Anscheinend möchte niemand nach dem Motto "Der Kaiser hat keine Kleider" mal eine ganz elementare Wahrheit aussprechen, die sogar für eine Mecklenburg-Vorpommersche Hausfrau unmittelbar nachvollziehbar sein sollte. Zum Training meiner literarischen Fähigkeiten möchte ich die in eine nicht ganz so kurze, dafür aber sehr übersichtliche Allegorie packen:
Eine Sozial-Ungerechtigkeits-Tragödie in 5 1/2 Akten
1. Akt: Ich bin ein ganz normaler Ingenieur mit einem Nettomonatsgehalt von 4'000 Euro und habe mein Leben darauf eingerichtet, dass ich im Schnitt halt auch ungefähr nur 4'000 Euro im Monat für meinen Lebensstandard ausgebe. Mehr möchte ich zwar manchmal gerne ausgeben, aber Kredite kosten mich 10% pro Jahr und die Bank würde mich auch an einen straffen Zügel legen und fragen, wie ich das zurückzahlen könne. Also bleibe ich zähneknirschend bei meinem 4'000-Euro-pro-Monat-Lebensstandard.
So weit, so gut, wenn nicht auf einmal folgendes passieren würde:
2. Akt: Im Rahmen einer seltsamen Verwerfung scheint eine Bank zu glauben, dass ich inhärent hoch "vermögend" bin und gibt mir fast ungefragt einen Kredit über eine Viertelmillion Euro, zu 2% Zinsen, und praktisch tilgungsfrei. Wenn ich mehr brauche, dann könne ich gerne wiederkommen, denn nach solchen Kunden wie mir würde sich die Bank die Finger lecken. Ich bin zunächst etwas skeptisch, aber die Bank sagt, dass sie an mich glaubt, und allmählich denke ich, dass die von Finanzen ja wohl auch mehr verstehen sollten als ich. Also nehme ich den Kredit.
3. Akt: Ab sofort habe ich 250'000 Euro auf dem Konto. Ein tolles Gefühl. Natürlich arbeite ich ganz normal für meine 4'000 Euro netto weiter, aber bei der einen oder anderen Gelegenheit, z.B. dem Autokauf, oder bei einer Urlaubsreise, nutze ich dann doch meine grosszügige Finanzausstattung. Und mein Selbstbewusstsein steigt auch, langsam, aber stetig. Nach einiger Zeit wird ein Umzug fällig, und ich entscheide mich, in den gehobenen Vorort zu ziehen, zur Miete in eine Villa direkt neben dem Finanzmakler, den ich zufällig vor Jahren bei einer Software-Installation kennengelernt und ein wenig beneidet hatte. Meine monatlichen Ausgaben pendeln sich bei 10'000 Euro ein, denn trotz meiner mir attestierten hohen Kreditwürdigkeit bin ich in der Seele bescheiden geblieben. Als der Kredit nach 3 Jahren aufgebraucht ist, macht mir die Bank wie ursprünglich versprochen einen neuen. Es hat sich ja nichts geändert.
4. Akt: Nach weiteren 3 Jahren möchte ich routinemässig einen neuen Kredit, aber da sagt man mir auf einmal, es habe eine Änderung der Risikobewertungs-Vorschriften durch die Innenrevision (was zum Teufel soll das denn sein?) gegeben, und für den neuen Kredit solle ich deshalb 7% Zinsen bezahlen. Ausserdem könne ich den erst bekommen, wenn ich zunächst eine Zeitlang ganz erhebliche Tilgungen leiste. Ja, wovon denn, und schliesslich habe ich doch laufende Verpflichtungen aus meinem alltäglichen Leben? ... Es schliesst sich eine lange Phase von Streitigkeiten an, und ohne jedes Einsehen weigert sich die Bank nicht nur, mir neues Geld zu geben, sondern kündigt alle Kredite und fordert volle Rückzahlung. Die sind doch wohl komplett bekloppt! Richtige Bankster, die ihre geldgierigen Finanzkapriolen brutal auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung austoben. Jetzt wollen die mich auch noch aus meiner Wohnung herauswerfen, weil ich die Miete nicht mehr bezahlen kann!
5. Akt: Gott-sei-Dank schützen mich die Mietgesetze für eine gewisse Weile. Aber keiner fragt mich, wie ich denn die teuren Internate bezahlen soll, auf die meine Kinder seit Jahren gehen, zusammen mit denen meines Finanzmakler-Nachbarn. Ich muss mich manchmal ganz schön zusammennehmen, um nicht total auszurasten. Und seit meine Bank auch noch von irgendwelchen Politikern zwangsverwaltet wird, ist alles noch schlimmer geworden. Da tröstet es mich zwar ein bisschen, dass meine nette Nachbarin, die Frau von dem Finanzmakler (die mit dem roten Schal), mir immer sagt, das alles sei eine Schweinerei und ich würde genau so viel leisten wie ihr Mann. Ab und zu macht sie mir auch eine Bescheinigung für irgendeine obskure dreibeinige Überwachungsinstitution. Ich weiss nicht welche, ich komme sowieso kaum noch zum Arbeiten...
6. Akt, läuft noch: Die Bank ist inzwischen pleite. Nach einem zweijährigen Trauerspiel, dass mich an den Rand eines Amoklaufes getrieben hat, hat man mir schlussendlich die Rückzahlung der Kredite erlassen. Ja woher sollte ich die denn auch zahlen? So ein Quatsch. Aber wie soll ich denn jetzt eigentlich leben? Etwa von einem 4'000-Euro Ingenieurs-Monatsgehalt? Das kann doch wohl nicht gehen. Ja vielleicht vor vielen vielen Jahren, aber glaubt jemand, dass mein ehemaliger Nachbar das könnte? Meine Kinder haben überhaupt keinen Respekt mehr vor mir, nennen mich manchmal unter sich einen Versager. Ich kriege das sehr wohl mit. Und wie soll ich unter diesen Umständen überhaupt die mentale Energie für meinen anstrengenden Beruf aufbringen, der nur mit einem Hungerlohn honoriert wird. Ein Wunder, dass ich meine Stelle noch habe... Seit zwei Jahren wähle ich die Linke. Die können sich auf mich verlassen, denn das sind die einzigen, die zu verstehen scheinen, welche sozialen Verbrechen vom Finanzsystem und ein paar neoliberalen Besserverdienenden am Volk begangen werden...
Disclaimer: Dies ist eine rein fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit realen Sachverhalten, Abläufen und Personen lasse ich mir nicht nachweisen... |