weniger stark vorherrschenden Inflation.
Als die Hauspreise ab Sommer 2005 wider Erwarten dennoch zu sinken begannen, wurde Insidern sehr schnell klar, dass dies für die Banken - aber auch für die halbstaatlichen Hypobanken Fannie und Freddie - üble Folgen haben würde. Denn wenn die Banken auf den überteuerten Häusern, die sie teils zu 100 % finanziert hatten, sitzen bleiben und die Hauspreise weiter fallen, sind Schieflagen in den Bankbilanzen mit abschließendem Massensterben der Banken eine kaum abwendbare Folge.
Wall Street war jedoch schon immer kreativ in der "Krisenbewältigung". Die Akteure ersannen Verbriefungen, die faule Kredite bündelten und dadurch scheinbar ausfallsicher machten. Und diese CDOs erhielten als Garnierung noch zusätzlich ein verlogenes AAA-Siegel der US-Ratingagenturen. In Europa rissen sich die Banken und die deutschen Landesbanken geradezu um diese Schundpakete - was sie später mit ihrem eigenen Pleite bezahlen musste. Die sächsische Landesbank, die auch in Irland via Zweckgesellschaften ein großes Rad drehte, ist z. B. gänzlich von der Bildfläche verschwunden.
Wir hatten also 2007 also ein sich zuspitzendes Problem in der Realwirtschaft (Banken), basierend auf unvernünftigem und hochspekulativem Verhalten realer Individuen (US-Bürger) und forciert durch halbkriminelle Wall-Street-Machenschaften (betrügischere Verbriefungen). Dass dies in die Hose gehen musste, pfiffen Anfang 2007, als ich diesen Thread eröffnete, die bärischen Spatzen von den Dächern. Es gab zig Quellen, die ja auch hier zitiert wurden.
Später hat sich die gleiche Chose auch in Spanien und Irland wiederholt. Und immer musste der Staat als Bailout-Instanz "of last resort" die Schieflagen wieder ins Lot bringen. Was weltweit die Staatsschulden explodieren ließ.
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Die heutige Blase - nämlich die Zentralbanken-Blase - ist jedoch ganz anders gelagert: Sie hat KEINEN Bezug mehr zu realen Menschen und zur Realwirtschaft. Das Geld, das Zentralbanken in die Märkte hauen (z. B. durch Staatsanleihenaufkäufe im Rahmen von QE) ist aus dünner Luft kreiert. Niemand musste für dieses Geld arbeiten oder Firmen betreiben.
Es fand mithin eine Virtualisierung der Geldwirtschaft statt, die klar planwirtschaftliche Züge hat (ähnlich wie in China).
Wann die Zentralbanken-Blase platzt, lässt sich im Gegensatz zur US-Haus- und Hypthekenblase mMn NICHT vorhersagen, eben weil es keine realbezogenen Werte gibt, die marktgetrieben infolge von Überangebot und mangelnder Nachfrage im Preis sinken könnten (wie die US-Hauspreise ab 2005). Wenn irgendetwas nicht läuft, können die ZB immer wieder "das nächste QE" als Rettungsmaßnahme lostreten. Virtuelles Geld ist unbegrenzt vorhanden.
Ich hatte mich in der Zeit nach 2009 immer wieder geärgert, wenn Wall Street oder auch Leute hier im Thread gesagt haben: "Diesmal ist alles anders". Kein Satz bringt gestandene Bären stärker auf die Palme als dieser ;-) Und dennoch hatten die Schönredner letztlich recht, wie ich rückblickend zugeben muss.
Natürlich wird auch die Zentralbankenblase irgendwann platzen, und es wird ein Fiasko sondergleichen folgen (mit Währungsabwertungen auch des US-Dollars und möglicherweise sogar dem hyperinflationären "Verschwinden" ganzer anderer Währungen wie Euro oder Yen). Aber wegen der "Virtualisierung" und wegen der Möglichkeit der ZB, das Rad immer schneller und höher zu drehen, gepaart mit Negativzinsen, lässt sich das ENDE schwer bis gar nicht pronostizieren.
Daran ändern auch dreistellige KGVs und/oder "dem Platzen nahe" Fahnenstangen-Charts sowie Wawidus Warn-Chart NICHTS.
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